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Was tun, wenn es bei den Enkeln mit den guten Manieren hapert?

Viele Großelter ärgern sich, wenn ihre Enkel Schimpfwörter benutzen und ihr Gegenüber ständig unterbrechen. Kinderpsychiater Veit Rößner weiß Rat.

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Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. med. Veit Rößner vom Uniklinikum Dresden.
Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Dr. med. Veit Rößner vom Uniklinikum Dresden. © Matthias Rietschel/SZ

Wir haben oft unsere Enkelkinder, sechs und neun Jahre alt, zu Besuch. Wir mögen sie sehr und sind auch der Meinung, dass sie gut erzogen sind. Allerdings benutzen sie oft viele Schimpfwörter oder unterbrechen das Gegenüber. Wann und wie lernen Kinder heutzutage gutes Benehmen?

Dazu Prof. Dr. med. Veit Rößner, Kinder- und Jugendpsychiater am Dresdner Uniklinikum:

Zunächst ist es wichtig, zu klären, was man unter gutem Benehmen versteht. Jede Generation hat bezüglich allgemeiner Umgangsformen vermutlich so ihre eigenen Vorstellungen und überträgt diese auch auf jüngere Menschen. Im Laufe der Zeit unterliegen diese Vorstellungen aber einem stetigen Wandel. Dennoch gibt es einen Kern an allgemeingültigen Verhaltensregeln bezüglich eines respektvollen, höflichen und aufmerksamen Umgangs miteinander.

Dieser Kern ändert sich über die Jahrzehnte nicht so stark. So will keiner gerne ständig unterbrochen werden. Auch sind die Wörter „Bitte“ und „Danke“ sowie eine angemessene Begrüßung und Verabschiedung in allen Kulturen von Bedeutung.

Aber was genau unter einer angemessenen Begrüßung verstanden wird, hat sich in den letzten Jahren verändert. So wird zum Beispiel inzwischen noch häufiger auf Händeschütteln verzichtet. Daneben variieren Umgangsregeln auch abhängig von Situation und Kulturkreis. Es gibt folglich große individuelle Unterschiede bezüglich der Vorstellungen von angemessenem Verhalten. Diese erleichtern jedoch in jedem Fall das Zusammenleben in der Familie und anderen sozialen Kontexten.

Kinder lernen durch Nachahmen

Kinder lernen die Regeln für gutes Benehmen vor allem von ihren engsten Bezugspersonen. Und zwar nicht nur durch explizite Erklärungen, sondern auch durch Beobachten und Nachahmen. Eltern sollten sich also genau so verhalten, wie sie es von ihrem Nachwuchs erwarten. Gutes Benehmen umfasst auch eine angemessene Ausdrucksform. Also weder Schimpfwörter noch Kraftausdrücke oder Fluchen.

Rutscht einem im Alltagsstress doch mal ein Kraftausdruck raus, lernen Kinder dabei auch, wie man sich dafür entschuldigt. Kinder schauen sich auch viel von Gleichaltrigen ab und bringen Wörter mit nach Hause, die man selbst im Umgang nicht verwenden würde. Kinder ahmen dabei zunächst nur nach, testen die Reaktion ihrer Umwelt, oft ohne genau zu wissen, was diese Wörter bedeuten und wie sehr diese andere verletzten können.

Nehmen Sie sich Zeit, Kindern die Bedeutung zu erklären und dass Sie nicht möchten, dass so in Ihrer Familie gesprochen wird. Lassen Sie sich nicht provozieren, dann merken Kinder und Enkel schnell, dass sie dadurch bei Ihnen keine Aufmerksamkeit bekommen. Selbiges gilt für das Unterbrechen des Gegenübers und andere Umgangsformen.

Lieber Loben als Ermahnen

Leben Sie vor, was Respekt bedeutet. Dabei müssen Kinder auch erleben, dass dies für beide Seiten gilt, zum Beispiel andere beim Spielen nicht ausschließen, sich gegenseitig ausreden lassen und tolerant gegenüber anderen Meinungen zu sein. Lob und Anerkennung wirken dabei langfristiger als ständiges Ermahnen. Die Ansprüche sollten sich nach dem Alter des Kindes richten.

Hier ein paar Beispiele: Im Kindergartenalter sollten sie lernen, andere ausreden zu lassen. Den passenden Gebrauch von „Du“ und „Sie“ sollten Kinder im Grundschulalter lernen. Als Teenager sollte man wissen, wen man beim Vorstellungsgespräch zuerst begrüßt. In der Pubertät wird es vermutlich dazu kommen, dass Kinder erlernte Benimmregeln infrage stellen. Dies gehört zum Ablöseprozess des Erwachsenwerdens dazu.

Für den Großteil der erlernten Manieren werden Jugendliche aber hoffentlich die Erfahrung machen, dass diese zu einem respektvollen Umgang miteinander führen. Seien Sie also klar in Ihren Erwartungen an gutes Benehmen, seien Sie ein passendes Vorbild, geben Sie positive Rückmeldung und haben Sie Geduld.