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Nachkriegszeit im Grünen Gewölbe: Der Schatz kehrt aus der Sowjetunion nach Dresden zurück

Die Übergabe des "Grünen Gewölbes" an die DDR im November 1958 war der Höhepunkt einer spektakulären Rückführung von Kunstschätzen aus der Sowjetunion.

Von Ralf Hübner
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Im Grünen Gewölbe, der ehemaligen Schatzkammer der Wettiner Fürsten – bis 2004 im Albertinum untergebracht – stehen Besucher vor einer Vitrine mit einem Nürnberger Schmuckkasten von 1590.
Im Grünen Gewölbe, der ehemaligen Schatzkammer der Wettiner Fürsten – bis 2004 im Albertinum untergebracht – stehen Besucher vor einer Vitrine mit einem Nürnberger Schmuckkasten von 1590. © Foto: SZ/Waltraut Kossack

Dresden. Der November ist ein wichtiger Monat in der Geschichte des Grünen Gewölbes, und das in zweierlei Hinsicht: Der Kunstraub vor vier Jahren bestimmt bis heute die Schlagzeilen. Viel früher aber, vor 65 Jahren, war die Rückkehr der Kunstwerke aus der Sowjetunion gefeiert worden, wohin sie nach dem Zweiten Weltkrieg als Kriegsbeute gebracht worden waren. Am 28. November 1958 wurden die Schätze offiziell der DDR übergeben. Die Dresdner Museen füllten sich wieder, so auch das barocke Schatzkammermuseum der sächsischen Kurfürsten und Könige, das in zehn prachtvoll ausgestatteten Räumen rund 3.000 Schmuckstücke und andere Meisterwerke aus Gold, Silber, Edelsteinen, Elfenbein und anderen wertvollen Materialien beherbergt.

"Freundestat der Sowjetunion"

Bei dem Staatsakt im Lichthof des Dresdner Rathauses übergab der sowjetische Botschafter Michael G. Perwuchin DDR-Kulturminister Alexander Abusch offiziell die Kunstschätze und überreichte symbolisch ein Tableau mit Perlen und Brillanten sowie das "Goldene Kaffeezeug" von Johann Melchior Dinglinger, dem Goldschmied August des Starken. Dann verschwanden die Schätze zunächst wieder im Tresor. Die Sächsische Zeitung schrieb von einem "Akt historischer Bedeutung", von einer "Freundestat der Sowjetunion". Doch der Berichterstatter steigerte das Pathos noch: "In der Geschichte unserer zu vormals nie denkbarer Blüte aufstrebenden Kunststadt wird die feierliche Unterzeichnung des Übergabeprotokolls der von der Sowjetunion geretteten Kunstschätze des Grünen Gewölbes als der Tag eingehen, an dem unser Volk Talent und Schöpferkraft seiner vergangenen Generationen dadurch ehrte, dass es in seine Obhut nahm, was seine Meister ersannen und fertigten".

Zuvor, 1942, hatte das Grüne Gewölbe seine bis dahin wohl schwerste Zeit zu überstehen. Wegen des Krieges waren die Sammlungen in die Festung Königstein in Sicherheit gebracht worden. Bei der Zerstörung der Dresdner Innenstadt durch Luftangriffe am 13. und 14. Februar 1945 brannte das Residenzschloss aus. Doch fünf von ursprünglich acht Räumen blieben als einzige des alten Dresdens in weiten Teilen erhalten. Sie gelten als die schönsten des europäischen Barocks.

Am Tag der deutschen Kapitulation übergab der Festungskommandant des Königsteins sämtliche Schlüssel dem Dienstältesten der dort internierten französischen Offiziere. Erst Tage später erfuhr die mit der Bergung der Kunstschätze beauftragte Spezialtruppe der Roten Armee von dem Auslagerungsort.

Kunst für mehrere Städte der DDR

Als nach dem Ende des Krieges die meisten Schätze der Kunstsammlungen wie auch die Bestände anderer Museen von der Roten Armee als Kriegstrophäen nach Moskau, Leningrad und Kiew gebracht wurden, schienen diese für immer verloren. Das Grüne Gewölbe und die Rüstkammer hatten damit praktisch aufgehört zu existieren. 1955 verkündete der UdSSR-Ministerrat jedoch völlig überraschend, die Bilder der Gemäldegalerie zurückzugeben. In einer Sonderausstellung wurden die Dresdner Bilder noch rasch den erstaunten Moskauern gezeigt, und schon am 25. August 1955 wurden zunächst 750 von ihnen einer DDR-Regierungsdelegation übergeben.

So überraschend wie 1955 war die Rückkehr der Schätze des Grünen Gewölbes 1958 nicht. Bereits ein Jahr zuvor waren ihr Verhandlungen zwischen der DDR und der Sowjetunion in Moskau vorausgegangen. Museumsmitarbeiter aus Berlin, Dresden, Leipzig, Potsdam und Weimar waren ab August 1958 in der Sowjetunion und übernahmen die Kunstwerke. In Kisten verpackt wurden sie mit der Eisenbahn zunächst nach Berlin und dann in die jeweiligen Städte gefahren. Für die Stücke des Grünen Gewölbes gab es ein anderes Verfahren. Sie waren in Moskau in den Tresoren des Finanzministeriums und im Puschkin-Museum deponiert und wurden durch Hilde Rakebrand, Direktorin der Porzellansammlung und des Kunstgewerbemuseums, sowie einen Mitarbeiter des Finanzministeriums übernommen.

Im November 1958 ging es in speziellen Eisenbahnwaggons und unter Bewachung durch die Rote Armee direkt von Moskau nach Dresden. Rakebrand flog mit dem Flugzeug, um die Kunstwerke in Empfang nehmen zu können. Vom Neustädter Bahnhof wurden die Kisten von der Polizei bewacht zunächst in das Polizeipräsidium auf der Köpckestraße gefahren. Dort wurden die Stücke ausgepackt, geprüft und auf Listen abgehakt. Nach zwei bis drei Wochen – so lange dauerte die Aktion – kamen die Kisten in den Tieftresor der Deutschen Notenbank auf der Galeriestraße und wurden erst im Frühjahr 1959 für die zweite Ausstellung "Der Menschheit bewahrt" wieder geöffnet, die ab dem 8. Mai im Albertinum gezeigt wurde.

Das Grüne Gewölbe stellte dort auf 350 Quadratmetern 383 Kunstwerke in Vitrinen aus. Das erste Mal nach dem Krieg konnten die Dresdner dort unter anderem das „Goldene Kaffeezeug“, das "Bad der Diana" von Dinglinger und den „Mohr mit der Smaragdstufe“ wieder sehen. Der "Hofstaat des Großmoguls" kam erst 1960 wieder in die Ausstellung. Auch die große Fregatte aus Elfenbein wurde erst später wieder öffentlich sichtbar.Bis 2004 war das Grüne Gewölbe übergangsweise im Albertinum zu sehen – bis die ersten zehn Räume des Neuen Grünen Gewölbes im Residenzschloss öffneten. Seit 2006 können die Schätze auch in den wieder hergestellten historischen Räume der Schatzkammer bewundert werden.