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Mehr Tanz, weniger Preise: Dresdner Semperopernball stellt neues Konzept vor

Am 3. März hätte Dresden den Semperopenball feiern sollen. Nun ist wenigstens der Ticketverkauf gestartet. In gut einem Jahr soll in und vor der Oper getanzt werden – mehr denn je. Reicht das? Eine Betrachtung.

Von Nadja Laske
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Schauspieler Tom Wlaschiha ist dem Semperopernball schon lange verbunden. Nun wird er die 16. Ausgabe am 23. Februar 2024 moderieren. "Hollywood muss warten!", sagt er.
Schauspieler Tom Wlaschiha ist dem Semperopernball schon lange verbunden. Nun wird er die 16. Ausgabe am 23. Februar 2024 moderieren. "Hollywood muss warten!", sagt er. © Robert Michael/dpa

Dresden. Die Leute hätten da gar nicht sitzen dürfen. Auch nicht können. Denn dort, wo sie am Freitagvormittag die roten Samtsitze herunterklappen und sich mit Blick zur Bühne auf eine ungewöhnliche Veranstaltung einrichten, wären keine Stuhlreihen gewesen. Nicht an diesem Tag, dem 3.3.2023.

"Heute wäre hier der 16. Semperopernball gefeiert worden", sagt kurz nach 11 Uhr Moderatorin Anja Koebel. Sie führt durch eine Matinee in der Dresdner Semperoper, die dem Ballereignis neue Aufmerksamkeit schenken soll. Lange stand dieser Termin im Kalender der Semperoper und ebenso vermerkt auf der Internetseite des Semperopernball e. V. Viel länger, als irgendjemand noch glauben konnte, dass das Datum zu halten sein würde. Doch verständlicherweise wollten die Organisatoren den 3. März nicht absagen, ohne eine positive Aussicht zu geben.

Bevor sie das aber tun konnten, mussten sie etwas klären, was irgendwie nach Politikersprech klingt: Es galt, einen Neuanfang zu wagen. Das Ergebnis präsentierten Oper und Ballverein nun im Rahmen dieser Festveranstaltung vor Ballbeteiligten und Medienvertretern.

Stellt man sich den Ball beim Psychologen vor und wie er in der Therapie sein Leben überdenkt, hilft ihm ja vielleicht eine herkömmliche Pro-Contra-Liste bei der Einordnung der Situation und der Perspektiven.

Startenor Rolando Villazón wird einer der Künstler sein, die am 23. Februar 2024 das Programm des 16. Semperopernballes bereichern.
Startenor Rolando Villazón wird einer der Künstler sein, die am 23. Februar 2024 das Programm des 16. Semperopernballes bereichern. © Marion Doering

Dass der Semperopernball ein Patient ist, steht außer Frage. Aber woran krankte es die vergangenen Jahre so sehr, dass ein Kollaps drohte? Schnell ist Corona ausgemacht, für Veranstaltungen dieser Art durchaus mit Post-Covid geschlagen. Doch man könnte weiter Fragen stellen, etwa: Wird die Pandemie besiegt? Kann man verlässlich auf Großveranstaltungen bauen? Und wenn ja, vertrauen die Kunden wieder und kaufen wirklich Karten? Wie teuer aber müssen diese Karten sein, angesichts steigender Preise für alles und jeden? Was lassen sich Ballgäste den Glamour kosten? Viel, das weiß man. Aber noch mehr?

Was ist wirklich neu an diesem Neuanfang?

Die Wahrheit aber ist: Der Semperopernball sitzt nicht nur deshalb auf der Couch, weil äußere Umstände ihn ins Burnout trieben. Eine gewaltige Aktie daran haben interne Ungereimtheiten und politische Fehlgriffe, die alle mit einem bösen F-Wort zu tun haben, das in der Neuanfangsbeschaulichkeit niemand auch nur ansprechen wollte. Als habe es ihn nie gegeben - weder seine Verdienste, noch seine Vergehen: Frey. Hans-Joachim. Gefeiert, gefürchtet, geschasst.

Der neue Ballchef heißt Wolf-Dieter Jacobi, ehemals MDR-Programmdirektor. Ihm zur Seite steht ein mehr oder weniger neuer Vereinsvorstand: Designerin Dorothea Michalk, Sparkassenversicherungschef Gerhard Müller, Rechtsanwalt Eberhard Reetz, Kempinski-Hoteldirektor Marten Schwass und der Meißner Porzellanmanufaktur-Geschäftsführer Tillmann Blaschke.

Was aber ist wirklich frisch an diesem Neuanfang, und was tut nur so? Ganz neu muss ja bei weitem nicht alles sein. Die Semperoper ist schließlich schön und der Ball dort etabliert, er trägt ihren Namen. Drinnen und draußen soll auch künftig gefeiert werden, das verspricht Wolf-Dieter Jacobi. Die Debütanten werden weiterhin den Tanz eröffnen, der soll früher möglich sein und die Eröffnungsgala davor entsprechend knapper ausfallen. In deren Rahmen werden wieder Zeitgenossen geehrt, maximal drei, kein halbes Dutzend und mehr, wie in den zerrigen Programmen von einst.

Die St.-Georgs-Orden sind passé. Die Preisträger bekommen nun eine Art Award in Form einer Figur aus Meissener Porzellan, so wie auf dem Dresdner Opernball in Dubai, auf dem Frey unlängst den sexueller Übergriffigkeiten bezichtigten Sänger Plácido Domingo ausgezeichnet hat. In Dresden gibt es nun eine extra kreierte Figur, die abstrakt ein tanzendes Paar abbildet und die sächsischen Landesfarben zeigt.

"Game-of-Thrones"-Star Tom Wlaschiha moderiert

Da passt auch der neue Moderator des 16. Semperopernballes dazu: Schauspieler Tom Wlaschiha, bekannt aus den Serien "Game of Thrones" und "Das Boot". Er war schon Gast und Laudator früherer Semperopernbälle, erzählt er während der Matinee. Was er nicht erzählt: Er moderierte den Dresdner Opernball in St. Petersburg - einer der vielen Bausteine in Hans-Joachim Freys persönlichem Erfolgskonstrukt.

Schauspieler Tom Wlaschiha ist die Bühne, auf der ihn die Moderatorin Anja Koebel am Freitagvormittag in der Semperoper begrüßt, nicht fremd. Nächstes Jahr gehört sie ihm ganz.
Schauspieler Tom Wlaschiha ist die Bühne, auf der ihn die Moderatorin Anja Koebel am Freitagvormittag in der Semperoper begrüßt, nicht fremd. Nächstes Jahr gehört sie ihm ganz. © Marion Doering

Ja, es gibt Neuheiten. Trotzdem bleibt ein schales Gefühl. Zu viele alte Gesichter gehören zum Kanon, zu stark deuten sich Kontakte an, mit denen auch die Neuen im Bund untereinander verwoben sind. Wer mit den Fischen schwimmt, bleibt im Ball-Becken. Bis auf wenige Ausnahmen. Einer ist über den Beckenrand geflogen, andere sind freiwillig gesprungen. Der Rest macht kehrt und sortiert sich im Schwarm neu ein.

Wer kleidet die Debütanten ein, wer ist für die Gastronomie zuständig?

Über noch einige mehr, die einst dazugehörten, verlieren die Gastgeber am Freitagvormittag in der Oper kein Wort: Wer kleidet die Debütanten ein, und was macht eigentlich Modemacher Uwe Herrmann, der dafür zehn Jahre verantwortlich war? Wer sorgt für die Gastronomie, die bislang in Spitzenkoch Stefan Hermanns Händen lag?

Bis zum nächsten Semperopernball am 23. Februar 2024 ist noch verdammt viel Zeit, zumindest für diejenigen, die sich als Gäste darauf freuen. Für die Macher sind die Monate knapp bemessen. Für großartige Künstler auf der Bühne wird die Oper selbst sorgen, unter anderen mit Tenor Rolando Villazón und Sopranistin Ofeliya Pogosyan. Der Intendant der Semperoper, Peter Theiler, fühlt sich dem Semperopernball glaubhaft neu verbunden und vetrspricht, ihn nach Kräften zu unterstützen.

Doch wenn der Ball auch jünger und frischer werden soll, braucht es weitere Facetten. Und wenn er seine Strahlkraft über Dresden und Sachsen hinaus behalten soll, dann wird er ohne Stars und Sternchen nicht auskommen.

Einer, der während der Veranstaltung in der hintersten Reihe des Parketts Platz genommen und als Promi still zugesehen hat, ist Schauspieler Wolfgang Stumph. Er sei froh, dass es den Semperopernball weiterhin geben wird. Dieses Ereignis tue der Stadt gut, sagt er. "Aber klar ist auch: Der Ball braucht keine Politiker, Prominente braucht er."

Die Möglichkeit, Tickets für den 16. Semperopernball am 23. Februar 2024 zu reservieren, besteht ab dem 3. März 2023, 15 Uhr, über den Semperopernballverein: Telefon: 0351 484 54 66 oder Mail an [email protected]. www.semperopernball.de