SZ + Dresden
Merken

Schwierige Kanal-Aktion am Hauptbahnhof Dresden

Tief unter dem Bahndamm am Hauptbahnhof Dresden muss ein riesiges Rohr gesichert werden. Wie das die Stadtentwässerung schaffen und andere Kanäle in der Südvorstadt sanieren will.

Von Peter Hilbert
 4 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Teamleiter Norman Wonka von der Stadtentwässerung steht an der Bahntrasse vor dem Hauptbahnhof in Dresden. Hier beginnt das Sanierungsgebiet der Südvorstadt-Ost. Unter dem Bahndamm verläuft ein alter Kanal, der verfüllt wird.
Teamleiter Norman Wonka von der Stadtentwässerung steht an der Bahntrasse vor dem Hauptbahnhof in Dresden. Hier beginnt das Sanierungsgebiet der Südvorstadt-Ost. Unter dem Bahndamm verläuft ein alter Kanal, der verfüllt wird. © Stadtentwässerung Dresden

Dresden. Norma Wonka steht neben der Bahntrasse unweit des Hauptbahnhofs. Der 54-jährige Fachmann der Stadtentwässerung hat auf seinem Tablet einen Plan vor sich, den er mit der Situation vor Ort vergleicht. Schließlich muss er mit seinem Team hier ein schwieriges Problem lösen. Tief unter dem Bahndamm liegt ein 1,2 Meter hoher, über 100 Jahre alter Betonkanal. Er wird nicht mehr benötigt, muss aber so gesichert werden, dass keine Gefahren von ihm ausgehen. Das ist Teil zahlreicher Kanalbauvorhaben, die die Stadtentwässerung im Sanierungsgebiet der östlichen Südvorstadt zwischen Strehlener Straße, Zelleschem Weg und Fritz-Löffler-Straße ab kommendem Monat umsetzen will.

Die Strategie: Komplette Gebiete werden saniert

Norman Wonka leitet das Team Eigenplanung der Stadtentwässerung. "Das ist eine Art hauseigenes Ingenieurbüro", erklärt er. Die Spanne der Aufgaben reicht von der Planung über die Organisation des Baus bis hin zur Überwachung. Dabei wird seit 2017 eine besondere Strategie verfolgt. Wurden bis dahin schadhafte Kanäle nur abschnittsweise in einzelnen Bauvorhaben geplant und baulich erneuert, so geht sein Team jetzt ganz systematisch vor.

Das Dresdner Kanalnetz ist rund 1.800 Kilometer lang. Etwa die Hälfte der Kanäle wurde nach der Wende saniert. Außerdem wurde das alte unterirdische Netz so gut gebaut, dass noch heute alte Kanäle teilweise in solidem Zustand sind. Allerdings müssen etwa 15 Prozent des Kanalnetzes, was einer Gesamtlänge von rund 250 Kilometern entspricht, in den kommenden Jahren saniert werden. "Deshalb haben wir derzeit 24 Sanierungsgebiete ausgewiesen", erläutert Wonka.

Dabei gibt es zwei Schwerpunkte. Einerseits werden punktuell lokale Schäden an Kanälen beseitigt. Sind sie größer, müssen die Röhren im gesamten Gebiet saniert werden.

Der Plan: Bagger rollen am Hygienemuseum an

In zwölf Gebieten sind die Arbeiten bereits abgeschlossen, zuletzt in Löbtau-Süd an der Frankenbergstraße. Dieses Jahr werden Kanäle in weiteren Gebieten saniert, so am Blüherpark, im Bereich des Hygienemuseums, in Altkaitz und Altgostritz, erklärt der Teamleiter.

Das größte aktuelle Sanierungsgebiet umfasst die Südvorstadt-Ost. "Dort muss die Hälfte der vorhandenen Kanäle auf einer Länge von sieben Kilometer instandgesetzt werden."

Die Probleme: Schadhafte oder zu kleine Kanäle

Teamleiter Wonka führt drei Probleme an, die gelöst werden müssen. So gibt es schadhafte Beton- oder Steinrohre, von denen Teile abgeplatzt sind. Zweitens sind seitliche Einläufe in die Kanäle von Gullys oder Häusern zerstört oder defekt. Außerdem haben die dichtere Bebauung im Gebiet und der Klimawandel mit verstärktem Starkregen dazu geführt, dass vorhandene Kanäle zu klein geworden sind.

Der Neubau: Bis zu 1,5 Meter hohe Kanäle

"Wir werden drei verschiedene Bauweisen in der Südvorstadt einsetzen", sagt Wonka. Die erste davon ist der offene Kanalbau, bei dem stark beschädigte alte Rohre ausgewechselt werden. Dabei werden die Straßen in jeweils rund 50 Meter langen Abschnitten zwischen zwei Schächten aufgebaggert, die alten Rohre ausgehoben und durch neue ersetzt. Ein schweres Geschäft - immerhin bringt allein ein zwei Meter langes Kanalrohr rund sechs Zentner auf die Waage.

In dieser offenen Bauweise werden Kanäle in der Südvorstadt-Ost saniert, unter anderem auf der Franklin- und der Reichenbachstraße.
In dieser offenen Bauweise werden Kanäle in der Südvorstadt-Ost saniert, unter anderem auf der Franklin- und der Reichenbachstraße. © Stadtentwässerung Dresden

Auf einer Länge von 400 Metern werden zu kleine Rohre, die bis zu 80 Zentimeter hoch sind, durch neue ersetzt, die mit 1,5 Metern fast die doppelte Höhe haben. Durch sie kann künftig viel mehr Abwasser sicher abfließen. Das geschieht auf der Franklin- und der Reichenbachstraße.

Die Sanierung: Schläuche werden in Kanäle gestülpt

Im sogenannten Inlinerverfahren werden über 100 Jahre alte Kanäle saniert, die noch stabil, jedoch an manchen Stellen undicht sind. "Sie werden mit harzgetränkten Nadelfilz- oder glaserverstärkten Kunststoffschläuchen abgedichtet", erklärt der Teamleiter.

Dieser Kanal wurde mit einem sogenannten Inliner saniert. Eingesetzt werden so wie hier harzgetränkte Schläuche aus glasfaserverstärktem Kunststoff oder auch aus Nadelfilz.
Dieser Kanal wurde mit einem sogenannten Inliner saniert. Eingesetzt werden so wie hier harzgetränkte Schläuche aus glasfaserverstärktem Kunststoff oder auch aus Nadelfilz. © Stadtentwässerung Dresden

Nadelfilzschläuche werden mithilfe von Luftdruck oder Wasser wie eine Socke ins alte Rohr eingestülpt und dichten es wieder ab. Eine Winde kommt hingegen bei harzgetränkten Glasfaserschläuchen zum Einsatz. Sind sie im Kanal, werden sie mit Druckluft an die Wände gepresst und von einem UV-Strahler ausgehärtet.

Die Verfüllung: Pumpe füllt Kanal unterm Bahndamm

Die dritte Bauweise wird am Hauptbahnhof parallel zur Strehlener Straße praktiziert. Verfüllt werden soll der 200 Meter lange Kanalabschnitt unter dem Bahndamm zwischen Uhland- und Andreas-Schubert-Straße. Die große Betonröhre liegt etwa zwei Meter unter dem Straßenniveau. "An beiden Kanalenden werden Baugruben ausgehoben, um sie mit Ziegelmauern zu schließen", sagt Wonka. Dann wird flüssiger Beton in das Rohr gepumpt, der dort aushärtet. So ist das alte Kanalrohr stabil und kann nicht einbrechen.

Mit diesem Pflock wurde die Trasse am Bahndamm markiert, unter der der über 100 Jahre alte Kanal verläuft. Er soll mit Beton verfüllt und so gesichert werden.
Mit diesem Pflock wurde die Trasse am Bahndamm markiert, unter der der über 100 Jahre alte Kanal verläuft. Er soll mit Beton verfüllt und so gesichert werden. © Stadtentwässerung Dresden

Der Großteil der Arbeiten im Kanal-Sanierungsgebiet Südvorstadt-Ost soll dieses Jahr abgeschlossen werden. Nur noch an der Bergstraße werden zwischen Fritz-Löffler-Platz und Strehlener Straße bis 2026 Kanäle saniert. In dem Zuge verlegt die Sachsen-Energie neue Leitungen.