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Dieselkläger beschäftigen Oberlandesgericht Dresden

Am Oberlandesgericht in Dresden herrscht Personalnot. Bis 2030 geht die Hälfte aller Richter in den Ruhestand. Mit welchen Fällen sich die Beamten im letzten Jahr vor allem beschäftigt haben, zeigt die Jahresbilanz.

Von Alexander Schneider
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Noch immer stellen Diesel-Abgas-Verfahren den Großteil der Zivilverfahren am Oberlandesgericht Dresden (OLG) - 2022 waren es 41 Prozent.
Noch immer stellen Diesel-Abgas-Verfahren den Großteil der Zivilverfahren am Oberlandesgericht Dresden (OLG) - 2022 waren es 41 Prozent. © René Meinig

Dresden. Noch immer stellen Dieselabgasverfahren den Großteil der Zivilverfahren am Oberlandesgericht Dresden (OLG). Im vergangenen Jahr sind 1.097 neue Verfahren eingegangen, allerdings wurden mit 1.121 deutlich mehr dieser Verfahren erledigt, doppelt so viel wie 2021. Das berichtete OLG-Präsident Leon Ross am Donnerstag bei der Vorstellung seines Geschäftsberichts 2022.

Insgesamt seien am OLG rund 4.500 Dieselverfahren eingegangen – ein Drittel aller Zivilverfahren, so Ross. Er schließt nicht aus, dass mit den Entscheidungen des Bundesgerichtshofs von dieser Woche zahlreiche weitere Klagen eingehen könnten, auch an den Amtsgerichten. Hintergrund ist der festgestellte Anspruch von fünf bis 15 Prozent des Kaufpreises. Damit könnten Klagen im Einzelfall oft unter 5.000 Euro liegen, der Schwelle für die Zuständigkeit von Amtsgerichten. Am Mittwoch seien die Entscheidungen des BGH eingetroffen und würden nun am OLG ausgewertet wie auch in vielen Rechtsanwaltskanzleien - sie könnten neuen Schwung in die Klage-Aktivität bringen, sagte der OLG-Präsident.

Insgesamt wurden im vergangenen Jahr 2.815 Zivilverfahren am OLG erledigt, während "nur" 2.744 Berufungen eingingen. So habe man Rückstände reduzieren können, wie auch in Familiensachen mit 853 Erledigungen und 815 Eingängen, neun Prozent weniger als 2021.

Eine Herausforderung bleibe die Einführung der elektronischen Akte im laufenden Dienstbetrieb und vor allem: ohne zusätzliches Personal, so Ross. Zivilsachen seien in Sachsen bereits voll digitalisiert, auch in Familiensachen soll sie bis Ende dieses Jahres abgeschlossen sein. In Strafsachen ist geplant, die Einführung bis Anfang 2026 geplant. Bis dahin sollen alle gerichtlichen und staatsanwaltlichen Verfahren elektronisch geführt werden.

E-Akte: Arbeitserleichterung, aber Kinderkrankheiten

Ross nutzte die Gelegenheit, für die Vorteile der Umstellung zu werben: Die Akteninhalte seien jederzeit verfügbar, besser auswertbar und man könne Prozessbeteiligten leichter Einsicht gewähren. Die Corona-Pandemie habe gezeigt, wie wichtig Heimarbeit sei und auch diesbezüglich erleichtere die E-Akte das Arbeiten. Ross verschwieg auch nicht die aktuellen Probleme der Umstellung: Sie sei eine Belastung für die Mitarbeiter und wie immer, wenn eine neue Software eingeführt wird, gebe es auch "Kinderkrankheiten". Im Bundesvergleich, so Ross, "stehen wir im Freistaat ganz gut da".

Immer mehr Zivilverhandlungen würden inzwischen per Video durchgeführt. Das erspare vielen Anwälten, vor Ort zu erscheinen. Es gebe jedoch Situationen, für die Videoverhandlungen weniger geeignet seien, etwa wenn Zeugen vernommen werden und gerade die Glaubwürdigkeit ihrer Aussagen bewertet werden müsse.

Ein Thema, dass die Justiz sehr beschäftige, bleibe die Personalentwicklung. "In den nächsten acht Jahren geht die Hälfte der Richterschaft in den Ruhestand", so Ross. "Manche Amtsgerichte verlieren schon in drei, vier Jahren alle Richter". Der Grund ist altbekannt, nach der Wende haben viele junge Kollegen in der Justiz angefangen, die nun aus dem Arbeitsleben ausschieden.

Zum 1. Januar 2023 sind bei den 25 Amtsgerichten, fünf Landgerichten und dem Oberlandesgericht Dresden 772 Richter und Richterinnen, 731 Rechtspfleger und rechtspflegerinnen, 126 Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen, 1.603 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Geschäftsstellen und Schreibkanzleien sowie 323 Justizwachtmeister und Wachtmeisterinnen tätig.

"Ein Fehler sächsischer Hochschulpolitik"

Man sei nun dabei, deutlich mehr Rechtspfleger (70 statt 20) und Geschäftsstellenbedienstete (92 statt 30) auszubilden. Pro Jahr würden jetzt knapp 300 Referendare ausgebildet, von denen, so hofft der OLG-Chef, viele nach ihrem zweiten Staatsexamen dann in der Justiz bleiben. Ross nannte es einen "Fehler der sächsischen Hochschulpolitik", die Juristen-Ausbildung auf eine einzige Fakultät in Leipzig zu reduzieren. Sachsen sei das einzige Bundesland dieser Größe, in dem das so ist.

Die Hälfte der in Sachsen angestellten Referendare stamme aus anderen Bundesländern und sie kämen gern: "Sachsen hat einen sehr guten Ruf." 2022 seien 60 Proberichter eingestellt worden, so viele wie schon seit 20 Jahren nicht mehr, so Ross. Doch die Konkurrenz ist groß, angehende Juristen seien auch in Anwaltskanzleien und Behörden gefragt. Ross geht davon aus, das der "Generationen-Umbau" noch acht, neun Jahre ein großes Thema sei und man mehr unternehmen werde, junge Leute für einen Beruf in der Justiz zu begeistern.