Dresden
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Wo Helmut Kohl und Fidel Castro schliefen

Das ehemalige Interhotel "Newa" an der Prager Straße ist noch immer unübersehbar. Im Sozialismus stand es auch für Glamour.

Von Ralf Hübner
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"Sie bauen sich selbst ihr Monument": Blick über die Prager Straße aufs Hotel "Newa".
"Sie bauen sich selbst ihr Monument": Blick über die Prager Straße aufs Hotel "Newa". © Bildstelle

Mit rund 50 Metern ist es das höchste Gebäude der Prager Straße, und es war viele Jahre das erste Hotel der Stadt. Vor 50 Jahren wurde nach rund zweijähriger Bauzeit am 7. Oktober 1970 das damalige Interhotel "Newa" eröffnet.

Zu den ersten Gästen gehörte neben den Teilnehmern eines Deutsch-Sowjetischen Jugendfestivals der damalige DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht. Als er am Nachmittag des 5. Oktober das Haus zu einem Bummel über die Prager Straße und das Festivalgelände verließ, sei er von Beifall und Hochrufen Hunderter vor dem Interhotel "Newa" wartender Festivalgäste und Dresdner Einwohnern empfangen worden, schrieb die Sächsische Zeitung damals. Nur schwer habe er sich mit Begleitung den Weg durch die Tausenden auf der Prager Straße gebahnt.

Zu den späteren prominenten Gästen gehörten unter anderen Fidel Castro und Howard Carpendale, Uno-Generalsekretär Pérez de Cuéllar, der Dirigent Herbert von Karajan, der Schriftsteller Tschingis Aitmatow sowie die Fußballteams von Ajax Amsterdam und Bayern München. Auch die Sänger Salvatore Adamo und Heino oder die Politiker Wolfgang Mischnik, Bernhard Vogel und Helmut Kohl betteten ihr Haupt auf Newa-Kissen. In den ersten 30 Jahren konnte das "Newa"auf mehr als 1,7 Millionen Gäste und mehr als 4 Millionen Übernachtungen verweisen.

Spezialitäten im Restaurant "Leningrad"

"Sie bauen sich selbst ihr Monument", hatte die Sächsische Zeitung in einem Beitrag die Bauarbeiter des Hotels gefeiert. Die Entwürfe für den Bau stammten von den Architekten Manfred Arlt, Claus Kaiser Jochen Weinert und Hans Fuhrmann. 640 Gäste konnte das "Newa" aufnehmen. Das 14-geschossige Haus hatte 255 Zimmer, die als Ein- oder Zweibettzimmer genutzt werden konnten, sowie 48 Zweibettzimmer mit Telefon, Radio und Innenwasserklosett. In den sechs Appartements im 14. Geschoss mit getrennten Wohn- und Schlafräumen gab es zudem Fernsehgeräte und eine Kühlschrankbar. In den Restaurants "Leningrad" und "Baltic" wurden "Spezialitäten aus Freundesland" serviert. In der Hotelbar konnte ab 20 Uhr das Tanzbein geschwungen werden. Gäste konnten sich Kofferfernsehgeräte, Regenschirme und Schreibmaschinen ausleihen. Das Programm bot Touren zum Schloss Moritzburg mit Wildschweinessen in "Adams Gasthof", einen Besuch in der "Räuberhütte", der Porzellanmanufaktur in Meißen oder im Osterzgebirge an.

"Spezialitäten aus Freundesland": Blick ins Restaurant Leningrad. Postkarte von 1975
"Spezialitäten aus Freundesland": Blick ins Restaurant Leningrad. Postkarte von 1975 © - keine Angabe im huGO-Archivsys

Das Hotel war in Plattenbauweise errichtet worden und mit einer Aluminium-Vorhangfassade und farbig emaillierten Stahlblech-Brüstungsfeldern versehen. Der Name kam vom gleichnamigen Fluss, der durch Dresdens Partnerstadt Sankt Petersburg - damals Leningrad - fließt. Das 18 Meter lange und 3,5 Meter breite Bild an der Westseite zeigt eine "Newalandschaft".

Mit Hotels heraus aus der Nachkriegszeit

Auf Dresdens Prachtmeile herrschte vor der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg vor allem nahe dem Hauptbahnhof kein Mangel an Hotels. Zu den vornehmen Adressen zählte unter anderem der 1890/91 für den Hotelier Rudolph Sendig aus Bad Schandau errichtete "Europäische Hof" mit einer Neorenaissance-Fassade, der spätere "Europahof". Das Haus war so erfolgreich, dass Sendig gleich gegenüber ein weiteres Hotel, das spätere Grandhotel "Deutscher Hof", bauen ließ. Drittes Haus am Platz war das "Hotel Windsor", dem sich das "Hotel Schiller" in der Sidonienstraße Ecke Reitbahnstraße anschloss. Noch näher am Hauptbahnhof lag das "Hotel de Saxe", das spätere "Hotel Blesch". Im Erdgeschoss hatte unter anderem das Büro der "Hamburg-Amerika-Linie" ein Büro. Der Hotelier Franz Blesch mietete noch das 1913 errichtete Nachbarhaus. Als er Ende der 1920er-Jahre aufgeben musste, wurde daraus das "Piccadilly Hotel" und nach einem weiteren Eigentümerwechsel 1934 das "Hotel Eden". Am Wiener Platz selbst standen dem Hauptbahnhof gegenüber sechs Villen aus den 1880er-Jahren, die fast alle als Hotel genutzt wurden, wie das "Central-Hotel" an der Prager Straße, das "Hotel Monopol" sowie das auf zwei Häuser verteilte "Kaiser-Wilhelm-Hotel".

Hotels waren nach dem Krieg ein wichtiger Teil beim Wiederaufbau der Prager Straße. Einsam stand dort noch bis 1969 das am 31. Juli 1949 eröffnete Hotel "Excelsior", das wiederaufgebaute ehemalige "Hotel Schiller" mit mehr als 100 Betten, Café und Kellerbar. Es wurde abgebrochen, als die Hotels "Bastei", "Königstein" und "Lilienstein" öffneten. Letztes der neuen Häuser war das Hotel "Newa".

1992 wurde das "Newa" privatisiert und gehört seitdem zur Accor-Hotelgruppe. 2002 zerstörte das Jahrhunderthochwasser das Erdgeschoss und die gesamte Technik in den Kellerräumen. Das bedeutete das vorläufige Aus. Doch mit 25 Millionen Euro wurde das "Newa" wieder fit gemacht. Die Fassade erhielt eine Glasspiegel-Verkleidung. Seit 2008 trägt es als Accors Fünf-Sterne-Marke Pullman Hotels den Namen "Hotel Pullman Dresden Newa".

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