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Dresdner Sportbauten: Zacken kontra Gemütlichkeit

Zur Architektur der DDR gehören Sportbauten. Auch in Dresden. Sie wirken kühn, leicht und sind Denkmale der Ostmoderne.

Von Peter Ufer
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Elegant geschwungene Schwimmhalle mit dem konkav gebogenen Spannbetondach: Ruderzentrum in Dresden-Blasewitz
Elegant geschwungene Schwimmhalle mit dem konkav gebogenen Spannbetondach: Ruderzentrum in Dresden-Blasewitz © Marizio Camagna

Wie ein Origami-Kranich kurz nach dem ersten Falten hockt das zackige Gebäude am Elbufer. Die vier spitzen Flügel heben sich schwebend in den Himmel. Das Dach besteht aus vier sogenannten hyperbolischen Paraboloid-Schalen und überspannt eine Grundfläche von 36 mal 36 Metern. Futuristische Architektur, die allerdings bereits aus 1970er-Jahren stammt.

Das Ruderzentrum Blasewitz hockt etwas verschreckt zwischen der Elbe und dem Ende der Ferdinand-Avenarius-Straße. Doch der monolithische Stahlbetonbau bildet einen spannenden Kontrast zum Elbhang auf der anderen Seite und setzt mit seiner Stahl-Glasfassaden einen markanten Akzent im villenbesetzten Statteildorf Blasewitz.

Der Sportbau aus der Zeit der DDR gehört in Dresden zu einer Reihe von geradezu avantgardistisch gedachten Gebäuden, die nach wie vor als fortschrittsorientiert betrachtet werden können. Auch die Sprung- und vor allem die Schwimmhalle am Freiberger Platz gehören dazu.

Dachkonstrukteur: Ulrich Müther

Die Dachkonstruktion des Ruderhauses stammt von Ulrich Müther, der 1934 in Binz geboren wurde und 2007 dort auch starb. Der Bau­in­ge­nieur ent­warf und baute über 70 Scha­len­bau­werke. Dazu gehören unter anderem das Ahornblatt Berlin Mitte, erbaut von 1971 bis 1973, zerstört im Jahr 2000, das Café und Restaurant Seerose in Potsdam, erbaut 1983, der Teepott in Warnemünde von 1968, die Stadthalle in Neubrandenburg von 1969 und auch die Rennschlitten- und Bobbahn Altenberg, erbaut von 1983 bis 1986.

Sowohl in der DDR als auch nach der Wie­der­ver­ei­ni­gung galt Müt­her als Ein­zel­gän­ger unter den Bau­in­ge­nieu­ren. Er selbst nannte sich selbst­iro­nisch und zu­rück­hal­tend einen „Land­bau­meis­ter von Rü­gen“. Sein le­bens­lan­ger Lehr­meis­ter blieb für ihn der Architekt Félix Candela, geboren 1910 in Madrid, gestorben 1997 in Durham, North Carolina. Die Beziehung der beiden Baumeister zeigt die Internationalität jener Architektur, die sich ebenso in der oft diskreditierten Ostmoderne widerspiegelt.

Halle für Wasserspringer folgt

In dem 2003 erschienen Band "Federgewichte" wird Ulrich Müther als einer der weltweit fünf Pioniere des Schalenbetonbaus gewürdigt. Einem Teil seiner Konstruktionen, Großgaststätten, Schwimmbäder, Tagungszentren, Messehallen oder Cafés ging nach 1989 allerdings ihre ursprüngliche Nutzung verloren oder sie wurden abgerissen.

In Dresden wurde das zackige Sportgebäude 2008 vom Sächsischen Landesamt für Denkmalpflege unter Denkmalschutz gestellt, "weil es besondere Eigenschaften besitzt, die es wertvoll für die Gemeinschaft macht", sagte die damalige Landeskonservatorin Rosemarie Pohlack.

Schon 1964 ließ die Stadt eine Halle für Wasserspringer bauen. Im Jahr 2002 erhielt die Trainingsstätte eine Tribüne an der früheren Glasfront. Die reichlich 200 Sitzplätze sind einerseits ein Vorteil, da Publikum zusehen kann und die Halle so für internationale Wettkämpfe geeignet ist. Gleichwohl beseitige der Anbau die ursprüngliche Offenheit und Transparenz der bestens gegliederten Glasfassade. Für die Springer ist übrigens das Kunstlicht jetzt ein Störfaktor.

Ostmoderne im Sport: "Springerschule" am Freiberger Platz in Dresden-Mitte
Ostmoderne im Sport: "Springerschule" am Freiberger Platz in Dresden-Mitte © Ronald Bonß

Nebenan befindet sich die 1969 fertig gestellte elegant geschwungene Schwimmhalle mit dem konkav gebogenen Spannbetondach. Diese Halle wurde von 2014 bis Dezember 2019 komplett saniert und bekam einen Erweiterungsbau. Auch hier präsentiert sich die DDR-Architektur mit Experimentierfreude. Der Kunsthistoriker Thomas Kantschew schreibt dazu auf seiner Netzseite „Das neue Dresden. Architektur und Städtebau von 1918 bis heute“: „Diese Bildzeichenarchitektur als bebaute Landschaft ordnet sich ganz in den Trend der weltweiten Nachkriegsmoderne zwischen Brasilia und Moskau ein.“

Was einerseits bei den Sportbauten der Ostmoderne rekonstruiert wurde, ging beispielsweise im Zoo verloren. Mitte 2017 nahmen Bauleute trotz vieler Proteste das Pinguin-Café auseinander. Ein Kleinod, Schmuckstück, hinreißender Bau mit großem Charme. Ursprünglich stand das Haus 1969 anlässlich einer Ausstellung zum 20. Jahrestag der DDR auf der Karl-Marx-Allee in Berlin. Der Pavillon, damals als Boulevard-Café mit expressiver Architektur und großen Glasflächen konzipiert, wurde 1973 nach Dresden geliefert. Der frei stehende, offene, transparente und lichtdurchflutete Bau war ein Zeugnis der experimentierfreudigen Aufbruchszeit der späten 1960er-Jahre in der DDR, wie in Deutschland insgesamt. Immerhin hat das Dresdner Denkmalschutzamt das Café als "erhaltungswürdig" eingestuft, es sei "stadtgeschichtlich wertvoll“. Vielleicht wird es eines Tages wieder aufgebaut.

Der Artikel ist Teil einer neuen Serie von Sächsische.de. Unter dem Titel "Die Dresdner Ostmoderne" befassen wir uns bis zum 7. Oktober mit charakteristischen Plätzen und Gebäuden. Den nächsten Teil lesen Sie am Freitag.

Die ersten beiden Teile der Serie lesen Sie hier.

Film und Diskussion zur Dresdner Ostmoderne: Am 7. Oktober, ab 17 Uhr, lädt das Rundkino zum 50. Geburtstag ein. Gezeigt wird ein Film von Ernst Hirsch mit Architekt Landgraf und zum Aufbau Dresdens in den 1970er- und 80er-Jahren. Außerdem gibt es eine Diskussion zur Rettung der Dresdner Ostmoderne. Karten gibt es im Rundkino oder unter www.cineplex.de/dresden