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Abriss: Die Dresdner Sophienkirche fällt

Die Sophienkirche dominierte früher den Postplatz in Dresden. Vor 60 Jahren wurden die letzten Teile des im Krieg zerstörten Gebäudes abgerissen.

Von Ralf Hübner
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Dresdner Postplatz mit Sophienkirche um 1925: Vor 60 Jahren sollten die letzten Mauern des dann zerstörten Gotteshauses fallen.
Dresdner Postplatz mit Sophienkirche um 1925: Vor 60 Jahren sollten die letzten Mauern des dann zerstörten Gotteshauses fallen. © Sammlung H. Naumann

Dresden. Die Geste hat das Schicksal der Dresdner Sophienkirche am Postplatz besiegelt. Alte Fotos dokumentieren, wie der ehemalige DDR-Staatschef Walter Ulbricht das Gotteshaus 1961 eigenhändig aus dem Dresdner Stadtmodell entfernt. Es passte wohl nicht in das Bild der künftigen sozialistischen Großstadt. Die Ruine des im Krieg zerstörten Baus wurde abgeräumt. Vor 60 Jahren, am 30. April 1963 fielen die Reste der Nordwand des bis dahin ältesten, noch halbwegs erhaltenen und letzten gotischen Bauwerkes der Stadt. Die Stelle wurde zunächst mit einer Rasenfläche und einem kleinen Parkplatz bedeckt.

Die Kirche hinterließ eine Lücke, die bisher nicht wieder gefüllt wurde. Der mächtige Bau mit seinen beiden Türmen war ein Orientierungspunkt am Eingang zur Wilsdruffer Straße. Die Sophienkirche war die ehemalige evangelische Hof- und Hauptkirche Sachsens sowie der Sitz des Landesbischofs. 1720 erklang dort die erste Silbermannorgel Dresdens. An dem Instrument spielten Johann Sebastian Bach sowie dessen Sohn Wilhelm Friedemann Bach, der dort von 1733 bis 1747 das Amt des Organisten versah.

Die Sophienkirche im Wandel

Die Sophienkirche war anfangs eine schlichte, rechteckige und einschiffige Saalkirche ohne Turm, 43 Meter lang und 11 Meter breit. Sie war Teil eines Klosters von Franziskanermönchen, das 1272 erstmals erwähnt wird. Im 14. Jahrhundert wuchs das Gotteshaus zu einer zweischiffigen Hallenkirche mit zwei gleichartigen Chorabschlüssen.

Eine um 1400 an dem Südchor angefügte Kapelle, wurde von der angesehenen und wohlhabenden Familie Busmann gestiftet und diente ihr als Begräbnisstätte. Sie war das architektonische Glanzstück der Kirche. Die Konsolbüsten von Lorenz Busmann, einem ehemaligen Bürgermeister der Stadt, sowie seiner Frau waren die ersten überlieferten bildlichen Darstellungen Dresdner Bürger. Als im Juli 1539 mit einem feierlichen Festgottesdienst in der Kreuzkirche die Reformation eingeführt wurde, übereignete Herzog Heinrich der Fromme das Kloster der Stadt. Doch Nachfolger Herzog Moritz nutzte die Klosterkirche von 1542 an als Getreidespeicher und Zeughaus.

Weil aber Begräbnisplätze in der Stadt knapp waren, wollte der Rat die „Kirche und ein Vorhöfchen“ zurück. Auf Veranlassung von Sophie, der Witwe von Kurfürst Christian I., wurde das Bauwerk 1599 wieder instand gesetzt. 1602 weihte schließlich Hofprediger Polycarp Leyser das Gotteshaus auf den Namen Sankt Sophien. Sophie war es auch, die das Kirchenvermögen durch Stiftungen und Zuwendungen vermehrte und 1603 unter dem Altar eine Fürstengruft für Angehörige des Hauses Wettin anlegen ließ.

Die Kirche erhielt einen neuen Hauptaltar aus Marmor und Alabaster, ein von Giovanni Maria Nosseni entworfenes Kunstwerk. Es sollte bis zur Zerstörung des Bauwerkes dessen Hauptschmuck bleiben.

Der Altar wurde geborgen und steht jetzt in der Loschwitzer Kirche. Johann Christoph Knöffel verhalf der Kirche zu einem Glockenturm und nahm im Inneren Umbauten vor. Von 1864 an veränderte der Architekt Christian Friedrich Arnold, ein Schüler Gottfried Sempers, das Äußere der Kirche komplett. Der nackte Westgiebel wurde mit einer Turmfront mit zwei rund 66 Meter hohen Türmen verkleidet und zudem das ursprüngliche Gebäude fast vollständig umgebaut.

1932 wurden die neogotischen, durchbrochenen und deshalb witterungsanfälligen Turmspitzen vereinfacht und mit kupfernen Helmen versehen. Bei der Zerstörung der Stadt am 13. Februar 1945 brannte die Kirche aus, Ende Februar 1946 stürzten Teile des Gewölbes ein. Anfangs schien klar, dass die Kirche wieder aufgebaut wird. 1951 erschien sie auf einer Liste von denkmalgeschützten Ruinen. Allerdings wurde sie bei den Aufbauplänen immer wieder infrage gestellt. Zudem zeigte sich die Landeskirche wenig interessiert. Der Wiederaufbau hätte wohl die Mittel mehrerer Jahre verzehrt.

Abriss wird zum Politikum

Zudem gab es zunächst kein Konzept für eine Nutzung. Im August 1950 wurde der Helm des Südturmes gesprengt, weil das Kupferblech für die Kreuzkirche benötigt wurde, die Zinnsärge aus der Fürstengruft wurden nach Freiberg überführt. Es gab Vorschläge, nur die alte Franziskanerkirche wieder aufzubauen und die späteren Anbauten mit den Türmen wegzulassen und sie für Freiluftgottesdienste, Konzerte oder als Museum zu nutzen. Im Juni 1950 versuchte Landeskonservator Hans Nadler in einem Brief, den Verantwortlichen in Stadt und Landeskirchenamt ins Gewissen zu reden und sie auf die Baugeschichte und die kulturhistorische Bedeutung der Sophienkirche aufmerksam zu machen.

Doch als SED-Chef Walter Ulbricht bei einer Sitzung der Stadtparteileitung 1956 für den Abriss der Ruine plädierte, geriet der Kampf für die Kirche zum Politikum. 1958 fasste die SED auf einem Parteitag den Beschluss, die sichtbarsten Kriegsspuren in den Städten der DDR bis 1962 zu beseitigen. Damit war das Schicksal der Kirche besiegelt. Denkmalschützer, Kirchenvertreter, namhafte Persönlichkeiten aus Kunst und Architektur versuchten vergeblich, den Abriss aufzuhalten.

Das Finale begann 1962 mit einer städtischen Vorlage zum Abbruch. Mit einer Flugblattaktion wagten junge Architekten und Studenten Widerstand. Die Folge waren Verhöre durch das Ministerium für Staatssicherheit. Denkmalschützer bargen 23 Grabsteine, die Altäre, Schlusssteine, Rippen und andere wertvolle Teile.

Im Dezember 1962 folgte der Abriss der Türme und der Abbruch der Seitenwände mit Ausnahme eines Teils der Nordwand, 1967 wurde an etwa jener Stelle eine von den Dresdnern „Fresswürfel“ genannte Großgaststätte eröffnet. Jetzt steht dort ein Bürogebäude. Konturen im Pflaster am Boden zeichnen die Umrisse der einstigen Kirche nach. Eine Gedenkstätte erinnert noch heute an sie.