Dresden. Die Geschichte von Georg Arnhold kennen vielleicht noch einige Dresdnerinnen und Dresdner. Aber Hand aufs Herz: Wem sagt der Name Genja Jonas etwas? Oder Benno Thorsch? Die Gebrüder Pick? Richard Steinhart? Gemeinsam haben diese Menschen: Sie prägten das jüdische Leben in Dresden; hatten zum Beispiel kleinere oder größere Geschäfte in der Stadt, Kaufhäuser oder Ateliers. Die Dresdner Künstlerin Lisa Maria Baier hat jetzt ihre Geschichte aufgearbeitet.
In ihrer Kunstaktion "Geschäft gesucht" macht sie auf die Schicksale der Jüdinnen und Juden aufmerksam. Schon lange arbeitet sie an dem Projekt. Anlässlich des Jahrestags der Reichspogromnacht am 9. November 1938 zeigt die Künstlerin über 100 Werbeplakate und Fotos jüdischer Geschäfte in Dresden. Noch bis Januar zieren die Plakate die Fenster der WirAG in der Dresdner Neustadt (Martin-Luther-Str. 21). Auch auf einer Homepage ist die Geschichte der Jüdinnen und Juden in Dresden nachzulesen. Dort hat die Künstlerin auf einer Karte skizziert, wo überall in der Stadt sich die Geschäfte der Menschen befanden.
Georg Arnhold Bad geht auf Juden zurück
Baier präsentiert dort zum Beispiel ein altes Foto des Georg Arnhold Bades und beschreibt, wie es entstanden ist: Nämlich mit gestifteten Mitteln des jüdischen Bankiers Georg Arnhold. Die Geschichte von Genja Jonas ist eine, die Lisa Maria Baier besonders berührt, sagt sie. "Sie war Fotografin, also Künstlerin, wie ich."
Und Benno Thorsch? Er betrieb in der Bismarckstraße 56 eine Kamerawerkstatt, ist in Lisa Maria Baiers Stadtplan zu lesen. Benno Thorsch war demnach Halbjude und musste emigrieren. In den USA betrieb er dann eine ehemalige Fotokopierfirma weiter.
Die Gebrüder Pick betrieben der Karte zufolge eine Malzfabrik in der damaligen Henningsdorfer Straße. Die Fabrik sei damals die modernste ihrer Art in Sachsen gewesen, schreibt die Künstlerin. Sie macht auch auf das Schicksal von Julia Pick aufmerksam, der Frau des letzten Eigentümers. Diese nahm sich im August 1942 das Leben, weil sie als Jüdin nach Theresienstadt hätte abtransportiert werden sollen.
Und auch die Geschichte von Richard Steinhart berührt die Künstlerin. "Er betrieb ein Kaufhaus in der Kesselsdorfer Straße", sagt sie. "Das Kaufhaus war damals wahnsinnig beliebt." Lange Zeit seien die Inhaber deshalb nicht denunziert worden, später aber eben doch.
Antisemitismus infolge des Nahost-Kriegs erhöht Relevanz
Es sind Schicksale, die die Künstlerin nicht kaltlassen. Seit vielen Jahren recherchiert sie zu jüdischem Leben in Dresden, berichtet sie. Hat immer wieder vor dem Computer oder im Stadtarchiv gesessen, ist Listen mit Namen durchgegangen, hat nachgeschaut, wer wann deportiert wurde.
"Es ist so wichtig, aufzuzeigen, was den Leuten damals angetan worden ist", sagt sie. Mit ihrer Kunstaktion wolle sie eine Art "Peinlichkeitsfaktor" auslösen. "Viele befassen sich gar nicht mit dem Thema", sagt sie. "Gerade jetzt, zum 9. November, muss man sich doch aber erinnern."
Angesichts des zunehmenden Antisemitismus infolge des Nahost-Krieges gewinne das Thema noch einmal an Relevanz, sagt sie. So sieht es auch Christopher Colditz vom Ostra-Verein, der das Projekt gemeinsam mit der Künstlerin noch einmal in die Öffentlichkeit geholt hat. "Der Hass auf Jüdinnen und Juden nimmt durch den Nahostkonflikt schon wieder zu", sagt er. "Antisemitismus endete bisher immer in Vertreibung und Tod", so der Dresdner Linken-Stadtrat. "Hier müssen wir jetzt ein klares Zeichen setzen."