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Keine Hausaufgaben und später Unterrichtsbeginn - Kann das in Schulen in Dresden funktionieren?

Schüler in Dresden sollen mehr Freizeit haben. Könnte ein Schulalltag ohne Hausaufgaben und dem Unterricht ab 9 Uhr funktionieren? So bewerten Lehrer, Eltern, Schüler und Behörden diese Vorschläge.

Von Julia Vollmer
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Soll der Unterricht künftig erst 9 Uhr an den Schulen in Dresden beginnen?
Soll der Unterricht künftig erst 9 Uhr an den Schulen in Dresden beginnen? © Foto: Bernd Weißbrod/dpa

Dresden. Jeden Tag um 6.30 Uhr aufstehen, um 8 Uhr beginnt die Schule. Der Nachmittag ist schnell weg, wenn Hausaufgaben gemacht werden müssen. Zwei Dinge, die wohl viele Schüler nerven. Geht es nach der Dresdner Linksjugend, soll beides abgeschafft werden: keine Hausaufgaben mehr und Unterricht ab 9 Uhr.

"Hausaufgaben gehören abgeschafft! Sie demotivieren viel eher, als, dass sie beim Lernen helfen", betont Paul Senf, Jugendkandidat der Linksjugend Sachsen zur Landtagswahl und langjähriger Studierendenvertreter an der Technischen Universität Dresden. Die Aufgaben daheim seien Stress für die gesamte Familie, würden die Bildungsungerechtigkeit verschärfen, da Eltern teils helfen könne und teils nicht.

Auch das frühe Aufstehen soll es nicht mehr geben, so die Forderung: "Fachunterricht vor neun Uhr ist Quatsch! Die biologische Uhr vieler Schülerinnen und Schüler ist nicht darauf ausgelegt, früher aufzustehen", sagt Anna Becker von der Linksjugend. Das führe zu Schlafmangel, mindere die Leistung. Der Vorschlag von ihr: Gleitzeit-Modelle oder Zeiten zum selbstständigen Lernen am Morgen. Forscher von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin betonten schon vor Jahren, ein Unterrichtsbeginn sehr früh sei problematisch.

Doch wie realistisch sind diese Forderungen? Und was halten Schüler, Eltern, Lehrer und die Behörden davon?

Wie sind die gesetzlichen Regelungen für Unterricht ab 9 Uhr?

Laut Clemens Arndt, Sprecher im Landesamt für Bildung (Lasub) haben die Schulen das selbst in der Hand im Rahmen der Möglichkeiten, wann früh der Startschuss fällt. "Den Schulen ist für den Unterrichtsbeginn ein Zeitkorridor von 7 bis 9 Uhr an weiterführenden Schulen und von 7.30 Uhr bis 9 Uhr an Grundschulen vorgegeben." Diese Entscheidungen müssten stets im Einvernehmen zwischen allen an Schule Beteiligten getroffen werden, also etwa Lehrer und Horterzieher.

Genauso sieht es auch beim Thema Hausaufgaben aus. "Die Schulen können im Rahmen der Eigenverantwortung und ihres pädagogischen Konzepts durchaus das Thema Hausaufgaben in ihrer Art und Form genauer definieren. Wenn alle an Schule Beteiligten damit einverstanden sind, ist auch hier eine individuelle Lösung denkbar", sagt Arndt. Mehrere Schulleitungen in Dresden wollen sich dazu nicht äußern oder sind nicht erreichbar.

Was sagen die Schülerinnen und Schüler in Dresden dazu?

Der Stadtschülerrat kann sich teilweise den Forderungen anschließen. "Verpflichtende Hausaufgaben helfen den Schülern pädagogisch wenig", sagt Sprecher Nicolas Boucher. Die Probleme seien viel mehr der Lehrkräftemangel und die "unrealistischen" Lehrpläne. "Eine Entschlackung der Lehrpläne sollte also priorisiert werden, um eine Überlastung der Schüler mit Hausaufgaben überhaupt zu vermeiden", sagt er.

Schaue man nur auf die Biorhythmen der Schüler, sei ein Unterrichtsbeginn zwischen 8.30 und 9 Uhr gut, was allerdings eine Verschiebung des gesamten Schultages nach hinten bedeute. "Ein Unterrichtsschluss um beispielsweise 17 Uhr wird von den Wenigsten bevorzugt. Es könnte zum Beispiel eine zeitliche Überschneidung mit Hobbys geben", so Boucher.

Morgens länger schlafen? Wie bewerten das die Eltern?

Für Achim Horeni vom Kreiselternrat sind beide Themen - Hausaufgaben und Schulbeginn - individuelle Dinge der Schulen. "Präsentationen oder Referate, kleine Vorträge und Impulse stützen gerade in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern den Lernerfolg und sollten weiter zu Hause möglich sein", betont er aber.

Auch der Tagesrhythmus einer Schule gehöre zu den Themen, die jede Schulgemeinschaft für sich entscheiden sollte. "Gerade jüngere Kinder profitieren von frühen Beginnen zwischen 7.30 und 8 Uhr, während Jugendliche spätere Beginne bevorzugen würden", sagt er. Eine Option sei es zum Beispiel, so Horeni, in der ersten Stunde vor allem Ganztagsangebote und Förderunterricht anzubieten und den Unterricht für die "Großen" erst um 8.55 Uhr zur zweiten Stunde zu beginnen.

Hausaufgaben als "Beschäftigungstherapie": Was sagen die Lehrer?

"Wir sprechen uns dafür aus, Hausaufgaben in einem angemessenen Verhältnis aufzugeben und nicht zur einzigen Nachmittagsbeschäftigung von Kindern werden zu lassen", sagt Claudia Maaß, stellvertretende Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW Sachsen. Hausaufgaben sollten aber nicht per se abgelehnt werden. "Gerade etwa das Einmaleins eignen sich gut als Hausaufgaben und entlaste damit den ohnehin oft vollgepackten Unterricht zeitlich", sagt sie.

Der Diskussion um den Start am Morgen steht sie offen gegenüber. Auch sie kann den Argumenten folgen, dass der Biorhythmus von Jugendlichen anders sei und sich da schlechter mit einem frühen Schulbeginn verträgt. Stundenplanmodelle, die diesen Erkenntnissen im Sinne der Schüler Rechnung tragen, findet sie gut. "Allerdings müssen bei der Forderung nach einem späteren Beginn auch die Folgen auf die schulinterne Organisation, den Schülerverkehr mit Bus und Bahn sowie auf außerschulische Interessen nach dem Unterricht berücksichtigt werden."