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Tatverdächtige nach Anschlag auf AfD-Büro wieder frei

Eine Explosion in der Döbelner Innenstadt hat Fensterscheiben zerstört und einen Laden verwüstet. Die Polizei geht von einer politisch motivierten Tat aus.

Von Tobias Wolf & Heike Heisig & Verena Toth & Dirk Westphal
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Vor dem Döbelner AfD-Büro am Donnerstagabend.
Vor dem Döbelner AfD-Büro am Donnerstagabend. © Sebastian Willnow/dpa

Nach einer Explosion vor dem Büro der Alternative für Deutschland (AfD) in Döbeln hatte die Polizei zunächst drei Tatverdächtige festgenommen. Die drei Deutschen im Alter von 29, 32 und 50 Jahren sind am Freitag vernommen worden, teilte das Landeskriminalamt (LKA) mit. Die Ermittler gehen von einer politisch motivierten Tat aus. Die Chemnitzer Staatsanwaltschaft will aber keinen Haftantrag stellen. Es bestünden keine ausreichenden Haftgründe, sagte eine Sprecherin.

Eine Art Sprengsatz war am Donnerstagabend gegen 19.20 Uhr vor dem Bürgerbüro der AfD in der Döbelner Bahnhofstraße detoniert. Die Explosion hat große Schäden an der Tür, am Rollladen und an der Fensterscheibe verursacht. Im Inneren seien Werbemittel in Brand geraten. Auch das Nachbargebäude und ein vor der Tür geparkter Transporter wurden beschädigt. Verletzt wurde niemand.

Das Polizeiliche Terrorismus- und Extremismus-Abwehrzentrum (PTAZ) des LKA ermittelt nun. In den letzten Wochen hätten politisch motivierte Angriffe auf AfD-Büros in Sachsen zugenommen, sagt LKA-Chef Petric Kleine. Dabei habe es Sachschäden gegeben, Menschen seien nicht verletzt worden. Der neuerliche Anschlag habe eine Besonderheit, weil bei der Explosion die Schädigung von Menschen bewusst in Kauf genommen wurde.

Nach Informationen von Sächische.de wurden die Tatverdächtigen in der Nacht zu Freitag in Döbeln festgenommen und ihre Wohnungen durchsucht. Zwei von ihnen sollen polizeibekannt sein, allerdings nach derzeitigen Erkenntnissen eher im Bereich gewöhnlicher Kriminalität. Dabei soll es unter anderem um Drogendelikte gegangen sein.

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© Sebastian Willnow/dpa
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Nach der Explosion hat Sachsens stellvertretender Ministerpräsident Martin Dulig (SPD) die Tat verurteilt. Für den Anschlag gebe es keine Legitimation, so Dulig. „Gewalt gehört nicht zu den Mitteln der Demokratie. Die AfD muss politisch bekämpft werden und nicht mit Sprengkörpern.“ 

Auch Sachsens Innenminister Roland Wöller meldete sich zu Wort: „Die Wucht der Explosion zeigt, dass die Täter schwere Verletzungen oder Schlimmeres von Menschen billigend in Kauf genommen haben. Wir haben es hier mit einer ganz neuen Qualität von Gewalt gegen Vertreter der Politik zu tun.“

Ganz so neu ist diese Qualität indes nicht, wie das Beispiel der verurteilten Terrorgruppe Freital in Wöllers Wahlkreis zeigt. Die Terroristen hatten zunächst bei Demonstrationen gegen ein Asylheim mitgewirkt, die unter anderem von einem NPD-Stadtrat und einem ehemaligen Mitarbeiter eines AfD-Wahlkreisbüros organisiert worden waren. Im September 2015 war vor dem Büro der Linkspartei in Freital ein selbst gebauter Sprengsatz detoniert. Zuvor war das Auto eines Linken-Stadtrats durch eine Explosion zerstört worden. Der Besitzer hatte Glück, er war zum Zeitpunkt des Anschlags nicht in seinem Auto.

Dagegen rufen Linksextreme zu Angriffen auf AfD-Parteibüros auf. Die Plattform Indymedia veröffentlichte eine Liste von Adressen mit der Aufforderung: „Die AfD überall und jederzeit angreifen.“ Mit Blick auf die Landtagswahl 2019 begannen Autonome im Mai 2018 eine militante Offensive gegen die AfD unter dem Motto „loslegen – Fight AfD!“. Auf der entsprechenden Internetseite ist zu lesen: „Texte, Diskussionen und Demonstrationen helfen nicht mehr. Es muss praktischer und auch persönlicher werden.“ Erst im Dezember war das AfD-Büro in Borna beschädigt worden, am Silvestertag eins in Riesa. 

So sah das AfD-Bürgerbüro in Riesa nach einer Farbattacke zu Silvester aus.
So sah das AfD-Bürgerbüro in Riesa nach einer Farbattacke zu Silvester aus. © Eric Weser

AfD-Landeschef Jörg Urban verurteilt den Anschlag. Linke Gewalt werde in Sachsen immer schlimmer. „Der Angriff in Döbeln war bereits der vierte auf ein AfD-Büro allein in den letzten fünf Tagen.“ Seit 2014 habe es rund 80 Attacken auf Bürgerbüros und Privathäuser gegeben, so Urban. Linke Chaoten würden in Sachsen Narrenfreiheit genießen und hätten in Leipzig in den letzten Jahren regelmäßig Polizeistationen, staatliche Einrichtungen und die Bundeswehr angegriffen, so der AfD-Politiker. Erst Silvester hatten linke Gewalttäter die Außenstelle des Bundesgerichtshofs in Leipzig attackiert. Von Gegenmaßnahmen des CDU-geführten Innenministeriums sei so gut wie nichts zu spüren, so Urban weiter.

Er erwarte, dass der Generalbundesanwalt ermittelt. So wie es bei rechten Straftaten der Fall war. Urban nennt einen Anschlag mit Polen-Böllern in Freital, nach dem die Spezialeinheit GSG9 angerückt sei und meint wohl die Sprengstoffanschläge der Terrorgruppe Freital.

In Döbeln haben offenbar Videoaufnahmen die Polizei auf die Spur der Täter geführt. Laut der örtlichen AfD seien insgesamt sechs Kameras zur Überwachung im Büro installiert gewesen. Eine davon soll auch rechtswidrig den öffentlichen Bereich auf der Straße miterfasst haben. Die Kamera sei „beim Putzen verrutscht“, hieß es von der AfD. Es war wohl genau diese Kamera, die die mutmaßlichen Täter zunächst beim Auskundschaften des Anschlagszieles zeigte und, wie sie den Sprengsatz vor dem Haus deponierten.

Neben der AfD ist in Sachsen vor allem die Linkspartei von Übergriffen auf Parteibüros und Einrichtungen betroffen. „Wir halten jede Form von Gewalt nicht für ein Mittel der politischen Auseinandersetzung“, sagt Landesgeschäftsführer Thomas Dudzak. „Die AfD stellt man nicht mit solchen Taten, sondern in der demokratischen Auseinandersetzung.“

AfD am häufigsten betroffen

Die Linke verzeichne seit 2014 weit über 100 Übergriffe, so Dudzak. Dazu zählen unter anderem Schmierereien, Kot oder Tierkadaver im Briefkasten, Farb- und Sprengstoffanschläge. Auch Privatwohnungen seien betroffen. „Unserer Ansicht nach sind die Taten politisch rechts motiviert“, so der Landesgeschäftsführer. Allerdings würden sie relativ häufig nicht als politisch motivierte Kriminalität in der Statistik erfasst. Auch würden nicht mehr alle Übergriffe gegen Parteieinrichtungen von den Mitgliedern gemeldet. „Solche Angriffe gegen uns sind ein Stück weit Normalität.“ Allein in Chemnitz habe es seit August einige Angriffe auf Parteibüros gegeben, die in Zusammenhang mit rechtsextremen Ausschreitungen stehen könnten.

Die Statistik des sächsischen Innenministeriums weist mit Stand 4. Januar die von Behörden gemeldeten politisch motivierten Straftaten gegen Parteieinrichtungen seit 2014 aus. Demnach war die AfD in 143 Fällen betroffen, die Linke in 88 und die CDU in 30. Insgesamt wurden 301 Straftaten gegen Parteieinrichtungen erfasst, teilt Ministeriumssprecherin Patricia Vernhold mit. Rekordjahr war 2016 mit 106 Übergriffen. 2018 sind es nach bisherigem Stand 50 Angriffe gewesen. Die Zahl könnte sich durch Nachmeldungen noch erhöhen.

Im Fall des Anschlags auf das Döbelner AfD-Büro sollen sich die Tatverdächtigen nach SZ-Informationen im Laufe des Tages zu den Vorwürfen geäußert haben. Eine eindeutige politische Motivation des Anschlags steht immer noch nicht fest. Auch Vandalismus stehe als Motiv im Raum. Einzelheiten wollte das LKA nicht nennen, auch nicht zur Art des Sprengstoffes.

Auch wenn die Staatsanwaltschaft nun keinen Antrag auf Untersuchungshaft gestellt hat – die drei Männer gelten weiterhin als tatverdächtig, wurden aber freigelassen. Die Ermittlungen laufen weiter, wie eine Sprecherin des Landeskriminalamtes am Montag in Dresden sagte. Zu den Hintergründen wollte sie sich nicht äußern. (mit dpa)