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Dresdner Jobcenter-Chef: "Über 98 Prozent der Menschen halten sich an die Regeln"

Thomas Berndt über die Einführung des Bürgergeldes, Probleme von langzeitarbeitslosen Menschen und was er von Sanktionen hält.

Von Julia Vollmer
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Thomas Berndt ist Geschäftsführer des Jobcenters in Dresden.
Thomas Berndt ist Geschäftsführer des Jobcenters in Dresden. © SZ/Uwe Soeder

Dresden. Lange wurde diskutiert und gestritten. Nach einem Kompromiss kommt es nun in zwei Stufen ab dem 1. Januar: das Bürgergeld. Zurzeit bekommen rund 27.300 Menschen in Dresden Hartz IV, das vom Bürgergeld abgelöst werden soll. Jobcenter-Geschäftsführer Thomas Berndt über die Änderungen und Sozialarbeiter, die mit Langzeitarbeitlosen arbeiten.

Was ändert sich mit dem Bürgergeld?

Zum 1. Januar soll der Satz für einen Erwachsenen von 449 Euro auf 502 Euro angehoben werden. Für unter 25-Jährige, die bei ihren Eltern leben, erhöht sich der Betrag auf 402 Euro. Für Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren liegt der Satz bald bei 420 Euro, für Kinder von sechs bis 14 Jahren bei 348 Euro. Bei Kindern unter sechs Jahren sind es 318 Euro.

Statt arbeitslose Menschen direkt in einen neuen Job zu vermitteln, sollen Weiterbildung und der Erwerb eines Berufsabschlusses beim Bürgergeld im Vordergrund stehen.„Innerhalb der ersten 12 Monate Bürgergeldbezug , der sogenannten Karenzzeit, gilt ein höheres Schonvermögen von 40.000 Euro , also Geld das trotz Bürgergeld-Bezug unangetastet bleibt.“

Dresdens Jobcenter-Chef Thomas Berndt ist froh, dass sein Team und er "nun Klarheit haben, wie genau das System Bürgergeld funktionieren soll und das freut uns. Es war an der Zeit, die Sozialgesetzgebung anzupassen".

Es sei gut, dass nun das Coaching von Einzelpersonen und Familien aufgenommen wurde und mehr auf Fördern gesetzt wird. "Es ist gut, dass wir damit den von Einigen als mögliches Stigma benannte Hartz IV Begriff verlassen", betont er.

Berndt sagt, er findet es "richtig und wichtig, dass die Lebensleistung der Menschen, die vielleicht im Alter auf das Bürgergeld angewiesen sind, gewürdigt wird mit der Karenzzeit und sie etwa nicht sofort aus ihrer Wohnung in eine günstigere umziehen müssen. Auch das es ein größeres Schonvermögen gibt und die Betroffenen diese nicht sofort aufbrauchen müssen, ist ein guter Schritt."

Gibt es weiter Sanktionen?

CDU/CSU hatte vor dem Kompromiss zum Bürgergeld scharfe Kritik geübt und immer wieder darauf verwiesen, dass sich Arbeiten bei einem eingeführten Bürgergeld nicht mehr lohnen würde. Einer der Kritikpunkte der Union vor dem Kompromiss zum Bürgergeld waren die eingeschränkteren Sanktionen. Maßnahmen soll es allerdings weiter geben, wer nicht mit dem Jobcenter kooperiert, muss mit Leistungskürzungen rechnen.

Die Arbeit im Jobcenter sei auch in Zukunft nicht auf Leistungsminderungen ausgerichtet, sagt Jobcenter-Chef Thomas Berndt. Es sei aber wichtig, dass es in der Zusammenarbeit weiter eine Verbindlichkeit gibt. "Über 98 Prozent der Menschen, für die wir verantwortlich sind, verhalten sich allerdings regelkonform, Sanktionen waren da nie notwendig", sagt er. Es gibt in Dresden, so die Statistik des Jobcenters lediglich eine dreistellige Zahl der Kunden, die aufgrund fehlender Mitwirkung sanktionieren werden müssen oder mussten, also ein nur ein sehr kleiner Teil.

Berndt erklärt, "wenn ein Bürger zu uns kommen soll und einen Termin hat, aber wir dann nichts von ihm hören, müssen wir handeln, da wir Steuermittel verwenden." Aber bei nachvollziehbaren Gründen, wie etwa einen ausgefallenen Bus würde er nicht das "das scharfe Schwert" der Sanktion schwingen, das sind in Praxis die wenigsten Fälle.

Dass es weiter Sanktionen geben wird, befürworten manche Sozialarbeitende aus der Praxis. Anna Klawa aus der Suppenküche in der Neustadt, die unter anderem mit Langzeitarbeitslosen arbeitet und auch Solveig Buder vom Träger "Jugend - Arbeit - Bildung" sagen: "Ohne ein wenig Druck würde das mit unseren Klienten hier nicht funktionieren, zumindest nicht bei allen." Rainer Pietrusky vom Projekt "Chancen für Chancenlose" dagegen findet Sanktionen falsch.

Warum sind manche Dresdner langzeitarbeitlos?

Von Langzeitarbeitslosen spricht das Jobcenter bei Menschen, die länger als 12 Monate aus dem Job raus sind. Aktuell sind es rund 17.600 in der Stadt. Die Zahl derer in Dresden sinkt allerdings seit Jahren.

"Auch hier gilt: Die meisten Menschen wollen arbeiten", so der Jobcenter-Chef. Oft bringen die Menschen jedoch Probleme mit, die zunächst mit Ruhe und Zeit angegangen werden müssen. "Oft haben sie keinen Schulabschluss oder mitunter eine Suchtproblematik. Wir müssen mit einigen Menschen daran arbeiten, wieder eine Tagesstruktur zu erlernen und zu erhalten", so Berndt.

Es gehe manchmal auch darum, wieder pünktlich aufzustehen und eine sinnstiftende Tätigkeit auszuüben. Das erleben auch die Sozialarbeitenden immer wieder, die Menschen fühlen sich gebraucht und bekommen wieder neue Motivation.

Um die Probleme der Frauen und Männer in den Griff zu bekommen, arbeiten Berndt und sein Team mit Beratungsstellen in Dresden an den Themen Suchterkrankungen, Wohnungsprobleme und Schulden. "Auch hier muss ich betonen die meisten Menschen wollen arbeiten und nicht den Sozialstaat ausnutzen. Aber wir schaffen es nur, Menschen dauerhaft in den (ersten) Arbeitsmarkt zu vermitteln, wenn wir diese Probleme vorher abräumen", so der Jobcenter-Chef.