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Berührungs-Festival in Corona-Zeiten?

Nach aufzehrenden Monaten in der Pandemie plant das Dresdner Zentrum für Berührungskunst ein Festival. Eine Provokation oder das richtige Zeichen?

Von Henry Berndt
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Anukan-Gründerin Katrin Laux will sich mit einem Festival aus der Krise kämpfen.
Anukan-Gründerin Katrin Laux will sich mit einem Festival aus der Krise kämpfen. © Sven Ellger

Dresden. Es gab diesen Punkt zu Beginn dieses Jahres, da hätte alles vorbei sein können. "Wir standen auf der Kippe", sagt Katrin Laux. "Es war einfach kein Geld mehr da für Miete, Personal und andere laufende Kosten." Die Gründerin und Leiterin des Anukan Zentrums für Berührungskunst in der Dresdner Neustadt und des Sinnesart-Massagestudios in Cotta stand vor der Wahl: Aufgeben oder neue Wege gehen.

Bereits seit Monaten ging zu dieser Zeit in Cotta gar nichts mehr, da erotische Massagen unter Prostitution fallen, die in Corona-Zeiten einen besonderen schweren Stand hatte. "Das war das Erste, was geschlossen wurde, und das Letzte, was wieder aufmachen durfte", sagt Laux. In ihrem Zentrum für Berührungskunst konnte sie immerhin einige Workshops über Online-Formate umsetzen und Zuhörzeiten anbieten. "Das Schlimmste war das dauernde Hin und Her. So haben wir oft Dinge beworben, die dann nicht stattfinden konnten." Da die staatliche Unterstützung nicht ausreichte, mussten Ideen her.

"Ein Wunder, dass wir noch existieren"

"Es ist ein Wunder, dass wir noch existieren", sagt Katrin Laux heute, "aber wir haben uns zusammengesetzt und einige wichtige Dinge auf den Weg gebracht." Unter anderem wurde eine Crowdfunding-Kampagne zugunsten von Anukan gestartet. Langjährige Wegbegleiter hätten zum Teil größere Beträge gespendet, um das Projekt am Leben zu erhalten.

Weiterhin wurde die Gründung eines Anukan-Vereins beschlossen, dem zunächst 13 Mitglieder angehören. Vergangene Woche war die zweite Mitgliederversammlung.

Hinter dem als Marke geschützten Kunstwort Anukan steckt eine Form der Massage, die in Dresden entwickelt wurde. "Damit wollten wir uns vom dem Begriff Tantramassage abgrenzen, um das schmuddelige Image loszuwerden", sagt Laux. Außerdem biete Anukan viel mehr, unter anderem auch therapeutische Elemente. Von lebensverändernden Sitzungen, ja gar von Wunderheilungen spricht sie und ist so von ihrem Ansatz überzeugt, dass sie gerade an einer umfassenden Körper-Sexualtherapie arbeitet. Für die Fälle, in denen nur reden nicht mehr helfe.

Von Bodypainting bis Yoga

Die dritte aus der Krise geborene Idee zur Steigerung der Bekanntheit ist die Ausrichtung eines Festivals für Berührungskunst. Nach guten Erfahrungen mit dem Zuspruch bei Tagen der offenen Tür sollte dieses Festival eigentlich schon im März in Dresden seine Premiere feiern. Das allerdings ließ die Corona-Lage nicht zu.

Nun aber wollen sich Katrin Laux und ihr Team nicht mehr aufhalten lassen: Vom 10. bis 12. September planen sie ihr Festival auf dem Lebensgut Pommritz bei Bautzen. Auf die Beine gestellt wird das Event in Kooperation mit dem Become Love Philosophie Festival der Liebe, das es bereits seit einigen Jahren gibt. Während dort jedoch der Kopf das Sagen hatte, wollen die Dresdner nun das Körperliche beisteuern.

Auf dem Programm stehen unter anderen Burlesque-Workshops, schamanische Zeremonien, Massagevorführungen, Bodypainting, das Singen von Mantren und Yoga. Oder kurz: "Wir wollen die Vielfalt der Möglichkeiten aufzeigen, wie man Liebe erfahren und leben kann."

Das Drei-Tages-Ticket kostet 129 Euro. Bislang wurden rund 100 Karten verkauft. Angesprochen werden sollen auch Menschen, die noch nicht in tantrischen Kreisen zu Hause sind und denen im Leben "irgendwas fehlt".

"Ausgehungert, einsam, depressiv"

"Wir freuen uns riesig auf drei Tage ausgelassene Stimmung, Begegnungen und Liebe", sagt Katrin Laux. "In Zeiten wie diesen sehnen wir uns umso mehr nach Gemeinschaft, nach Unbeschwertheit und vor allem nach Berührung." Da komme ein Event wie dieses doch nur gelegen.

An dieser Schlussforderung könnten sich allerdings auch Zweifel regen. Die Delta-Variante des Corona-Virus bereitet sich aus. Die Inzidenzen steigen wieder - und damit die Gefahr einer vierten Welle im Herbst. Ist das wirklich ein guter Zeitpunkt für ein Festival, bei dem Berührungen im Mittelpunkt stehen?

"Wann, wenn nicht jetzt?", fragt Katrin Laux zurück. "Lebensfreude ist gesund. Der Mensch ist ein soziales Wesen und Berührungen sind lebensnotwendig." Während der Pandemie-Monate hätten sich täglich Leute bei ihr gemeldet, und gefragt, wann und wie es endlich weitergehe. "Die Leute sind ausgehungert, viele einsam oder gar depressiv. Es gibt da draußen so viele, die keine Partner haben und sich nach Berührungen sehnen." Beim Neustart im Massagestudio seien nicht wenige Freudentränen geflossen, "weil die Menschen das so sehr vermisst haben".

Die hohe Nachfrage nach Massagen könne zurzeit gar nicht bedient werden, nicht zuletzt, weil sich viele Masseurinnen in der Krise beruflich umorientiert hätten.

Was ihr Festival auf Gut Pommritz betrifft, will Katrin Laux nicht naiv wirken. Natürlich gebe es ein Hygienekonzept. Wer wolle, dürfe auch jederzeit einen Mundschutz aufsetzen. "Selbst mit dauerhaft zwei Metern Abstand kann das Event genossen werden", betont die Mitbegründerin. Allerdings solle das doch bitte jeder für sich selbst entscheiden.