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Wegen Sahra Wagenknecht: Dresdner Linke zerlegt sich

Zwei Stadträte der Dresdner Linksfraktion wechseln zur SPD. Als Hauptgrund geben Sie die Querelen um die polarisierende Bundestagsabgeordnete an. Welche Auswirkungen dies für die Linke in Dresden hat.

Von Andreas Weller
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Magnus Hecht und Anne Holowenko (r.) wechseln als Stadträte von Die Linke zur SPD um Fraktionschefin Dana Frohwieser.
Magnus Hecht und Anne Holowenko (r.) wechseln als Stadträte von Die Linke zur SPD um Fraktionschefin Dana Frohwieser. © SZ/Andreas Weller

Dresden. Es ist durchaus ein politisches Beben im Dresdner Rathaus: Stadträtin Anne Holowenko und ihr Fraktionskollege Magnus Hecht kehren der Fraktion Die Linke den Rücken.

Beide schließen sich der SPD-Fraktion an, die damit von sechs auf acht Sitze im Rat kommt. Die Linksfraktion wird dadurch wieder kleiner als die CDU. Deshalb haben Dresdens Linke-Chefs eine eindringliche Bitte an die Abtrünnigen.

Holowenko und Hecht sind seit 2019 Stadträte für Die Linke - bis jetzt. Denn am Donnerstag verkündeten sie gemeinsam ihren Austritt aus Partei und Fraktion und den Wechsel zur SPD - ebenfalls in Partei und Fraktion. Holowenko war mehrere Jahre Co-Chefin der Partei Die Linke in Dresden.

Ihr Abschied von den Linken habe weniger mit der Fraktion oder der Dresdner Partei zu tun, betonen beide. Auch wenn Holowenko betont: "Sehr lange Zeit ging es mir nicht gut in der Fraktion und der Partei." Sie habe sich gefragt, ob sie das einfach "aushalte" bis die Wahlperiode 2024 endet. "Der Dauer-Stunk in der Partei führt dazu, dass man resigniert oder zu einem Zombie wird, der einfach seine Arbeit macht." Das habe sie nicht mehr gewollt. Deshalb habe sie den Kontakt zur SPD gesucht. Auf Nachfrage betont Holowenko, dass vorwiegend bundespolitische Gründe dazu führten, dass sie sich von der Partei abgewendet hat. Vor allem der Dauer-Streit um Sahra Wagenknecht und ihre Positionen. "Das hat alles dominiert, wir konnten gar keine inhaltliche Arbeit mehr machen."

Hecht bringt es für sich so auf den Punkt. "Entweder Wagenknecht bleibt, sie tritt aus oder sie gründet dazu noch eine extrem unangenehme Konkurrenzpartei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das gut ausgeht - so oder so." Er gehe davon aus, dass es vielen in der Dresdner Linken so gehe, er und Holowenko zögen nun ihre Konsequenzen.

Beide betonen, dass sie weiterhin linke Politik machen wollen und dafür sähen sie ihre Möglichkeiten in der SPD. SPD-Fraktionschefin Dana Frohwieser sagt, sie habe großen Respekt vor der Entscheidung und die Fraktion habe einstimmig der Aufnahme beider zugestimmt. "Ich habe den Eindruck, dass sich viele gute und sachorientiert arbeitende Stadträtinnen und Stadträte zurückziehen, auch weil sich andere extrem Rechten anschließen oder Postengeschachere betreiben." Holowenko und Hecht hätten sich aber für einen anderen Weg entschieden. "Das ist eine große Anerkennung für unsere Arbeitsweise", so Frohwieser.

Auch das Dresdener SPD-Chef-Duo Rasha Nasr und Albrecht Pallas freut sich über den Zuwachs. "Zwei Menschen, die links ticken - es macht mich froh, dass wir die relevante Partei für sie sind." Das zeige, dass die SPD in Dresden gebraucht werde, so Nasr. "Gerade, weil die politischen Ränder laut werden, braucht es eine Kraft, die progressive Werte sachlich vertritt." Ein Linksruck sei das aber nicht für die Dresdner SPD. "Wir sind hier traditionell eine linke Volkspartei", meint Nasr.

Die Linke reagiert zunächst sehr nüchtern auf die Austritte. "Partei- und Fraktionswechsel deuten nicht selten darauf hin, dass sich die Wahlperiode dem Ende nähert", so Fraktionsgeschäftsführer Thomas Feske. "Wir bedauern den Schritt von Anne Holowenko und Magnus Hecht und wünschen Ihnen persönlich alles Gute."

Allerdings hat der Wechsel Konsequenzen. In den Ausschüssen, in denen die jeweiligen Sachthemen zumindest vorberaten und häufig Vorlagen und Anträge verändert, aber zum Teil auch beschlossen werden, ergibt sich so eine Verschiebung. Bisher haben Grüne, AfD, Linke und CDU jeweils drei Sitze pro Ausschuss - SPD, Freie Wähler, FDP und Dissidenten sind jeweils mit einer Person vertreten. Das ändert sich nun. Die Linke muss in jedem Ausschuss einen Sitz abgeben, die SPD erhält dafür einen zweiten.

Wohl auch deshalb hat die Parteispitze der Dresdner Linken eine klare Botschaft an die scheidenden Fraktionsmitglieder. "Wir nehmen die Partei- und Fraktionsaustritte von Anne Holowenko und Magnus Hecht mit Bedauern zur Kenntnis", so die Doppelspitze Jacqueline Muth und Jens Matthis.

Auch teilen sie die Einschätzung, dass sich Die Linke in einer schwierigen Situation befindet. "Wir sind wir anders als die beiden jedoch der Auffassung, dass Die Linke stark genug ist, auch diese Krise zu überwinden und ihrer gesellschaftlich dringend notwendigen Aufgabe als linke Opposition wieder gerecht zu werden", so die Partei-Chefs.

Und dann der Appell von Muth und Matthis: "Wir bitten Anne Holowenko und Magnus Hecht, ihrerseits der politischen Entscheidung der Wählerinnen und Wähler bei der Kommunalwahl 2019 Respekt zu zollen und ihre Stadtratsmandate niederzulegen." So könnten andere in die Fraktion nachrücken und es gäbe keine Verschiebung der Kräfteverhältnisse. Denn durch die Austritte ist die Linke nun kleiner als die CDU-Fraktion.

Darauf werden sich beide aber nicht einlassen. "Klar, dass sie das fordern müssen, das ist üblich", so Hecht. Er und auch Holowenko wollen aber Stadträte bleiben und sich für die Stadtratswahl 2024 am liebsten von den SPD-Mitgliedern für ihre neue Partei aufstellen lassen. "Wir wurden vor allem als Personen gewählt", erklärt Holowenko, weshalb sie ihr Mandat nicht der Linken zurückgibt.