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Schulbeginn mit Problemen: Keine Schulplätze für geflüchtete Kinder in Dresden

Während viele Mädchen und Jungen seit Montag wieder in die Schule gehen, gibt es dutzende Kinder mit Migrationshintergrund, die auf Unterricht warten müssen. Das sorgt für massive Kritik.

Von Julia Vollmer
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Nicht für alle Kinder begann am Montag wieder der Unterricht. Zahlreiche Kinder mit Migrationshintergrund müssen weiter darauf warten, eine Schule besuchen zu können.
Nicht für alle Kinder begann am Montag wieder der Unterricht. Zahlreiche Kinder mit Migrationshintergrund müssen weiter darauf warten, eine Schule besuchen zu können. © Sebastian Gollnow/dpa

Dresden. Am Montag begann für tausende Schülerinnen und Schüler in Dresden wieder die Schule. Doch einige Kinder dürfen nicht die Schule besuchen. Für sie gibt es keinen Platz oder es besteht keine Schulpflicht. Sie kommen aus der Ukraine, aus Syrien oder aus Afghanistan. Doch warum ist das so? Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Wie viele Kinder aus der Ukraine haben keinen Schulplatz in Dresden?

In der Stadt Dresden haben mit Stand 9. August 24 ukrainische Schülerinnen und Schüler noch keine Schulplatzzuweisung erhalten, so das Landesamt für Bildung (Lasub). Aktuellere Daten liegen nicht vor.

"Die Gründe sind vielfältig. Einige Kinder und Jugendliche, deren Familien in den Sommermonaten aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind, wurden neu angemeldet", so Sprecherin Petra Nikolov. Andere Familien seien in den Sommerferien aus den Landkreisen oder aus anderen Bundesländern nach Dresden umgezogen.

Einzelne ukrainische Schülerinnen und Schüler wünschen kurzfristig einen Wechsel von Schulen in freier Trägerschaft an staatliche Schulen, sagt sie. Die Schulplatzzuweisung sei ein dynamischer Prozess, da immer wieder neue Anträge eingehen.

Wie viele Mädchen und Jungen müssen in Dresdens Erstaufnahmeeinrichtungen verbleiben?

Bevor die geflüchteten Menschen eine Stadt oder einen Landkreis zugewiesen bekommen, leben sie in den Erstaufnahmeeinrichtungen (EAE) des Freistaates, in Dresden etwa an der Hamburger Straße. In den EAE dürfen dutzende Kinder aktuell nicht in die Schule gehen.

Zum Stichtag Ende Juni lebten 82 Kinder im schulpflichtigen Alter von sechs bis 18 Jahre in den Dresdner Aufnahmeeinrichtungen. Für diese Mädchen und Jungen gilt keine Schulpflicht, sie dürfen also keine Schule besuchen. "Von diesen waren 75 bis zu drei Monate und sieben länger als drei Monate in den Aufnahmeeinrichtungen untergebracht", räumt Sprecherin Valerie Eckl auf Anfrage ein. Länger als drei Monate keine Schule - eine lange Zeit.

"Im Regelfall wird eine kommunale Zuweisung bei Familien mit schulpflichtigen Kindern nach drei Monaten angestrebt. Bis dahin gibt es in allen Einrichtungen ein Lernangebot", sagt die Sprecherin. Für die Kinder in der Erstaufnahmeeinrichtung gilt keine Schulpflicht. Das wird schon lange kritisiert. Nach langer Debatte und öffentlichen Druck wurde ein Lernangebot eingeführt, dass aber nicht mit regulärem Unterricht verglichen werden kann, sondern nur einige wenige Stunden pro Tag angeboten wird.

Werden die Kinder im Notdienst beschult?

Ungebrochen hoch ist die Zahl der unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten, die vom Dresdner Jugendamt in Obhut genommen werden. Sie werden im Kinder- und Jugendnotdienst untergebracht. Da die Plätze in der Jugendhilfe gefüllt sind, müssen die Mädchen und Jungen oft über Monate dort bleiben.

Längst nicht alle von ihnen dürfen in der Zeit eine Schule besuchen. "In den Inobhutnahme-Einrichtungen in der Landeshauptstadt Dresden sind mit Stand Mitte Juli aktuell 93 geflüchtete Kinder und Jugendliche untergebracht", so das Jugendamt auf Anfrage.

Im Durchschnitt leben die Kinder und Jugendlichen dort rund fünf bis sechs Wochen. Dieser Wert kann schwanken, so die Stadt. "Diese hohen Aufenthaltszeiten begründen sich darin, dass Anschlusshilfen, beispielsweise in Wohngruppen, fehlen", heißt es.

Wie viele Kinder gehen nicht in die Schule? Eine statistische Erfassung erfolge nicht laut Stadt. Es wird aber betont, dass für alle Kinder und Jugendlichen eine Schulpflicht bestehe. "Mit Stand Juli sind sechs unbegleitete Minderjährige Geflüchteten aus den kommunalen Inobhutnahmeeinrichtungen für das kommende Schuljahr angemeldet worden", heiß es. Was mit den anderen Kindern passiert, beantwortet die Stadt nicht.

Welche Kritik gibt es an Dresden?

Dresdens Integrationsbeauftragte Kristina Winkler ist entsetzt. "Strukturelle Zwänge, egal ob im Verantwortungsbereich des Freistaates oder der Stadt, dürfen nicht dazu führen, dass Kinder- und Menschenrechte aus dem Blick geraten", sagt sie.
Der schnelle Schulbesuch von geflüchteten Kindern sei ein "elementarer Schritt" zu deren Integration und Teilhabe. Das sei wichtig, damit Kinder gesund aufwachsen können.

"Wenn wir fortlaufend Integration von den Zugewanderten fordern, dann müssen dafür auch die Rahmenbedingungen zur Verfügung stehen. Das gilt gerade, wenn es um solch elementare Fragen wie den Schulbesuch geht", betont Winkler. "Bildung ist ein Menschenrecht. Das gilt auch in Sachsen."

Auch der Flüchtlingsrat ist sauer über die Zustände. "Je länger Kinder ohne Beschulung leben müssen, desto schwerer fällt ihnen der Weg zurück ins Schulsystem", so Dave Schmidtke. Die Behörden müssten dringend handeln.