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Ist Dresden bereit für den E-Sport-Boom?

Seit wenigen Wochen gibt es in Dresden die erste E-Sport-Bar. Beim digitalen Fußball gehört Gian-Luca schon zu den Besten in Deutschland. Und er will mehr.

Von Henry Berndt
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Luca ist Sachsens bester Fifa-Spieler. In der Dresdner E-Sport-Bar Level44 trifft er auf Gleichgesinnte.
Luca ist Sachsens bester Fifa-Spieler. In der Dresdner E-Sport-Bar Level44 trifft er auf Gleichgesinnte. © Sven Ellger

Dresden. Fußball kann vieles sein: ein Hobby, eine Ablenkung, eine Sucht. Vor allem aber ist es ein Spiel, ganz gleich, ob auf dem grünen Rasen oder am Monitor. Gian-Luca Kada kennt alle Facetten des Fußballs. Zehn Jahre lange spielte der 18-jährige Dresdner selbst aktiv Fußball, davon lange Zeit beim SC Borea Dresden. Vor zwei Jahren bremste ihn eine Verletzung aus. Die Hüfte spielte nicht mehr mit. Als Jugendtrainer steht er dennoch weiter dreimal in der Woche auf dem Feld.

Und dann ist da noch diese andere Fußballfaszination, die Gian-Luca schon früh in ihren Bann zog. Diese Art Fußball spielt er meist allein in seinem Zimmer, mit Kopfhörern auf den Ohren, die Augen auf einen Monitor fokussiert. Gian-Luca ist leidenschaftlicher E-Sportler. Er steuert Fußballer über seine Playstation. Die Ziele sind dieselben wie auf dem Rasen: Tore schießen und gewinnen. Immer besser werden. Sein Spiel heißt "Fifa" - so wie der Weltfußballverband.

"Als Vierjähriger habe ich schon immer meinem großen Bruder beim Spielen zugeschaut und wollte immer unbedingt dabei sein", erinnert er sich. "Das hat mich sicher geprägt." 

"Reinschwitzen" für den Erfolg

Mit vollem Namen heißt er Gian-Luca Kada Benchiha. Sein leiblicher Vater ist Portugiese. Aufgewachsen ist er aber bei einem Italiener. 

Mit zwölf Jahren bekam Gian-Luca seine erste eigene Playstation und dazu das Spiel "Fifa 98". Die Zeit, die ihm zwischen Schule und Fußballtraining blieb, verbrachte er jetzt immer häufiger vor dem Monitor. Erst spielte er nur für sich, bald aber auch online gegen Menschen in der ganzen Welt. 

Immer, wenn eine neue Version des Spiels auf den Markt kam, war er einer der ersten, die sie kauften. "Und dann war immer erstmal brutales Training angesagt, um nicht abgehängt zu werden." Dann wird richtig "reingeschwitzt", wie man in der Szene sagt.

Mit der Zeit merkte Gian-Luca, dass er besser ist, als die meisten seiner Kontrahenten. In seine Mannschaft steckte er viel Ehrgeiz, aber auch echtes Geld für sogenannte "Packs" mit besseren Spielern. Der Fifa-Hersteller will ja auch fleißig mitverdienen.

Selbst jobbt Gian-Luca zurzeit in einem Getränkemarkt, nachdem sein schon sicher geglaubter Ausbildungsplatz als Sport- und Fitnesskaufmann kurzfristig der Corona-Krise zum Opfer fiel. 

E-Sport füllt ganze Stadien in Asien

Auch mit E-Sport lässt sich inzwischen durchaus Geld verdienen. Vor allem die Asiaten machen es vor und füllen riesige Stadien mit Zuschauern, die Computerspielern beim Computerspielen zuschauen.

Bis dahin ist es für Deutschland und speziell für Gian-Luca noch ein weiter Weg. Seit etwa einem Jahr ist er nun so etwas wie ein semiprofessioneller E-Sportler. Er ist jetzt Teil des Dresdner Vereins 404 Multigaming, für den er auch regelmäßig bei Turnieren antritt. Inzwischen könne er mit den besten Fifa-Spielern in Deutschland mithalten, sagt er. Erst im vergangenen Jahr gewann Gian-Luca die Sächsischen Landesmeisterschaften im Fifa19. 

Und das soll noch lange nicht der Höhepunkt seiner E-Sport-Karriere sein. Wie weit er es aber noch bringen wird in der Konsolen-Welt, ist auch davon abhängig, ob und wie schnell der weltweite E-Sport-Boom in Dresden ankommt.

Nach monatelanger Vorbereitung hat Alexander Schramm gemeinsam mit seinem Bruder die Bar Level44 eröffnet.
Nach monatelanger Vorbereitung hat Alexander Schramm gemeinsam mit seinem Bruder die Bar Level44 eröffnet. © Sven Ellger

Vor zwei Monaten wurde auf der Bautzner Straße das Level44 eröffnet, die erste E-Sport-Bar in Sachsen. In jeder Ecke gibt es hier Monitore, Controller und dazwischen eine Bar. Zwar hat die Corona-Krise auch hier den Zulauf ausgebremst. An den Wochenenden sei die Bar aber schon gut gefüllt, sagt Alexander Schramm, der den Laden gemeinsam mit seinem Bruder David aufgebaut hat. Die beiden wollen den E-Sport aus seiner Nische holen und ihn für die breite Masse interessant machen.

Fußballmannschaften gründen E-Sport-Abteilungen

Der Verein hat inzwischen mehr als 160 Mitglieder, allerdings ist Gian-Luca als Fifa-Spieler der einzige klassische E-Sportler. Viele echte Fußballmannschaften, vor allem aus der 1. und 2. Bundesliga, haben bereits eigene E-Sport-Abteilungen gegründet. Ihre Spieler dürfen sich miteinander in der höchsten Liga messen - ein Traum für Gian-Luca. 

Der Verein 404 Multigaming hatte zuletzt immerhin schon sanfte Bande zu Dynamo Dresden geknüpft. Mit deren Abstieg in die dritte Liga in der vergangenen Saison kippte jedoch die Stimmung. Außerdem müsste Gian-Luca selbst bei einer Partnerschaft mit Dynamo nun zunächst auf deren raschen Wiederaufstieg hoffen.

Ob das digitale Spiel überhaupt als Sport anerkannt werden sollte, daran scheiden sich momentan noch die Geister. Geht es nach Gian-Luca, dann sollte es keinen Zweifel geben: "Für mich ist das ganz klar ein Sport", sagt er. "Das Spiel fordert eine unheimliche mentale Stärke und es zählt Höchstleistung. Das sollte man auch anerkennen."

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