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Dresdner Obdachloser: "Ich wünsche mir eine eigene Wohnung zu Weihnachten"

Viele Menschen in Dresden kennen ihn: den obdachlosen Ralf von der Prager Straße. Nach einer langen Zeit ohne Zuhause sucht er nun dringend eine warme Bleibe.

Von Julia Vollmer
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Ralf ist oft auf der Prager Straße in Dresden unterwegs. Viele Passanten und Touristen kennen ihn.
Ralf ist oft auf der Prager Straße in Dresden unterwegs. Viele Passanten und Touristen kennen ihn. © René Meinig

Dresden. Er hat sie immer bei sich: Bücher, warme Decken und ein Radio. In einem Wagen fährt Ralf die Dinge, die ihm am Herzen liegen und die er täglich braucht, mit sich herum. Ralf lebt und schläft auf der Straße. Ein warmes eigenes Zuhause und ein Bett, in dem er in den kalten Nächten Zuflucht findet, hat er nicht. Viele Dresdnerinnen und Dresdner kennen ihn. Von der Prager Straße, und früher auch aus der Neustadt.

Oft sitzt er auf den Bänken in der Innenstadt, sucht das Gespräch mit den Passanten. Dabei geht es nicht immer herzlich zu, auf beiden Seiten. "Ich habe schon oft keine guten Erfahrungen mit Menschen gemacht", sagt Ralf. Seinen Nachnamen und sein genaues Alter möchte er nicht nennen. Geboren wurde er aber Anfang der 70er-Jahre, irgendwann zwischen der Trennung der Beatles und Deutschlands Sieg bei einer Fußball-Weltmeisterschaft, sagte er. "Aber ich sehe jünger aus."

"Die Nächte verbringe ich draußen"

Ralf hat ein Herzensanliegen. "Ich wünsche mir eine eigene Wohnung zu Weihnachten, das ist mein großes Ziel", erzählt er. Zwei Jahre lebt er jetzt wieder auf der Straße. Die Wohnung vorher habe er verloren, Mietschulden seien aber nicht der Grund gewesen. Mehr will er nicht sagen dazu. Überprüfen lässt sich seine Geschichte kaum. "Die Nächte verbringe ich draußen, auch jetzt im Herbst, in manchen Nächten ist es gerade schon sehr, sehr kalt und dann versuche ich mich so gut es geht, in Decken zu hüllen", sagt er.

Ralf ist in Sachsens Landeshauptstadt kein Einzelfall: Immer mehr Menschen hier brauchen Hilfe. Die Zahl der Wohnungslosen ist stark gestiegen. Aktuell bringt die Stadt 343 Menschen unter, 2022 waren es noch 300. Im Jahr 2010 waren es 217, wie das Wohnungsnotfallhilfekonzept der Stadt aus dem Jahr 2018 zeigt. Dazu kommen laut Schätzung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern zwischen 600 und 800 Obdachlose, die in keinem Bericht auftauchen.

Die Stadt stellt 387 Übernachtungsplätze in neun Einrichtungen, darüber hinaus gibt es 29 Wohnungen zur Unterbringung von wohnungslosen Menschen. Außerdem stehen 50 Notschlafplätze zur Verfügung, deren Zahl bei Bedarf erhöht wird. Zudem gibt es im Winter die Möglichkeit sich in den Nachtcafés der Kirchgemeinden aufzuwärmen. Innerhalb der Dienstzeiten des Sozialamts erhalten wohnungslose Menschen eine Zuweisung in die Unterkunft. Außerhalb der Zeiten erhalten die Hilfesuchenden Zugang zu den Notschlafplätzen über die Notaufnahme des Übergangswohnheims in der Hechtstraße 10.

Geld verdient er mit Flaschen sammeln

Doch dort möchte Ralf nicht übernachten. "Manche der Gäste dort konsumieren tagsüber draußen Alkohol und illegale Drogen, damit möchte ich nichts zu tun haben", sagt er.

Um sich Geld für Essen und Getränke zu besorgen, sammelt Ralf Pfandflaschen und fragt Passanten nach Geld. "Die Reaktionen sind sehr verschieden, manche sind sehr nett und bringen mir auch manchmal etwas zu essen vorbei, andere beleidigen mich." Auch er selbst vergreift sich ab und an sehr im Ton. Es gibt auch Menschen, die sich an Begegnungen mit ihm erinnern, in denen sie sich bedroht gefühlt haben.

Als besonders verletzend empfindet Ralf Videos, die ihn zeigen und die in sozialen Netzwerken wie Tiktok und Youtube zu finden sind. In den Clips ist zu sehen, wie Jugendliche den Mann anpöbeln, sich über ihn lustig machen. Ein menschenwürdiger Umgang sieht anders aus.

Oft fühlt Ralf sich auch in den Supermärkten der Stadt vertrieben. "Wenn ich meine Pfandflaschen hinbringe, fühle ich die negativen Blicke. Blättere ich mal durch eine Zeitung, um mich zu informieren, werde ich oft weggeschickt", sagt er. Es sei ihm wichtig zu wissen, was in der Stadt und der Welt passiert, Geld für eine Zeitung fehle ihm aber oft. "Ich würde gern wieder einen Job finden, früher habe ich bei der Post gearbeitet, und das könnte ich mir wieder gut vorstellen."

Langsam tastet sich der gebürtige Dresdner wieder an Ämtergänge heran. Er war mit der Unterstützung und Beratung von Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern beim Jobcenter und Sozialamt. Das sind Voraussetzungen, um eine Wohnung von der Stadt zu bekommen. Und er hat jetzt wieder einen Personalausweis.

Warme Getränke und Suppen für obdachlose Menschen

Wer von Wohnungslosigkeit bedroht ist, sollte sich rechtzeitig an das Sozialamt wenden, heißt es von der Stadt. Drohe die Räumung aufgrund von Mietschulden, unterstützt das Sozialamt bei der Antragstellung auf Übernahme der Mietschuld. Außerdem, so das Rathaus, helfen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Wohnungsfürsorge bei der Suche nach Wohnraum.

Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen können sich ebenso an Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der freien Träger wenden, unter anderen an die Diakonie, an Safe Dresden, an den Striesen Pentacon-Verein, die Radebeuler Sozialprojektegesellschaft und die Treberhilfe Dresden.

Die Heilsarmee leistet Straßensozialarbeit als Hilfe für wohnungslose Menschen. Im Winter ist sie mit einer Kältestreife in der Stadt unterwegs und bietet obdachlosen Menschen auf der Straße warme Getränke, Suppen und Gesprächsmöglichkeiten an. Außerdem gibt es die Bahnhofsmission am Dresdener Hauptbahnhof.

Ralf nutzt die Angebote der Streetworker und Wohnungslosenhilfe. Sie fangen ihn auf, auch wenn er schlechte Tage hat. "Ich bin froh, dass es diese Hilfen gibt und hoffe, dass es für mich jetzt bergauf geht", sagt er.

Wer Ralf oder einem anderen Menschen helfen möchte, kann sich bei der Stiftung Lichtblick melden: Ostra-Allee 20, 01067 Dresden, Telefon 0351/48642846, Mail an [email protected] oder über die Internetseite www.lichtblick-sachsen.de