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„Seit zwei Jahren hat unser Sohn keinen Kontakt zu seinem Kind"

Unterhalt ja – Umgang nein! Geschichten wie die einer Familie aus dem Vogtland sind kein Einzelfall.

Von Stephanie Wesely
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Die Großeltern Karl-Jörg und Helga Rößiger aus Plauen sehnen sich nach ihrem Enkelkind. Für ihren Sohn kämpfen sie um ein Umgangsrecht.
Die Großeltern Karl-Jörg und Helga Rößiger aus Plauen sehnen sich nach ihrem Enkelkind. Für ihren Sohn kämpfen sie um ein Umgangsrecht. © Andreas Seidel

Wieder steht ein Weihnachtsfest bevor, an dem Karl-Jörg und Helga Rößiger aus Plauen ihre Enkeltochter nicht sehen können. „Seit zwei Jahren hat unser Sohn keinen Kontakt zu seinem Kind. Die Mutter des Mädchens verhindert das – oft aus fadenscheinigen Gründen“, sagen sie. Selbst zwei Stunden Umgang pro Monat würden von ihr boykottiert. „Wir sind so traurig darüber und möchten unseren Sohn gerne unterstützen. Doch bisher sind wir keinen Schritt weitergekommen“, so der Großvater der Achtjährigen.

Sein Sohn klagte vor Gericht. Doch als es endlich einen Termin für einen Kontakt gab, an dem auch eine Psychologin und ein gerichtlicher Beistand teilnehmen sollten, hatte die Mutter ihr Kind einfach früher aus der Schule abgeholt. Der Treff kam wieder nicht zustande. „Wird aber eine neue Unterhaltstabelle beschlossen, verlangt sie sofort mehr Geld“, so Karl-Jörg Rößiger.

Taktik soll Väter mürbe machen

Kein Einzelfall, wie Josef Linsler, Sprecher des Verbands für Unterhalt und Familienrecht (ISUV), sagt: „Bei strittigen Trennungen und Scheidungen ist das ein häufiges Szenario. Und die vorgeschobenen Gründe sind immer die gleichen – Krankheit, andere Feiern, das Kind möchte nicht zum anderen Elternteil und so weiter.“ Dahinter stecke die Taktik, den anderen Elternteil mürbe zu machen, sodass er schließlich resigniert. Auch dass Unterhaltsforderungen prompt weitergereicht werden, sei für ihn ein übliches Muster. „Oft treiben die Jugendämter die Forderungen rigoros ein, wenn der Elternteil eine Unterhaltsurkunde unterschrieben hat“, sagt Linsler.

Rößigers Sohn hat seine Tochter aus der Ferne auf dem Spielplatz beobachtet. „Er wollte doch nur sein Kind sehen. Dafür wurde er wegen Stalkings verklagt“, sagen die Großeltern verzweifelt. Geschenke, die er dem Mädchen geschickt hat, fand er wenig später noch verpackt im Müll. „Seit zwei Jahren liegt die Zuckertüte für unsere Enkelin bei uns zu Hause, weil wir nicht zum Schulanfang eingeladen waren. Wir wollten sie gern persönlich übergeben. Doch das wurde verhindert“, sagt Helga Rößiger. Die Mutter des Mädchens wollte sich nicht dazu äußern, weil es ein laufendes Verfahren sei, teilte sie der Sächsischen Zeitung mit. Die Großeltern Rößiger sind der Meinung, dass Unterhalt und Umgang zusammengehören: „Wer keinen Umgang gewährt, soll auch keinen Unterhalt bekommen.“

Geld einzubehalten, ist falscher Weg

„Bloß nicht“, rät Josef Linsler. „So einfach ist die Sache leider nicht. Wenn der Vater nicht zahlt, riskiert er ein Verfahren am Familiengericht und bürdet sich zudem Kosten für Gericht und Anwalt auf.“ Damit verschlimmere er nur seine Situation. Das Einzige, was der Vater in einem solchen Fall tun könne, sei besonnen und nachdrücklich zu agieren. Er sollte alles tun, um die Mutter des Kindes davon zu überzeugen, dass das Kind beide Elternteile braucht, um gesund aufwachsen zu können. „Auf keinen Fall vorwurfsvoll, denn das baut nur Aggressionen auf“, sagt Linsler aus Erfahrung. Bewährt habe es sich bei vielen, wenn Verwandte oder Freunde gebeten wurden, auf die Mutter einzuwirken. Die Unterstützung der Jugendämter für Väter sei jedoch sehr unterschiedlich ausgeprägt. „Nicht wenige verweisen ausschließlich auf den Klageweg.“

Karl-Jörg Rößiger hat an viele politisch Verantwortliche geschrieben, Antworten bekam er keine. Im Dezember ist ein weiterer Gerichtstermin angesetzt. Das psychologische Gutachten, das bereits vorliegt, macht ihm aber wenig Hoffnung, ein Umgangsrecht im Sinne seines Sohnes zu erreichen. „Im Gutachten steht, dass mein Sohn bislang keine Beziehung zu seiner Tochter aufbauen konnte, weil er keinen Kontakt zu ihr hat. Ja wie denn auch?“, fragt sich Karl-Jörg Rößiger. „Dieser Kontakt wird doch immer wieder verhindert.“ Von Gerichten und Behörden fühlt sich die Familie im Stich gelassen.

Hoffnung auf Reform des Familienrechts

Geschichten wie diese hört Josef Linsler beinahe täglich. Deshalb fordert sein Unterhalts-Verband, dass die geplante Reform des Familienrechts hier für mehr Gerechtigkeit sorgt. Ein Coaching oder eine Mediation sollten für alle Eltern nach der Trennung verpflichtend sein, wenn sie keine eigenen Umgangsmodelle finden, die dem Kindeswohl gerecht werden. Im Ergebnis des Coachings müsse ein Betreuungsplan entstehen, der rechtsverbindlich ist. „Hier wünsche ich mir auch ein klareres und entschiedeneres Vorgehen der Richter. Ihre Autorität hilft da manchmal. Auch Zwangsgelder könnten bei Umgangsverweigerung ein probates Mittel sein“, so Josef Linsler.

Familie Rößiger setzt große Hoffnung in die geplante Gesetzesänderung, will auch eine Petition starten. „Unsere Forderung ist ganz klar: Kein Umgangsrecht – kein Unterhaltsgeld.“

Eckpunkte für ein neues Unterhaltsrecht

  • Bundesjustizminister Marco Buschmann hat Ende August ein Eckpunktepapier für ein neues Familienrecht vorgelegt, das als Diskussionsgrundlage im Gesetzgebungsverfahren dienen soll.
  • Kernthema ist der Kindesunterhalt. Die Reform des Unterhaltsrechts soll hauptsächlich Eltern in asymmetrischen Betreuungsmodellen betreffen, weil es dort momentan die größten Ungerechtigkeiten gibt. Von einem asymmetrischen Modell wird gesprochen, wenn ein Elternteil das Kind zwischen 30 und 49 Prozent des Jahres betreut. Für Eltern im Wechselmodell, die sich die Betreuungszeit exakt hälftig teilen, oder für Eltern im Residenzmodell soll sich laut Ministerium nichts ändern. Beim Residenzmodell lebt das Kind hauptsächlich bei einem Elternteil, der andere hat ein Umgangsrecht und zahlt Unterhalt laut Düsseldorfer Tabelle.
  • Berechnet werden soll der Betreuungsanteil anhand eines nachprüfbaren, objektiven Kriteriums, das auch in der Fachwelt akzeptiert ist: der Anzahl der Übernachtungen des Kindes beim jeweiligen Elternteil pro Jahr. Es sollen aber pauschalierte Berechnungsmodelle entwickelt werden, um einen Streit über einzelne Betreuungstage zu vermeiden.
  • Wenn Väter oder Mütter ihre Berufstätigkeit aufgeben oder einschränken, um ihr Kind öfter betreuen zu können, soll auch Betreuungsunterhalt für diese Elternteile möglich sein.
  • Auch künftig soll es beim Kindesunterhalt ganz maßgeblich auf die Einkommensverhältnisse beider Elternteile ankommen: Wenn ein Elternteil mehr verdient als der andere, dann soll er auch künftig mehr Unterhalt zahlen.
  • Der Gesetzentwurf soll noch in diesem Jahr veröffentlicht und ins Parlament eingebracht werden. Ziel sei es, das Gesetzgebungsverfahren noch vor der nächsten Bundestagswahl abzuschließen.