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Bauernproteste in Dresden: Warum der Chef vom Vorwerk Podemus nicht mitmacht

Bernhard Probst ist Chef des Dresdner Biohofs Vorwerk Podemus. Der Landwirt hat sich den Protesten nicht angeschlossen, obwohl einiges schief läuft. Wie er die Lage sieht.

Von Theresa Hellwig
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Rund 25 Kälber und 90 Milchkühe gehören zum Biohof von Vorwerk Podemus in Dresden.
Rund 25 Kälber und 90 Milchkühe gehören zum Biohof von Vorwerk Podemus in Dresden. © René Meinig

Dresden. Björn ist ganz schön neugierig. Er knabbert am Arm von Bernhard Probst, zupft an seiner Jacke und schlabbelt an seinem Knie. Ähnlich macht es Lotti, die noch ein bisschen kleiner ist als Björn – aber Augen hat, die schwarz umrandet sind, als wären sie geschminkt. Björn und Lotti sind Kälber. Die beiden leben auf dem Dresdner Biohof "Vorwerk Podemus" von Bernhard Probst. Etwa 25 Kälber und rund 90 Milchkühe leben hier. Und damit das alles überhaupt noch rentabel ist, musste der 47 Jahre alte Landwirt sich ganz schön viel einfallen lassen.

Denn in der Landwirtschaft läuft einiges schief, davon ist auch der Chef des Dresdner Biohofs überzeugt. Seit Wochen protestieren deshalb deutschlandweit die Bauern. Allerdings habe Bernhard Probst zu einigen Dingen eine etwas andere Haltung als andere Höfe. Nicht alle Forderungen der Landwirte unterstützt er.

Wo er die größten Probleme sieht? Wenn man Bernhard Probst danach fragt, dann antwortet er mit einem Wort: "Bürokratie".

Bei den Dresdner Protesten macht er nicht mit

Hört man ihm länger zu, wird schnell klar, dass es ein riesiges Feld an Problemen gibt. Einen Acker an Regeln, politischen Verfehlungen, an seltsamen Subventionen und schiefen Preisstrukturen – und an Verstrickungen, bei denen eins zum anderen führt.

Das System sei überreguliert. Größere Betriebe profitierten mehr als kleine. So werde mehr produziert - und die Preise gedrückt. Am Ende reiche es für viele Landwirte einfach nicht mehr.

Ein Beispiel zeige sich im Kuhstall, in dem Bernhard Probst gerade steht. "Es werden in der Landwirtschaft oft die falschen Anreize gegeben", erklärt er seine Sichtweise. Es würden die falschen Dinge gefördert oder subventioniert. Im Kuhstall konkret: Gefördert werden größere Ställe für die Tiere. "Es wäre doch viel sinnvoller, Weidehaltung zu unterstützen", sagt Probst.

Bernhard Probst macht eine Bierdeckel-Rechnung auf: Für investive Maßnahmen, sagt er, bringen ihm Fördermittel nichts.
Bernhard Probst macht eine Bierdeckel-Rechnung auf: Für investive Maßnahmen, sagt er, bringen ihm Fördermittel nichts. © René Meinig

Das zeige sich an der Förderung für Stall-Bau, das zeige sich aber auch bei der Flächenprämie, die es für das Halten der Kühe auf Weiden gebe. "Ich habe auf einigen Wiesen eine zu hohe Biodiversität", sagt er. Zu viele Kräuter, also eigentlich etwas Gutes. "Dort soll ich meine Tiere deshalb nicht mehr weiden lassen und kriege dort keine Prämie. Würde ich die Wiese stattdessen mähen, wäre die Biodiversität aber schnell zerstört. Sie entsteht doch erst durch die Weidehaltung", ärgert er sich.

Oder einen Schritt weiter, in der Molkerei. Um das Thema zu erklären, läuft der Landwirt in seine Küche, serviert Kaffee mit Milch aus dem Stall, "nur einmal durch den Papierfilter gelaufen", sagt er.

Er schlägt eine Agrar-Zeitung auf: Gelistet sind die Preise der einzelnen Molkereien in Deutschland. "Die legen die Preise fest", sagt Bernhard Probst. Die Landwirte haben keinen Einfluss. Das betrifft Milch – das betrifft auch andere Produkte, die in den Supermärkten landen. "Ob der Preis angemessen ist? Da wird nicht drauf geguckt."

Seine Lösung: eigene Supermärkte, eigene Molkerei

Ziehe ein Landwirt nicht mit, könne er seine Milch selber trinken, sagt Bernhard Probst und lacht. Es ist kein fröhliches Lachen.

Er selbst ist kreativ geworden und führt eigene Märkte und hat vor zwei Jahren eine eigene Molkerei eröffnet. Nun verarbeitet er einen Großteil seiner Milch selbst und profitiert so etwas mehr. "Nur so", sagt er, "haben wir überhaupt etwas Gewinn".

Er zückt Zettel und Stift und rechnet vor. Für 1,29 Euro verkaufe er in seinen Märkten den Liter Milch. "Wir kalkulieren mit 68 Cent für die Landwirtschaft, also Stroh, Tierfutter, Mitarbeiter im Stall, den Tierarzt." 15 Cent fließen in die Milchverarbeitung in seiner eigenen Molkerei. 20 Cent brauche es für die Logistik, also den Transport der Milch. "Dann landen wir bei Kosten von 103 Cent für den Liter Milch", sagt er. "Bleiben 29 Cent Handelsspanne" – Geld, das für die Miete seiner Märkte und die Löhne der Verkäufer genutzt werde.

Die Flächen des Hofs: Hier wird kartiert, auf welchen Flächen es für die Weidetierhaltung Fördermittel gibt und auf welchen nicht.
Die Flächen des Hofs: Hier wird kartiert, auf welchen Flächen es für die Weidetierhaltung Fördermittel gibt und auf welchen nicht. © René Meinig

Und noch eine Bierdeckel-Rechnung möchte Bernhard Probst aufmachen. "Es wird ja immer von den vielen Förderungen geredet", sagt er. "Ich selber nutze gar keine Fördermittel mehr für investive Maßnahmen." Warum? Er habe eine neue Heuhalle bauen wollen. Am Ende habe er sich bewusst gegen die Förderung entschieden. Eine Million Euro sollte die Halle kosten.

Probst greift zum Kuli und kritzelt die Zahl auf eine Landwirtschafts-Zeitschrift. "Ich hätte dafür 42 Prozent Förderung kriegen können, also 420.000 Euro", sagt er. "Wenn ich die angenommen hätte, hätte ich am Ende noch über 100.000 Euro draufgezahlt!"

Er wollte nicht mit Rechtsextremen auf einem Protest sein

Warum? "Die Fördersumme kann ich nicht steuerlich abschreiben, da zahle ich also 176.000 Euro mit Spitzensteuersatz." Er hätte sich – eine Bedingung für die Fördermittel - zudem an bestimmte Architektenpreise halten müssen und hätte dadurch 220.000 Euro mehr gezahlt als tatsächlich auf ihn zukamen. Er müsste in den nächsten zehn Jahren sogenannte BMEL-Abschlüsse machen, bestimmte Buchhaltungen, die ihn 60.000 Euro kosten würden. Zudem hätte er normalerweise Arbeiten selber vorgenommen, was er für die Fördermittel nicht gedurft hätte. "Dafür rechne ich etwa 100.000 Euro", sagt er. "Ich zahle also 656.000 Euro, um 420.000 Euro geschenkt zu bekommen. Am Ende hätte mich die Halle dadurch 124.000 Euro gekostet als ohne Förderung."

Akten über Akten: ein Blick auf den Dachboden von Vorwerk Podemus.
Akten über Akten: ein Blick auf den Dachboden von Vorwerk Podemus. © René Meinig

Beim Bauernprotest in Dresden war er trotzdem nicht, erzählt der 47-Jährige. Zum einen, weil er ein paar Dinge anders sehe, als andere Landwirte. Zum anderen, weil er nicht mit Menschen auf einer Demonstration sein wolle, die eine schwarz-weiß-rote Fahne schwingen. Insbesondere in Dresden hatten viele Rechtsextreme die Bauernproteste unterwandert.

Außerdem geht es ihm nicht um die Diesel-Subvention. Zum einen mache die nur eine kleine Summe bei ihm aus. Zum anderen müsse das System ohnehin klimafreundlicher werden. Auch klimaschädlichen Stickstoff-Dünger, beispielsweise, hält er für den falschen Weg. Stattdessen würde Planungssicherheit für Biomethan-Anlagen den Landwirten helfen, sagt Probst.

Und, ein weiterer Punkt: Bernhard Probst gefalle die Verstrickung des Bauernverbands nicht. So besetzt der Verbandspräsident mehrere Posten in der Agrar- und Finanzwirtschaft. "Ich habe nicht das Gefühl, dass meine Interessen vertreten werden", sagt er.

Auf dem Hof gibt es mehr Akten als Tiere

Für die vielen Probleme einen Buh-Mann zu finden, ist gar nicht so einfach. Denn vieles bedingt einander, hängt mit Konkurrenz aus dem Ausland zusammen, mit kruden Regelungen aus der Politik, mit Interessenskonflikten.

Was also muss passieren? "Oft würde mehr Pragmatismus helfen", sagt Bernhard Probst. Da wäre die Politik gefragt, die Bürokratie-Anforderungen aufzulösen. Was den Milchpreis und die Konkurrenz aus dem Ausland sowie die niedrigen Preise betrifft, die der Handel vorgibt, hat er eine andere Idee. Probst hat sich selbst geholfen, indem er eine eigene Molkerei aufgemacht hat. Das ginge auch deutschlandweit, meint er. "Wenn wir eine deutschlandweite Erzeugergemeinschaft mit einem großen Marktanteil haben, könnte das helfen." Dann hätten die Landwirte mehr Einfluss auf die Preise.

Bernhard Probst steht auf. Einen Ort will er noch zeigen: den Dachboden. Staub liegt in der kalten Luft. Haben sich die Augen ans Dunkel gewöhnt, erschlägt einen fast, was man sieht: Leitz-Ordner an Leitz-Ordner gereiht, Regale voll, bis unter die Decke. Wer an einen Bauernhof denkt, denkt sicher zunächst an viele Tiere. Hier gibt es eindeutig mehr Akten als Tiere.