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Meinung: Legt ARD und ZDF zusammen!

Wir brauchen den öffentlich-rechtlichen Neustart. Der wird hart und schmerzhaft. Doch es geht nicht nur um Geld. Es geht um die Zukunft eines Pfeilers der Demokratie.

Von Oliver Reinhard
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Auf dem Spiel steht viel: Retten wir das trotz allem beste TV- und Radiokonglomerat der Welt.
Auf dem Spiel steht viel: Retten wir das trotz allem beste TV- und Radiokonglomerat der Welt. © Marius Becker

Die Botschaft war katastrophal: Kurz nach dem Veruntreuungsskandal beim RBB und mitten in ihrer größten Legitimationskrise seit Jahren übertrug die ARD und parallel das ZDF das Queen-Begräbnis. Da durfte man sich schon mal an den Kopf fassen: Begreifen es die Öffentlich-Rechtlichen eigentlich nicht? Wie können sie ein solches Zeichen der Verschwendung setzen und trotzdem denken, dass man ihnen den vielfach abverlangten und auch vielfach beteuerten Reformwillen abnimmt? In Zeiten, wo radikale Ideologen selbst im Bundestag gleich die Abschaffung des „Zwangsfunks“ fordern?

Umso lauter möchte man „Danke!“ rufen. Für das, was WDR-Chef Tom Buhrow vor wenigen Tagen sagte: Das System müsse grundlegend verändert werden. Es brauche einen runden Tisch, der eine neue Verfassung für die Öffentlich-Rechtlichen ausarbeitet. Dabei dürfe es keine Tabus und keine Denkverbote geben. Selbst die Idee, ARD und ZDF zusammenzulegen, solle diskutiert werden.

Nie wurde derart Revolutionäres derart direkt formuliert

Sicher, keinen dieser Gedanken hat Buhrow zum ersten Mal gedacht. Doch nie wurde derart Revolutionäres derart direkt und klar formuliert, noch dazu vom ARD-Vorsitzenden selbst. Wenn auch nur als Frage wie: „Will Deutschland weiter parallel zwei bundesweite lineare Fernsehsender?“ Fragen wir konkreter: Braucht Deutschland noch beide?

Antworten wir konkret: nein.

Nein vor allem deshalb, weil die einstige Unterscheidbarkeit von ARD und ZDF längst Geschichte ist. Und damit auch die öffentlich-rechtliche Vielfalt, die das duale System per verfassungsmäßigem Auftrag neben einer Grundversorgung der Bevölkerung mit Informationen, Bildung, Kultur und Unterhaltung garantieren soll.

Das Publikum will immer mehr Krimis und Talkshows

Um fair zu bleiben: Die Austauschbarkeit liegt nicht zuletzt am Willen des Publikums, das die Öffis per Quote unter Gehorsams-Druck setzt. Es will immer mehr Krimis – also liefern ARD und ZDF immer mehr Krimis. Es will möglichst oft Talkshows sehen – also gibt’s möglichst oft Talkshows. Mit den gleichen Themen, den gleichen Gästen, dem gleichen Zoff.

Hinzu kommen ähnliche Komödien, Familienunterhaltung, Magazine, Quizsendungen, Unterhaltungsshows und Nachrichten mit den gleichen News. Entsprechend austauschbar sehen die Mediatheken von ARD und ZDF aus. Die übrigens immer noch nicht vereint sind, um gemeinsam den US-Streaming-Giganten wie Netflix, Amazon oder Disney Paroli zu bieten. Obwohl die Zukunft im Streamen liegt. Nicht im linearen TV.

Die Zukunft ist nicht eine leicht geliftete ARD

Kurz: Zwei sind einer zu viel geworden. Eine Verschmelzung würde mithin eher quantitative Einbußen bedeuten als zwingend auch qualitative. Spinnen wir den Faden weiter: Die Fusion muss auf eine Art ARD 2.0 hinauslaufen. Weil nur über deren viele Regionalsender die Menschen in der Fläche mit Infos und Unterhaltung aus ihrer Heimatregion versorgt werden; ebenfalls verfassungsmäßiger Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen.

Die Vermählung wäre allerdings nur ein Teilschritt der dringend notwendigen Paartherapie. Das Ergebnis darf und wird keine nur leicht geliftete ARD sein. Denn die ist ungleich größer als das ZDF und auch das ungleich größere Problemkind. 21 TV- und 69 Hörfunksender plus drei Deutschlandradios, zwei Dutzend Orchester, Chöre und Bigbands – darin steckt erhebliches Kürzungspotenzial.

Die Politik und die Sender wollen nur Reförmchen

Womit wir beim vielleicht größten Problemkind wären: der Politik. Sie hat den Sendern alles, was diese machen oder nicht machen, in Staatsverträgen und Landesrundfunkgesetzen vorgeschrieben. Vertreten durch die einzelnen Länder (die ARD ist Ländersache) bestimmt und bestellt sie, was „ihre“ Sender anbieten sollen, wie viel Bildung, Sport, Unterhaltung, Kultur. Und die Politik will viel. Nicht zuletzt einen eigenen Landessender. Oder wenigstens ein eigenes Landesfunkhaus. Klar, sie will wie immer auch sparen – aber eigentlich auf nichts verzichten. Ähnlich wie die Sender.

Deshalb kam es bislang fast nur zu Reförmchen. Und deshalb will ARD-Chef Buhrow das Aushandeln nicht länger den Ländern und Sendern überlassen. Deshalb und weil alles auf die Änderung von Gesetzen bis zum Grundgesetz hinausläuft, braucht es als Erstes einen „Runden Tisch“ mit den wichtigsten Playern aus Politik, Gesellschaft, Medien zur Erarbeitung eines neuen Generationenvertrages. Weil nur darin die Chance liegt, dass sich irgendwann auch Rundfunkanstalten, Landesregierungen und Parlamente zum konstruktiven Zusammenraufen, zu Kompromissen und Verzicht bewegen lassen.

Es geht um die öffentlich-rechtliche Zukunftsfähigkeit

Ja, die Fusion von ARD und ZDF sowie die Konzentration auf weniger Sender und Programme einer neuen ARD würde nicht nur einen massiven Einschnitt in die deutsche Medienlandschaft bedeuten. Es wäre obendrein ein sehr mühsamer, sehr langwieriger, sehr kostenintensiver sowie auch und gerade in sozialer Hinsicht extrem schmerzhafter Prozess.

Aber es geht nicht um Kosmetik und nicht nur ums Geld. Es geht um nichts weniger als die Zukunftsfähigkeit unseres öffentlich-rechtlichen Systems. Es geht um das trotz allem beste TV- und Radiokonglomerat der Welt. Um einen Garanten auch für Unterhaltung, aber vor allem für seriöse Information, gegen Verdummung, gegen Desinformation.

Es geht um, sagen wir es ruhig: einen Pfeiler unserer Demokratie.