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Kulturwerkschule in Dresden: "Wir wollen keine Schule nur für reiche Kinder sein"

Noten gibt es an der Kulturwerkschule in Dresden erst ab Klasse neun. Warum auch der Bildungsgrad der Eltern in der Grund- und Oberschule abgefragt wird.

Von Julia Vollmer
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Michael Hecht ist Geschäftsführer der Kulturwerkschule in Dresden und von Beginn an dabei.
Michael Hecht ist Geschäftsführer der Kulturwerkschule in Dresden und von Beginn an dabei. © Marion Doering

Dresden. Keine Hausaufgaben und kein Fachunterricht mehr vor 9 Uhr am Morgen. Diese Forderungen wurden zuletzt in Dresden diskutiert bei Schülern, Lehrern und Eltern. Eine Schule, an der es schon jetzt keine Hausaufgaben gibt, ist die Kulturwerkschule. Das ist eine Grund- und Oberschule mit je einem Standort auf der Luboldtstraße auf dem Weißen Hirsch und einen auf der Glashütter Straße. Geplant ist nun auch ein weiterer Standort in Pieschen. Dafür gibt es aber noch kein Startdatum.

Fächerübergreifender Unterricht im Fokus

"Hausaufgaben gibt es bei uns nicht. Es werden alle Aufgaben in der Schule erarbeitet und der Nachmittag soll frei sein für die Kinder", sagt Geschäftsführer Michael Hecht. Zum Konzept gehört, dass es keinen Frontalunterricht gibt und nicht alle Schüler zur gleichen Zeit die gleichen Dinge tun müssen, sagt Hecht. Das heißt, es gibt keinen klassischen Stundenplan, der besagt, dass alle Zweitklässler montags in der ersten Stunde Mathematik und mittwochs in der dritten Stunden Deutschunterricht haben.

"Aber es gibt natürlich auch verpflichtende Angebote, die alle Kinder wahrnehmen müssen", erklärt Michael Hecht. Im Fokus steht der fächerübergreifende Unterricht. Da wird zum Beispiel das Thema Ägypten in den Fächern Geschichte, Deutsch und Ethik behandelt. Dazu können die Schülerinnen und Schüler dann entweder einen Vortrag erarbeiten, kochen oder ein Plakat gestalten. Dabei sollen sich die Mädchen und Jungen gegenseitig unterstützen und helfen, sie lernen in der Grundschule altersgemischt von der ersten bis zur dritten Klasse.

Weniger Kinder pro Klasse als an der Regelschule

"Wir wollen Schule für alle gestalten, egal wie leicht oder schwer es den Kindern fällt, zu lernen. Pro Klasse gibt es ein bis zwei Integrationsplätze", so Hecht. Diese Integrationsplätze sind für Mädchen und Jungen, die Beeinträchtigung beim Lernen oder in der Entwicklung haben. Um das besser zu bewerkstelligen, sind mit 24 Kindern die Klassen nicht ganz so voll besetzt wie an vielen staatlichen Schulen. Dort lernen oft 28 oder 29 Kinder pro Klasse.

Wie an anderen freien Schulen, wie der Waldorfschule oder der Montessorischule, gibt es Schulnoten nicht von Beginn an. An staatlichen Grundschulen werden Deutsch, Mathematik und Sachkunde ab Klasse 2 benotet. An der Kulturwerkschule gibt es Noten erst ab Klasse neun. Vorher schreiben die Lehrkräfte einen Lernentwicklungsbericht in Worten. Die Diskussion, ab wann die sächsischen Schulen Noten vergeben sollten, ist zuletzt wieder lauter geworden.

Die Schule ist eine staatlich genehmigte Ersatzschule. Das heißt, die Kinder müssen Prüfungen an einer staatlichen Oberschule ablegen, um den Realschul-Abschluss zu erreichen. Tests gibt es aber auch vorher schon, sagt Hecht. Es werden aber eher die Ergebnisse in den selbst erarbeiteten Projekten, wie zum Beispiel den Ägypten-Vortrag angeschaut, als ein klassisches Arbeitsblatt mit Aufgaben in Mathematik.

Fünf Pädagogen gründeten die Schule gemeinsam

2019 wurde die Kulturwerkschule gegründet. "Das war eine aufregende Anfangszeit. Aufregend ist es immer noch", erzählt Geschäftsführer Michael Hecht. Gestartet ist die Schule damals mit zwei Klassen, mit einer ersten und einer fünften Klasse. Jetzt besuchen rund 200 Kinder von der ersten bis zur neunten Klasse die Schule. Die Kinder können entweder ab der ersten Klasse in der Grundschule starten oder ab der fünften Klasse auf der Oberschule. Aber auch ein Quereinstieg sei möglich.

Gestartet ist die Kulturwerkschule als Schulgründung von fünf Pädagogen. Sie haben sich an der Uni kennengelernt. Geschäftsführer Michael Hecht ist von Anfang an dabei, er unterrichtet auch selbst im Bereich Grundschule und ist Erziehungswissenschaftler. "Wir hatten damals schon länger von einer Gründung geträumt. Im ersten Jahr war es noch klein und gemütlich hier mit 50 Kindern, jetzt füllen sich die Gänge langsam", erzählt der 49-Jährige. 40 Mitarbeiter arbeiten in der Schule - als Pädagogen, im Hort und in der Verwaltung.

Ähnlich wie an der Universitätsschule sieht es auch das Konzept der Kulturwerkschule vor, Kinder und Familien mit verschiedenen Hintergründen aufzunehmen. "Uns ist es wichtig, auf eine ausgewogene soziale Mischung zu achten. Das messen wir über den Bildungsabschluss der Eltern und darauf, ob etwa ein Migrationshintergrund vorliegt", so Hecht.

Im Schnitt 130 Euro Schulgeld im Monat

In dem Aufnahmeantrag müssen die Eltern also beispielsweise ausfüllen, welchen Bildungsabschluss sie haben. Das können dann aber nicht die Lehrkräfte einsehen, sondern nur die Verwaltung. Das Einkommen soll aber keine Rolle spielen. "Wir wollen keine Schule nur für schöne und reiche Kinder sein", betont Hecht. Da es eine freie Schule ist, wird aber dennoch ein Schulgeld fällig, so wie an anderen freien Schulen wie etwa der freien Evangelischen oder der Montessori-Grundschule auch.

Im Schnitt kostet das Schulgeld 130 Euro im Monat, dazu kommen noch die Gebühren für die Hortbetreuung und das Mittagessen. "Alle Familien geben soviel, wie sie können. Das wichtige ist, dass wir den Betrag, den wir brauchen im Monat für Miete und Co. über die Eltern-Gemeinschaft zusammen bekommen", erklärt der Geschäftsführer.