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Krisen kraftvoll meistern

Resilienz: Wie wir lernen können, Belastungen besser standzuhalten und innere Stärke aufzubauen, verrät Dr. Katrin Dumalin-Kliesow.

Von Silke Rödel
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Standhaft bleiben, auch in schwierigen Situationen: Resilienz kann man lernen.
Standhaft bleiben, auch in schwierigen Situationen: Resilienz kann man lernen. © Foto: alphaspirit - stock.adobe.com

Was einen nicht umbringt, macht einen bekanntlich härter, so lautet zumindest das Sprichwort. Doch manche Menschen können offensichtlich besser mit Belastungen umgehen als andere. Das Zauberwort dafür lautet Resilienz. Wir haben mit Psychotherapeutin Dr. Katrin Dumalin-Kliesow aus Radeberg zu diesem Thema gesprochen, die einen Podcast „Erfolgreich scheitern“ herausgegeben hat.

Was genau verbirgt sich hinter dem Begriff Resilienz? Kann man das lernen?

Ja, das kann man lernen. Resilienz ist die innere Widerstandskraft gegen schwierige Situationen und Krisen. Das bedeutet nicht, dass einem keiner was anhaben kann und man völlig alleine klarkommt. Aber Menschen mit einer hohen Resilienz besitzen die Fähigkeit, mit schwierigen Situationen besser umgehen zu können. Nach Krisen richten sie sich schneller wieder auf und finden ihren Weg. Es scheint so, als besäßen sie einen inneren Kompass, der ihnen den Weg zeigt und einen unermüdlichen Antrieb.

In Ihrem Podcast sprechen Sie von acht Säulen der Resilienz. Welche sind das?

Scheitern gehört zum Leben dazu. Ehen und Beziehungen gehen in die Brüche, Unternehmen gehen in die Insolvenz, Prüfungen werden nicht bestanden. Aber es gibt Strategien, die helfen können. Ein wichtiger Bestandteil dieser Strategien sind die Säulen der Resilienz. Darunter fallen Achtsamkeit, Akzeptanz, Optimismus, Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortung, Netzwerk- sowie die Lösungs- und Zukunftsorientierung. Sie alle tragen zu einer starken Resilienz bei und jede einzelne spiegelt wichtige Fähigkeiten im Umgang mit Krisen wider. Dementsprechend kann es hilfreich sein, diese Säulen zu stärken und zu trainieren.

Worum geht es bei der Achtsamkeit?

Gerade in Krisen neigen wir dazu, gedanklich in der Vergangenheit oder Zukunft zu sein. Das raubt viel Kraft. Bei der Achtsamkeit geht es darum, im Hier und Jetzt zu leben, die Denkmaschine zu stoppen. In unserer Kindheit konnten wir genau das so gut. Irgendwann haben wir allerdings gelernt die Welt in Gut und Böse einzuteilen, zu analysieren und die Dinge in Schubladen zu stecken. Das erzeugt Leid. Achtsamkeit kann uns zurück in den Moment bringen, weg von der Zukunft und der Vergangenheit. Um das zu erreichen, kann man seine Aufmerksamkeit auf verschiedene Dinge richten. Zum einen nach außen, zum Beispiel auf eine Tasse Kaffee, die Sonne, den Himmel oder die Tiere. Aber auch nach innen, zum Beispiel auf den eigenen Körper.

Was sollten wir akzeptieren?

Ich nutze dafür gerne das Bild eines Bootes in einem unvorhergesehenen Sturm. Wir können den Sturm nicht kontrollieren, aber wir können unser Boot steuern. Es geht nicht darum, alles zu akzeptieren, sondern darum, nur gegen Sachen anzukämpfen, die man verändern kann, und seine Energie dafür zu nutzen, sein Leben wieder lebenswert zu machen.

Es gibt kein Leben ohne Leid, Veränderung, Tiefen und Höhen, aber wir können lernen zu unterscheiden, zwischen den Dingen, die wir hinnehmen müssen, weil sie nicht in unserer Hand liegen, und den Dingen, die wir verändern können und zu denen wir auch die Kraft, die Ressourcen haben. Ein Beispiel hierfür wäre die Klimakrise. Die ist etwas, das keiner einfach hinnehmen sollte. Aber es kann und soll auch nicht jeder eine Greta Thunberg sein, die ihr Leben nur danach ausrichtet. Hier muss man sich fragen, was man selbst in seiner eigenen Welt verändern kann, zum Beispiel den eigenen Müll sehr gut trennen. Dass unsere Meere vermüllen, muss man demnach nicht akzeptieren, aber man muss akzeptieren, dass der eigene Handlungsspielraum einfach manchmal begrenzt ist.

Worauf sollten wir unsere Aufmerksamkeit in einer Krise lenken?

Natürlich auf die positiven Dinge, aber nicht krampfhaft. Wenn wir uns aufs Negative konzentrieren, werden wir handlungsunfähig, stecken fest. Es geht darum, den Fokus auf das zu richten, was funktioniert und sich nicht in der Krise zu verlieren. Sonst ist auch die Sicht aufs große Ganze versperrt.

Was habe ich von Eigenverantwortung?

Von schwierigen Situationen will man sich häufig am liebsten abschotten und tendiert schnell zu dem Motto: „Ich kann nichts dafür, es sind die Anderen.“ Man drückt sich selbst die Opferrolle auf, denn das scheint erstmal leichter, als Verantwortung für die schwere Situation zu übernehmen. Wer jedoch die Verantwortung abgibt, entzieht sich der Kontrolle über die Situation, ist nicht mehr Herr der eigenen Lebenswelt. Eigenverantwortung bedeutet, die Dinge in die Hand zu nehmen, eigene Entscheidungen zu treffen, um aus einer Situation herauszukommen. Es mag der steinigere Weg sein, aber es ist der einzige, der zu einem selbstbestimmten Leben führt. Und es mag überraschend klingen, aber man selbst ist der einzige, der sich aus der kniffligen Situation befreien kann.

Häufig leben Menschen jahrelang in der geduckten Haltung und passen sich immer dem nächsten Unglück an. Doch für Eigenverantwortung ist es nie zu spät, und es ist nie zu spät, frei von selbstgewähltem Leid zu werden. Einziges Problem: Umso länger man in der gebückten Haltung verharrt, desto schwerer ist es, dem wieder zu entkommen. Denn wer sich schließlich seiner Verantwortung stellt, muss sich auch für die Dinge verantworten, die er nicht getan hat. Auch für seine Gefühle ist man selbst verantwortlich. Nur ich kann in mich reinspüren und mich fragen, welche Bedürfnisse ich habe und mich aktiv dafür einsetzen.

Wie stärke ich Selbstwirksamkeit?

Durch das Bewusstmachen von Ressourcen und dem bewussten Umgang mit ihnen. In Krisen ist es besonders wichtig, mit seinen Ressourcen in Kontakt zu stehen. Das kann man lernen. Zum Beispiel indem man auf vergangene ähnliche Krisen zurückschaut und sich fragt, wie man jene damals überwunden hat, oder indem man sich fragt, welche drei Eigenschaften man bräuchte, um die neue Lebenssituation anzunehmen. Häufig stellt man fest, dass man alles, was man braucht, um die Krise zu überwinden, bereits hat. Ein Beispiel hierfür ist Prüfungsangst. Viele verspüren immer wieder aufs Neue große Angst vor der Prüfungssituation, obwohl sie viele ähnliche Situationen bereits einwandfrei gemeistert haben und offensichtlich alle Eigenschaften besitzen, um eine gleiche Situation wieder zu meistern.

Wie kann ein berufliches und privates Netzwerk helfen?

Manchmal sind bestimmte Situationen komplett neu für uns, überfordern uns oder machen uns Angst. Resiliente Menschen scheuen sich nicht, Hilfe anzunehmen. Sie suchen sich jemanden, der diese Situation bereits gemeistert hat. Angenommen wir wollen einen Berg besteigen. Wen fragen wir, nach Kleidungs- und Packempfehlungen? Jemanden der diesen Berg schon bestiegen hat. Wieso sollten wir uns bei einer Scheidung dann schämen oder einsam quälen, wenn es Menschen gibt, die einem über den Berg helfen können?

Was ist Lösungs- und Zukunftsorientierung?

Irgendwann ist der Zeitpunkt gekommen, sich neue Ziele zu stecken. Sich zu überlegen, was die derzeitigen Möglichkeiten sind, was der allererste Schritt ist, und wer einem dabei helfen kann, sein Ziel zu erreichen. Wie kann ich meine mir bewusst gewordenen Ressourcen einsetzen und dann in die Zukunft schauen?

Hierbei geht es dann weniger um spezielle Problembewältigung, sondern eher darum, welchen Weg ich mit den neuen Aufgaben und Aspekten gehen möchte. Ein Schicksalsschlag kann beispielsweise dramatische Emotionen in einem hervorbringen, und es braucht seine Zeit ihn zu verarbeiten. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem man sich für sich und für den eigenen neuen Weg entscheiden muss – auch wenn er in eine andere Richtung geht, als man vor dem Ereignis vermutet hat. Ziel ist letztendlich, mit dem neuen Ich nach vorne zu blicken.

Literaturempfehlung

Wer etwas tiefer in das Thema einsteigen möchte, kann das beispielsweise mit folgendem Buch:

Jutta Heller - Das wirft mich nicht um: Mit Resilienz stark durchs Leben gehen

ISBN: 9783466346141