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Ein Park mit kleiner Straße: Ist das die Zukunft der St. Petersburger Straße in Dresden?

Eine riesige Verkehrstangente, die die Lingnerstadt von der Altstadt trennt mit viel Grün, das keiner nutzen kann. Mit guten Ideen soll sich die St. Petersburger Straße in Dresden schrittweise verändern.

Von Kay Haufe
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Ein Blick aus dem Hochhaus am Pirnaischen Platz auf den Abschnitt der St. Petersburger Straße vom Rathenauplatz aus im Frühjahr 2022. Der breite, grüne Mittelstreifen ist gut erkennbar.
Ein Blick aus dem Hochhaus am Pirnaischen Platz auf den Abschnitt der St. Petersburger Straße vom Rathenauplatz aus im Frühjahr 2022. Der breite, grüne Mittelstreifen ist gut erkennbar. ©  Archivfoto: Sven Ellger

Dresden. Wie eine Schneise durchtrennt die St. Petersburger Straße die Innenstadt von der Carolabrücke bis zum Hauptbahnhof. Geplant und gebaut in einer Zeit, in der der Autoverkehr das Non plus Ultra für die städtische Mobilität darstellte. Aber immer auch mit dem Gedanken, der Innenstadt mehr Freiraum und Grün zu geben. Dumm nur, dass niemand unter den Lindenreihen in der Mitte spazieren geht, denn der Verkehr fließt lautstark rechts und links vorbei.

Wie sollte sich die 800 Meter lange und bis zu 50 Meter breite St. Petersburger Straße verändern, um nicht mehr nur die trennende Tangente zu sein, sondern ein attraktiver Ort mitten in der Stadt? Das Entwicklungsforum Dresden und die Stadtverwaltung hatten am Mittwochabend zur Ideensuche eingeladen.

Ziele definieren und Bürger einbeziehen

Heute ist die St. Petersburger Straße eher ein "großer Verkehrsgarten" als ein urbaner Raum, auf dem man sich gern aufhält, sagt Dresdens Bau- und Verkehrsbürgermeister Stephan Kühn (Grün). Es müsse Verbindungen geben zum neuen Verwaltungszentrum am Ferdinandplatz und dem neuen Wohnviertel in der Lingnerstadt und zum Großen Garten. "Aber wir müssen Ziele und Rahmenbedingungen definieren, was wir dort genau wollen, um die Innenstadt attraktiver zu machen und mehr Frequenz zu schaffen."

Den Prozess wolle man mit der TU Dresden gestalten, städtebauliche Wettbewerbe initiieren und Workshops, an denen auch die Bürger beteiligt werden. "Noch haben wir ein weißes Blatt, die Ideensuche kann beginnen."

Weniger Verkehr, kleinere Straßen

Die Ausgangslage ist gut, sagte der ehemalige Dresdner Verkehrsplaner Ditmar Hunger. Denn der Verkehr habe seit 2003 auf allen Abschnitten der St. Petersburger Straße deutlich abgenommen, es seien weniger als 30.000 Fahrzeuge unterwegs. Der LKW-Anteil liege bei drei bis fünf Prozent. Aufgrund des Trends im Abschnitt vom Georgplatz bis zum Hauptbahnhof, wo mit den 24.900 Fahrzeugen pro Tag eine Zwei- statt Vierspurigkeit heute schon möglich ist, könnte bald nur noch eine Fahrbahn nötig sein.

Vorher muss jedoch die Bundesstraße 170, die über die St. Petersburger Straße verläuft, aus der Innenstadt raus, sagt der Baubürgermeister. Dafür muss die Stadt noch den westlichen Stadtring auf dem Emrich-Ambros-Ufer schließen. Dann wäre die Voraussetzung geschaffen, den Status Bundesstraße abzugeben und die St. Petersburger Straße zu verkleinern.

Die Straßenbahn sei jedoch unverzichtbar, es müssten sogar weitere ÖPNV-Angebote an der Stelle geschaffen werden, sagt Hunger. Ob die Bahnen künftig vielleicht in der Mittellage rollen, müssten Planungen ergeben.

Viel erlebbares Grün mitten in Dresden

Der heute ungenutzte Grünstreifen mit den Linden sei angesichts steigender Temperaturen ein absoluter Gewinn für Dresden, wenn man ihn denn umgestalten würde, sagt Landschaftsarchitektin Irene Lohhaus von der TU Dresden. Dresden sollte nicht den Fehler machen, diesen Raum zu bebauen.

Die Dresdner wünschen sich nicht nur mehr Hitzevorsorge, sondern nutzen öffentliche Grünflächen auch 46 Prozent häufiger als in der Zeit vor der Pandemie, wie eine Befragung 2021 ergab. In studentischen Entwürfen zu diesem Bereich gab es bereits den Vorschlag, das Grün auf der Altstadtseite zu bündeln und die Fahrbahn auf der anderen Seite zu nutzen. "Die Straßenbahn könnte unproblematisch in den Raum integriert werden."

SPD-Stadrat Stefan Engel schlug in der anschließenden Publikumsdiskussion vor, einen breiten Grünstreifen bis zur Elbe als Parkanlage zu vernetzen und den Verkehr auch mit der Straßenbahn auf der anderen Seite zu führen.

Wie eine Schneise zerteilt die St. Petersburger Straße die Innenstadt.
Wie eine Schneise zerteilt die St. Petersburger Straße die Innenstadt. ©  Archivfoto: Sven Ellger

Kaitzbach wieder an die Oberfläche holen

In Dresden werde gerade viel verdichtet, sagt Baubürgermeister Kühn. "Die Grundstücke auf der St. Petersburger gehören uns alle, wir sollten kein Immobilienprojekt daraus machen." Vielmehr könne dort auch das Thema Wasser eine Rolle spielen mit dem Kaitzbach, der bisher in Rohren unter den Bürogebäuden und der St. Petersburger Straße verläuft. Am westlichen Promenadenring, nahe dem Postplatz, sollte eigentlich mit Wasser gearbeitet werden, was aber nicht gelungen ist. Hier könnte es klappen.

Große Kreuzungen auch mit Bebauung umgestalten

Prägend für die St. Petersburger Straße sind die drei Kreuzungen Rathenauplatz, Pirnaischer und Georgplatz - gigantische Verkehrsknotenpunkte mit wenig Aufenthaltsqualität. Diese flächenfressenden Kreuzungen müssten zurückgebaut werden, schlägt der frühere Dresdner Stadtplaner Jörn Walter vor, der heute in Hamburg tätig ist. "Warum nicht daraus drei tolle, grüne Landschaftslätze bauen, wo man Lust hat, in die Lingnerstadt zu gehen? Das wäre eine echte landschaftsplanerische Aufgabe."

Ganz ohne eine weitere Bebauung könne er sich aber nicht vorstellen, dass zum Beispiel die Leere am Pirnaischen Platz nur mit Grün gut gefasst werden könnte, warf CDU-Stadtrat Hans-Joachim Brauns ein. "Ein bisschen, sehr maßvoll und in hoher Qualität könnte man sich dort schon leisten."

Baubürgermeister Kühn sagt, dass freie Flächen neben dem Landhaus, dem Polizeipräsidium und Kurländer Palais im Fokus für eine Bebauung stünden, um den Platz einzufassen.

Der Pirnaische Platz ist eine gigantische Verkehrskreuzung. So soll er nicht bleiben.
Der Pirnaische Platz ist eine gigantische Verkehrskreuzung. So soll er nicht bleiben. © Archivfoto: Sven Ellger

Kein kurzfristig umsetzbares Projekt

Dass die Petersburger nicht in drei Jahren umgestaltet sein wir, ist klar. "Das ist eine große Stadtoperation, die auch den Haushalt sehr herausfordern wird", schätzt Jörn Walter ein. Dafür müsste schrittweise vorgegangen und nicht in einem Rutsch gebaut werden.

Die Diskussion darüber, was man dort genau will, sei sehr sinnvoll. "Das ist ein ganz dickes Brett, was sie da vorhaben", sagt Hannovers Stadtplaner Andreas Zunft, der ein Umgestaltungsprojekt aus seiner Stadt als Anregung vorgestellt hatte. Nur in wesentlich kleinerem Rahmen als in Dresden.

Für Stephan Kühn ist es ein Dekadenprojekt, das viele Reize hat und an dem viele mitgestalten sollen. Einer Mittelbebauung, wie es zum Beispiel der Verein Stadtbild vorschlägt, erteilte Stadtplaner Walter eine Absage. "Wir müssen auch zukunftsorientierte Stadtqualität bauen." Die Maßstäblichkeit der heutigen Bebauung entspräche nicht mehr der vor 1945, das würde alles nicht mehr passen.