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Dresdner macht seine Papageien-Liebe zum Beruf

Seit seiner Kindheit umsorgt Falco Conrad verletzte Vögel. Jetzt hat er einen Verein gegründet und baut selbst Knabber-Spielzeug.

Von Henry Berndt
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Am liebsten würde Falco Conrad für seine Papageien eine ganze Wohnung mieten.
Am liebsten würde Falco Conrad für seine Papageien eine ganze Wohnung mieten. © René Meinig

Dresden. Es zwitschert durch das Treppenhaus. Im obersten Stock wird gepfiffen und geplappert. "Guter Micki" und "Tschüssi" ist zu verstehen. Dabei hält Falco Conrad überhaupt nichts davon, Papageien bewusst Wörter beizubringen. "Das hat nichts mit ihrem natürlichen Verhalten zu tun", sagt der 33-Jährige, der sich selbst einen Freund klarer Worte nennt. Nicht alles, was er sagt, kann so hier zitiert werden. Zum Glück hilft Frau Swetlana beim Entschärfen. Sie darf das. Erst vor wenigen Wochen haben die beiden geheiratet.

Ihre gemeinsame Drei-Raum-Wohnung in Leuben ist eine Auffangstation für Vögel, die es bislang schwer hatten im Leben. Die einen können nicht fliegen oder haben keine Füße, andere wurden aus völlig vermüllten Unterkünften befreit. Als sie vor vier Jahren hier einzogen, brachte Falco Conrad drei Papageien mit. Nur drei. Inzwischen sind es 17.

"Vögel geben so viel zurück"

Die Vögel haben ein ganzes Zimmer für sich, das mit viel Holz und Draht zur raumfüllenden Voliere umgebaut wurde. Solange jemand zu Hause ist, dürfen sie aber frei in der ganzen Wohnung herumflattern - oder eben laufen. Jeder hat seinen Lieblingsplatz. "Es gibt nur ein paar Grundregeln, das wissen die", sagt Conrad. "Möbel werden keine angeknabbert."

Drei- bis viermal am Tag muss allerdings gekehrt oder gesaugt werden. Urlaubsreisen gibt es praktisch keine. Immerhin haben sie einen Kleingarten gepachtet, natürlich auch mit Voliere. "Für uns fühlt sich das nicht wie ein Verzicht an", sagt er. "Die Vögel geben einem so viel zurück."

In der Wohnung haben zwei Wachteln ihr Zuhause gefunden und auch die Rosakakadus Susi und Charly. Seine besondere Leidenschaft gilt allerdings den Mohrenkopfpapageien, die korrekt inzwischen Senegalpapageien heißen. "Das klingt doch schrecklich", sagt Conrad. "Für mich bleiben das Mohrenkopfpapageien."

Die Schaukeln aus Kork und Draht sind bei vielen Vogelhaltern begehrt.
Die Schaukeln aus Kork und Draht sind bei vielen Vogelhaltern begehrt. © privat

Mehr als ein Dutzend von ihnen leben bei ihm in Gemeinschaft, eine Tatsache, die in der Szene äußerst kritisch gesehen werde. Die vorherrschende Meinung sei noch immer, dass Mohrenkopfpapageien nur paarweise gehalten werden sollten, da es sonst bei geschlechtsreifen Tieren zu brutalen Kämpfen kommen könne.

Falco Conrad sieht das gänzlich anders und vertritt mit Vorliebe seine Ansicht, dass sich die Vögel sehr wohl auch in größeren Gruppen vertragen können. "In der freien Natur leben auch bis zu 20 Tiere zusammen", sagt er. "Warum soll das zu Hause nicht funktionieren?" Sogar ein Buch hat Conrad genau über dieses Thema geschrieben: "Im Schwarm - Mohrenkopfpapageien".

Seit seiner Kindheit in der Oberlausitz ist er immer von Vögeln umgeben gewesen. Sein Opa hielt einst große Aras. Seit Conrad als Jugendlicher seinen ersten verletzten Vogel mit der Pipette aufzog, war es um ihn geschehen.

Papageienhilfe Dresden gegründet

"Für viele sind Papageien mehr Gegenstände und Prestigeobjekte als Lebewesen", sagt er. "Es ist schrecklich, was ich zum Teil erleben musste." In Coronazeiten kam erschwerend das Gerücht hinzu, auch Haustiere könnten das Virus übertragen.

Immer wieder finden so neue Vögel bei ihm Zuflucht. Sein Liebling Picacio kam aus München, Lori aus Nürnberg, Micki aus Zwickau. Als die Kosten für Impfungen und Futter immer weiter stiegen, beschlossen Falco und Swetlana 2020 gemeinsam mit einer Handvoll Mitstreitern den Verein Papageienhilfe Dresden zu gründen.

Vor zehn Jahren zog es den gelernten Fleischer und Koch beruflich nach Dresden, allerdings machte ihn sein Job auf Dauer unglücklich und krank. "Nach einem doppelten Bandscheibenvorfall wusste ich, dass es so nicht weitergehen kann."

Conrad kündigte in der Fleischerei und machte sich im vergangenen Jahr kurzerhand selbstständig. Seitdem fertigt er in seinem "Korkwerk Dresden" individuelles Knabber-Spielzeug für Papageien und andere Kleintiere an, das er vor allem online verkauft.

Der Futtertisch gehört bereits zu den Bestsellern im Korkwerk.
Der Futtertisch gehört bereits zu den Bestsellern im Korkwerk. © privat

"Die Idee kam mir durch Zufall, als ich einige Korkreste übrig hatte", sagt er. Rasch war er sich sicher: Das war seine Marktlücke, die all das verbindet, wofür er brennt. "Kork ist das ideale Naturmaterial. Leicht, hart und gleichzeitig weich genug, um es nach Herzenslust anzunagen."

In seinem zur Wohnung gehörenden, kaum fünf Quadratmeter messenden Kellerabteil richtete er sich eine Werkstatt ein, kaufte Sägen und Akkuschrauber. Den Kork holt er sich in Form von Ästen und Röhren von einem Großhändler in Zwickau, der ihn wiederum aus Portugal importiert. "Dass ich mir diesen Traum überhaupt erfüllen konnte, verdanke ich vielen Helfern, vor allem einer Tierärztin und einem Autohaus, das bei den ersten Schritten in die Selbständigkeit half und mir den Hänger zur Verfügung stellt."

Im ersten Monat brachte sein "Korkwerk" dennoch kaum Einnahmen, der zweite war kaum besser. Dann jedoch stiegen die Umsätze langsam an. Die allermeisten Bestellungen kommen bislang aus dem Westen. Möglichst bald will Conrad seinen Zweitjob als Hausmeister an den Nagel hängen.

Größere Projekte - größere Werkstatt

Neben Klassikern wie Röhren und Schaukeln hat er inzwischen auch Futtertische, Fenster und kleine Badewannen aus Kork im Angebot. "Sobald ich einen neuen Einfall habe, muss ich sofort runter in die Werkstatt", sagt er. "Massenware gibt es bei mir nicht. Jedes Stück ist anders."

Am liebsten würde er von früh bis spät dort unten bleiben und werkeln, an sieben Tagen in der Woche. Nur seine Frau schafft es, ihn ab und zu doch zum Feierabend zu überreden. Ihr Geld verdient Swetlana als Verkäuferin, hilft ihrem Mann jedoch auch mit allen PC-Arbeiten, für die er keinen Nerv hat.

So aufwändig und groß sind seine Kork-Konstruktionen inzwischen, dass die fünf Quadratmeter für die Werkstatt längst nicht mehr ausreichen. Glücklicherweise fiel seinem Vermieter da noch ein ungenutzter Raum im Keller ein, den er ihm nun gern mit zur Verfügung stellt. Seitdem ist Conrad mit den Vorbereitungen für die Erweiterung beschäftigt. Auch Lagerfläche hat er nun deutlich mehr, muss wohl nur noch einmal im Monat nach Zwickau fahren, statt alle zwei Wochen.

Wenn es nach ihm geht, dann würde der streitbare Papageien-Flüsterer am liebsten noch eine zweite Wohnung im Haus anmieten, und eine davon komplett seinen gefiederten Lieblingen überlassen. "Klar klingt das verrückt", sagt er, "aber so bin ich nun mal."

Spenden an den Verein Papageienhilfe Dresden können auf folgendes Konto überwiesen werden: Papageienhilfe Dresden e. V., Ostsächsische Sparkasse Dresden, IBAN: DE80850503004123089297, BIC: OSDDDE81XXX