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Heinz Melkus: Die Dresdner Rennfahrer-Legende

Der Autorennsport ist in Dresden vor allem mit Heinz Melkus verbunden. Er war in der Stadt populär wie kaum jemand. Viele Dresdner haben in seiner Fahrschule die Fahrerlaubnis erworben.

Von Ralf Hübner
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Sportwagenbauer Heinz Melkus bei der Vorstellung seines nach ihm benannten Coupés RS 1000 im Jahr 1969.
Sportwagenbauer Heinz Melkus bei der Vorstellung seines nach ihm benannten Coupés RS 1000 im Jahr 1969. © Melkus Pressebild

Dresden. Er steht für schnelle Autos und war eines der bekanntesten Dresdner Gesichter nach dem Krieg. Der Rennfahrer, Konstrukteur und Unternehmer Heinz Melkus hat in zumeist selbst gebauten Rennboliden 80 seiner 289 Rennen gewonnen. Von 1958 bis 1972 war er fünfmal DDR-Meister und gewann dreimal den "Pokal für Frieden und Freundschaft" – die Meisterschaft der Ostblock-Staaten. In diesem Jahr wäre er 95 Jahre alt geworden. Er wurde am 20. April 1928 geboren.

Als im Juni 1951 an der Autobahnspinne am Dreieck Dresden-Nord die damaligen "Spinnerennen" Premiere hatten, stand ein junger Bierwagenfahrer, der gerade Bierfässer für einen Getränkestand gebracht hatte, tatenlos am Rande der Rennstrecke, weil er das Gelände wegen des großen Gedränges nicht mehr verlassen konnte. Und so musste sich der 23-jährige Heinz Melkus das Rennen ansehen. Sein Eindruck: "Das kann ich besser." Er meldete sich für das nächste Rennen an. Es war die Geburtsstunde der Dresdner Melkus-Rennfahrerdynastie.

Laster mit Holzgas-Generator

Dabei hatte Melkus jedoch schon erste Rennerfahrungen gesammelt. Er hatte 1947 an verschiedenen Geländewettbewerben mit dem Motorrad teilgenommen und war 1950 "Leistungsprüfungen" mit dem Auto gefahren – Straßenrennen. Schon als Schüler wollte Melkus Rennfahrer oder Pilot werden und tatsächlich hat er eine Segelflug-Ausbildung durchlaufen. Der Vater war Direktor der Dresdner Bier-Vertretungsgesellschaft.

Nach dem Krieg barg der 16-Jährige aus den Ruinen einen Drei-Tonnen-Laster mit Holzgas-Generator aus dem Fuhrpark der elterlichen Getränkefirma und machte ihn wieder fit. Transportmittel waren nach dem Krieg knapp und ein eigener Laster war eine gute Einnahmequelle. Nach einer Kurzprüfung und mit einer provisorischen Fahrerlaubnis ausgestattet transportierte Melkus fortan mit dem Laster meist Lebensmittel und Brennstoff. Fahrten führten ihn bis nach Hamburg.

Nach dem Spinnerennen erwarb Melkus einen umgebauten Schwimmwagen der Wehrmacht, setzte ihm einen frisierten VW-Motor ein und fiel im ersten Rennen aus. 1952 stieg er auf einen Veritas um, eine damals bekannte Renn- und Sportwagenmarke, die mit dem Motor eines Alfa Romeo ausgestattet war. Mit dem Gefährt wurde Melkus DDR-Vizemeister in der klasse Formel 2 bis 2.000 Kubikzentimeter.

Als der Wagen jedoch 1953 beim Avus-Rennen in Berlin durch Pleulabriss ausfiel, war der Alfa-Romeo-Motor futsch. Als Ersatz baute Melkus einen französischen Flugmotor ein – einen Zweizylinder-Boxermotor – mit dem er in der 1954er-Saison zu drei Siegen in Folge und zum zweiten Platz der DDR-Bestenermittlung fuhr.

RS 1000, der "Ferrari des Ostens"

1955 trat Melkus der Betriebssportgemeinschaft Post Dresden bei, wo er einen in Bau befindlichen Formel-3-Monoposto vollendete, einen Rennwagen-Einsitzer. Es war der Beginn des Konstrukteurs Heinz Melkus. Nach bestandener Fahrlehrerprüfung wurde er zudem der jüngste Fahrlehrer der DDR und gründete eine eigene Fahrschule, die er bis 1992 betrieb. Es war die zweitgrößte Fahrschule der DDR. Fast jeder zweite Dresdner Kraftfahrer zwischen 1955 und 1991 erwarb dort die Fahrerlaubnis.

1960 gliederte Melkus den Rennwagenbau, der in sein Fahrschulunternehmen integriert war, organisatorisch aus. In der Werkstatt entstand in den Folgejahren eine Vielzahl von Rennwagen.

Einer der seltenen Farbtupfer auf DDR-Straßen: Der Melkus RS 1000. Er galt als der „Ferrari des Ostens“. Von 1969 bis 1979 verließen 101 Exemplare die Melkus-Werkstatt. Das zweisitzige Sportcoupé auf der Basis des Wartburg 353 war unter der Leitung von He
Einer der seltenen Farbtupfer auf DDR-Straßen: Der Melkus RS 1000. Er galt als der „Ferrari des Ostens“. Von 1969 bis 1979 verließen 101 Exemplare die Melkus-Werkstatt. Das zweisitzige Sportcoupé auf der Basis des Wartburg 353 war unter der Leitung von He © Archivfoto

Das wohl auffälligste und bekannteste Auto der Melkus-Werkstatt war der RS 1000, der "Ferrari des Ostens", wie er auch genannt wurde. Ein vorbeifahrender Lotus während einer Reise in Jugoslawien soll ihn auf die Idee gebracht haben. "Eines Tages bauen wir auch mal so ein Ding", soll Melkus gesagt haben. Um von der politischen Führung der DDR grünes Licht für einen solchen Wagen zu erhalten, stellte die Kommission Automobilrennsport des Motorsportverbandes (ADMV) im November 1968 bei der Zentralen Sportkommission den Antrag zum Bau eines komplett in der DDR gebauten Sportwagens "zu Ehren des 20. Jahrestages der Gründung der DDR".

Eine Arbeitsgemeinschaft aus Vertretern des ADMV, Ingenieuren der TU Dresden, der Verkehrshochschule Dresden sowie Technikern des Automobilwerkes Eisenach und Designern der Kunsthochschule Berlin-Weißensee wurde gegründet, und nach fünfmonatiger Entwicklungszeit stand der Melkus Rennsportwagen (RS) 1000 auf den Rädern, ein Sportcoupé.

Besitzer mussten "rennsportliche Tätigkeit" nachweisen

Der Zweisitzer fiel vor allem durch seine extrem tiefe Lage auf – er hatte nur zehn Zentimeter Bodenfreiheit. Gerade einen Meter hoch duckte er sich auf der Straße. Der Einstieg erfolgte durch schicke Flügeltüren.

Fahrwerk, Motor, Windschutzscheibe und Räder waren aus der Serienfertigung des damaligen Wartburgs 353 übernommen, die Türscharniere stammten vom Skoda 1000 MB, später gab es auf Wunsch an der Vorderachse Scheibenbremsen des Polski Fiat 125p. Die strömungsgünstige Karosserie lieferte das Robur-Werk in Zittau. Vorderteil und Heck waren aus glasfaserverstärktem Polyester, Türen und Dach aus Leichtmetall. In die Türschweller waren zwei Kraftstofftanks eingebaut.

Bei Melkustreffen sind die DDR-Sportwagen noch heute zu bestaunen.
Bei Melkustreffen sind die DDR-Sportwagen noch heute zu bestaunen. © René Meinig

Die Ausstattung innen beschränkte sich auf speziell für den RS 1000 entwickelte Schalensitze, ein Dreispeichen-Holzlenkrad, Rundinstrumente sowie einen kurzen Schaltknüppel. Die Wagen sollen es bei 75 PS auf etwa 165 Kilometer je Stunde gebracht haben, die Rennausführung auf etwa 100 PS und 200 Kilometer je Stunde. Er kostete fast 30.000 DDR-Mark. Besitzer mussten "rennsportliche Tätigkeit" nachweisen. Die meisten der 101 gebauten Exemplare existieren noch immer. Seit 2006 werden wieder zwei bis drei Wagen jährlich in Handarbeit gefertigt – für Liebhaber.