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Deutlich mehr Schwangerschaftsabbrüche in Sachsen

Nicht nur soziale und wirtschaftliche Unsicherheit sind Gründe, sich gegen ein Kind zu entscheiden. Auch der Beratungsbedarf steigt und es kommen mehr Frauen aus Polen.

Von Stephanie Wesely
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Ein positiver Schwangerschaftstest ist nicht für jede Frau Anlass zur Freude.
Ein positiver Schwangerschaftstest ist nicht für jede Frau Anlass zur Freude. © dpa

Dresden. Rund 104.000 Frauen in Deutschland haben sich im vergangenen Jahr für den Abbruch ihrer Schwangerschaft entschieden. Das ist ein Anstieg gegenüber 2021 um 9,9 Prozent und die höchste Zahl seit zehn Jahren, wie das Statistische Bundesamt erklärt.

Sachsen gehört neben Berlin zu den Bundesländern mit den höchsten Zuwächsen. So entschieden sich 2022 im Freistaat 5.760 Frauen für einen Abbruch. Das sind 10,6 Prozent mehr als im Jahr zuvor. In Berlin waren es sogar 14 Prozent mehr.

Die Gründe dafür sieht Pro Familia in der wachsenden sozialen und wirtschaftlichen Unsicherheit, aber auch in der Bedrohung durch Ukrainekrieg und Klimawandel. „Um eine Familie zu gründen oder zu vergrößern, braucht es ein Gefühl von Grundsicherheit“, sagen Katrin Küchenmeister und Juliane Löser von Pro Familia in Chemnitz. Und das sei nicht mehr so vorhanden wie vor Jahren.

Pro Familia ist eine Organisation in Deutschland, die sich für sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte einsetzt. Sie bietet Beratung zu Themen wie Verhütung, Schwangerschaft, Abtreibung und Sexualität an. Pro Familia bietet auch medizinische Dienstleistungen wie gynäkologische Untersuchungen, Tests auf sexuell übertragbare Infektionen und Fruchtbarkeitsberatung an. Die Organisation wurde 1952 gegründet.

Frauen aus Polen lassen in Sachsen abtreiben

Der Anstieg der Schwangerschaftsabbrüche im Osten Deutschlands führt das Zentralinstitut für kassenärztliche Versorgung aber auch darauf zurück, dass verstärkt Frauen aus Polen die Krankenhäuser oder Arztpraxen in Deutschland aufsuchen. Denn in dem Nachbarland gelten restriktive Abtreibungsgesetze. „Unsere Beratungsstellen in den Grenzregionen verzeichnen einen hohen Zulauf aus Polen. Für Frauen in Polen ist die Situation extrem schwierig“, sagt Juliane Löser. Aus ihrer Sicht sollten alle Frauen einen gesicherten Zugang zum Schwangerschaftsabbruch haben.

Die weitaus meisten Abtreibungen seien Pro Familia zufolge nach der sogenannten Beratungsregelung vorgenommen worden. Danach bleibt ein Schwangerschaftsabbruch in den ersten zwölf Wochen straffrei, wenn die Frau sich zuvor beraten lässt. Abtreibungen aus medizinischen Gründen oder aufgrund von Sexualdelikten machten insgesamt nur etwa vier Prozent aus. Verpflichtet sei aber niemand, den Grund für den Abtreibungswunsch anzugeben. „Dennoch spüren wir, dass viele Frauen über ihre Sorgen sprechen wollen, weil sie sich die Entscheidung nicht leicht machen“, sagt Katrin Küchenmeister.

Abbrüche überwiegend ambulant

Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen, wie die von Pro Familia, verzeichnen deshalb seit letztem Jahr einen höheren Zulauf. „Die meisten Frauen haben ihre Entscheidung aber bereits vorher getroffen“, so Juliane Löser. Frauen oder Paare, die sich noch unschlüssig seien, nutzten den geschützten Rahmen, um sich bei ihrer Entscheidung begleiten zu lassen und sich über Hilfen und Unterstützungsmöglichkeiten zu informieren. „Die Beratung ist immer ergebnisoffen. Jede Frau erhält von uns einen Beratungsschein“, sagt sie.

Schwangerschaftsabbrüche erfolgen überwiegend ambulant und meist mithilfe eines chirurgischen Eingriffs. Bei etwas mehr als einem Drittel wurde die Schwangerschaft medikamentös beendet. Sieben von zehn Frauen waren zwischen 18 und 34 Jahren alt, drei Prozent minderjährig. Etwa acht Prozent der Schwangeren waren bereits 40 Jahre und älter. Die Mehrzahl hatte vor dem Abbruch bereits Kinder.