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Dresdner Amtsgericht verurteilt "Klimakleberin"

Seit Oktober 2023 läuft am Amtsgericht in Dresden der Prozess gegen eine Leipziger Klima-Demonstrantin der Gruppe "Letzte Generation". Jetzt ist ein Urteil gefallen.

Von Theresa Hellwig
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Das Dresdner Amtsgericht hat Pia Osman (l.) von der "Letzten Generation" zu einer Geldstrafe verurteilt. Dagegen will sie jetzt vorgehen.
Das Dresdner Amtsgericht hat Pia Osman (l.) von der "Letzten Generation" zu einer Geldstrafe verurteilt. Dagegen will sie jetzt vorgehen. © Matthias Schumann (Archivfoto)

Dresden. Laut und schnell reden Pia Osman und die anderen Mitglieder der Klima-Protestgruppe "Letzte Generation" am Montagnachmittag in Dresden vor dem Gerichtsgebäude. "Wir werden Rechtsmittel einlegen, das ist sicher", sagt Pia Osman. Sie gestikuliert mit den Händen, rauft sich die Haare, während sie spricht: "Ich habe wirklich Angst um unsere Demokratie", sagt sie. "Ist Protest etwa nur dann sinnvoll, wenn alle zustimmen? Auch die Autofahrenden?"

Pia Osman und die anderen Mitglieder der Klima-Protestgruppe sind so aufgebracht, weil kurz zuvor ein Urteil gefallen ist. Am Dresdner Amtsgericht ist es das Ende des ersten Prozesses gegen die sogenannten "Klimakleber". Vor Gericht stand die 27 Jahre alte Pia Osman, weil sie sich im März dieses Jahres auf die Kreuzung der Freiberger mit der Ammonstraße geklebt hatte. Und das Verfahren gegen sie in Dresden endete, anders als sie es bei ihrem vorherigen Prozess in Leipzig bereits erlebt hatte, nicht mit einem Freispruch.

Dresdner Amtsgericht wertet Klebe-Aktion als Nötigung

Zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 Euro, also insgesamt 1.200 Euro, ist die Leipziger Studentin verurteilt worden. Aus Sicht des Gerichts habe es sich bei der Klebe-Aktion tatsächlich um eine Nötigung gehandelt, erklärte Richter Rainer Gerards.

So hätten die Protestierenden ihre Aktion wenigstens ordentlich anmelden müssen, begründete er. Für ihn spielte eine große Rolle, dass die Protestierenden nicht selber von der Straße aufstanden und nach einer kurzen Zeitspanne die Aktion beendeten. Außerdem wog für ihn schwer, dass die Demonstranten – und damit auch Pia Osman – ihre Aktion länger geplant hatten. "Es war Ihr Ziel, eine zentrale Kreuzung zu blockieren", sagte er. "Sie wollten die Leute überraschen."

So habe die Aktion zur Hauptverkehrszeit stattgefunden. Mit ihrem Protest hätten die "Klimakleber" bewusst "die Tötungshemmung der Autofahrer provoziert", so Rainer Gerards. Mit anderen Worten: Sie nutzten aus, dass die Autofahrenden eben nicht einfach draufhalten. Dies sei auch eine Form der Gewalt - und somit Nötigung.

"Würden hier nicht sitzen, wenn alle einverstanden wären"

Außerdem könne das Gericht in das Urteil nicht mit einbeziehen, für wen die Aktivistin protestiert habe. Pia Osman hatte erklärt, dies für alle zu tun – und sich auf Artikel 20a im Grundgesetz berufen. Jener Artikel sieht vor, dass der Staat die natürlichen Lebensgrundlagen für die künftigen Generationen schützen müsse. Dies sehen die Mitglieder der "Letzten Generation" in Gefahr.

"Der Zweck heiligt aber nicht die Mittel", begründete Richter Rainer Gerards sein Urteil. Und: "Recht und Moral sind unterschiedliche Bereiche", sagte er. Es spiele für das Urteil keine Rolle, worum es in dem Protest gehe. Die Klimakatastrophe sei kein entschuldigender Notstand für den Protest. Autofahrende hätten nicht weniger Recht, sich fortzubewegen, als die Demonstrierenden auf ihren Protest. Und: "Wir würden hier nicht sitzen, wenn alle Autofahrer mit dem Protest einverstanden wären", so der Richter.

Es ist diese Aussage, die Pia Osman nach dem Prozess besonders wütend macht. Noch gar nicht lange ist es her, dass sie in Leipzig für eine ähnliche Klebe-Aktion vor Gericht saß. Dort hatte das Gericht betont – so berichteten es damals mehrere Medien - dass im konkreten Fall die Versammlungsfreiheit über der Fortbewegungsfreiheit der Autofahrer stehe. Und dass es sich bei der Klimakatastrophe um einen Notstand handelte.

Nicht nur in Leipzig gab es deshalb für Klimakleber einen Freispruch. Dennoch: Auch Haftstrafen sind an anderen Gerichten bereits verhängt worden.

Zu dem Prozess in Dresden ist es gekommen, weil Pia Osman gegen einen Strafbefehl in Widerspruch gegangen ist. Auch dieser sah eine Strafe von 1.200 Euro für die 27-Jährige vor. Mit dem neuen Urteil blieb das Gericht nicht nur bei der Strafe aus dem Strafbefehl – es folgte auch dem Wunsch der Staatsanwaltschaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.