Dresden
Merken

Sexarbeit in Dresden: "Durch das Gesetz werden viele in die Illegalität gedrängt"

Das Prostituiertenschutzgesetz erschwert laut Sozialarbeitenden und Verbänden die Arbeit für viele Menschen. Das wurde auf einem Fachtag in Dresden deutlich.

Von Julia Vollmer
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
In Dresden arbeiten viele Sexarbeitende in Wohnungsbordellen.
In Dresden arbeiten viele Sexarbeitende in Wohnungsbordellen. © Sebastian Gollnow/dpa (Symbolfoto)

Dresden. Gesundheitsberatung, Schutz vor Ausbeutung und Gewalt. Eigentlich soll das 2017 eingeführte Prostituiertenschutzgesetz die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter schützen. De facto macht es ihnen das Leben aber eher schwer. Davor warnten Sozialarbeitende und Verbände, die in dem Bereich tätig sind, bereits vor der Gesetzeseinführung und beobachten das nun nach wie vor. Vor wenigen Tagen fand ein Fachtag zum Thema Sexarbeit in Dresden statt, organisiert von der Beratungsstelle Daria und pro familia. Dort wurde neben vielen anderen Themen auch darüber diskutiert.

Seit Mai 2022 bietet die Fachberatungsstelle Daria der Treberhilfe Dresden Unterstützung und Begleitung für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter an. Sozialarbeiterin Marie Niemeyer sieht eine Verschlechterung der Arbeitsbedingungen durch das 2017 eingeführte Prostituiertenschutzgesetz. "Es gibt eine Anmeldepflicht bei den Behörden seitdem, aber nicht alle Sexarbeitenden melden sich an, da das mitunter eine große Hürde ist und auch die zum Teil jährlich zu bezahlende Gebühr mitunter problematisch ist", beobachtet sie.

Etwa 100 bis 150 Anmeldungen gibt es jährlich in Dresden. Geschätzt wird die Zahl der Sexarbeitenden in der Stadt aber auf rund 350 bis 400. "Wir schätzen, dass sich also zwei Drittel nicht anmeldet", sagt Niemeyer. Vor der Einführung des Gesetztes gab es nach Schätzungen rund 500 bis 700 Menschen, die in der Branche arbeiteten. "Durch das Gesetz werden viele Sexarbeitende in die Illegalität gedrängt, da aufgrund der Auflagen auch viele Wohnungsbordelle schließen mussten", beobachtet sie.

Auflagen teilweise schlecht umsetzbar

Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter müssen sich bei den Behörden anmelden – mit Klarnamen und Adresse. Mit der Anmeldung wurde der Begriff "Prostituierte" weiter gefasst. So gelten auch Tantra-Masseurinnen als Sexarbeiterinnen. Der Anteil der Männer an der Gesamtzahl der gemeldeten Prostituierten wird auf etwa fünf Prozent geschätzt. Genau weiß das Rathaus das jedoch nicht, weil das Geschlecht nicht erfasst wird.

Auflagen wie die Trennung von Wohn- und Kundenbereich oder getrennte Toiletten für Sexarbeitende und Kunden seien teuer und in manchen Wohnungen schlicht nicht umsetzbar. Die Folge: Von den 75 Wohnungen gibt es nun nur noch rund 30. "Wir beobachten, dass nun die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter mitunter in Wohnungen im Sperrgebiet arbeiten müssen. Wenn ein Kunde dann übergriffig wird, trauen sie sich nicht, die Polizei zu rufen aus Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen", so die Sozialarbeiterin.

"Manche arbeiten auch nur mal phasenweise, wenn sie die Semestergebühren oder die Autoreparatur bezahlen müssen"

Die Menschen, die Niemeyer berät, sind so vielfältig wie das Leben selbst. Manche Sexarbeitende arbeiten in Clubs oder besuchen Kunden in Wohnungen oder Hotels. Manche sind immer in Dresden, andere mieten sich für eine Woche in ein Dresdner Wohnungsbordell ein und ziehen dann weiter in eine andere Stadt. Einige arbeiten dauerhaft in der Branche. "Manche auch nur mal phasenweise, wenn sie die Semestergebühren oder die Autoreparatur bezahlen müssen", sagt die Sozialarbeiterin.

Sie besucht die Adressatinnen und Adressaten an deren Arbeitsorten oder dort, wo sie sich aufhalten, und berät sie zu allen Themen rund um deren Rechte und Gesundheit, aber auch zu Alternativen innerhalb und außerhalb der Sexarbeit sowie zu Ein- und Ausstieg in die Arbeitswelt.

"Wir wollten mit dem Fachtag die Option bieten, über das Thema sexuelle und reproduktive Rechte in der Sexarbeit zu sprechen", sagt Mona Rauber von Pro Familia. Sie berichtet, auf dem Fachtag hätten dann Teilnehmende und Referierende Forderungen formuliert, die die Menschenrechte von Sexarbeitenden stärken sollen wie die vollständige Entkriminalisierung von Sexarbeit und bessere Bedingungen für Sozial- und Krankenversicherung der Menschen. "Die Menschen, die in der Branche arbeiten, müssen ihre Rechte kennen und sollten Bedingungen vorfinden, die ihnen erlauben, diese Rechte auch wahrzunehmen. Leider gibt es dort noch Handlungsbedarf", sagt Rauber.