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So war der letzte Einsatz von "Tatort"-Kommissarin Lindholm in Göttingen

Nach sechs „Tatort“-Einsätzen im Göttinger Exil kehrt Charlotte Lindholm zurück nach Hannover. Ihr letzter Fall in der Kleinstadt ist ein dramatischer Abschied.

Von Oliver Reinhard
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Nach anfänglichen Hakeleien ist zwischen den Kommissarinnen Lindholm und Schmitz (Maria Furtwängler, Florence Kasumba) so etwas wie Freundschaft entstanden. Die wird im letzten Fall des Teams auf eine harte Probe
gestellt.
Nach anfänglichen Hakeleien ist zwischen den Kommissarinnen Lindholm und Schmitz (Maria Furtwängler, Florence Kasumba) so etwas wie Freundschaft entstanden. Die wird im letzten Fall des Teams auf eine harte Probe gestellt. © ARD

Dass der „Tatort“ außer Krimi auch Psychodrama kann, hat er hinlänglich bewiesen. Immer wieder dringt er ein in die Abgründe der menschlichen Seele, manchmal wagt er sich gar vor bis zum Äußersten, zum Entsetzlichsten. Wie Regisseurin Christine Hartmann und ihr Mitautor Stefan Dähnert in der Folge „Geisterfahrt“, die nach den Regeln der Dramaturgie freilich völlig locker beginnt.

Nach vier Jahren Strafversetzung hat sich Kommissarin Charlotte Lindholm (Maria Furtwängler) mit ihrem neuen Einsatzort Göttingen abgefunden und in ihrer Kollegin Anais Schmitz (Florence Kasumba) auch so etwas wie eine Freundin gefunden. Entsprechend locker ist die Stimmung bei der Party zum 60. Geburtstag ihres Chefs Polizeidirektor Liebig.

Polizeidirektor Liebig (Luc Feit) und seine Gattin Tereza (Bibiana Beglau) sind immer noch verliebt und glücklich - so scheint es. Doch hinter der Fassade spielt sich ein schreckliches Drama ab.
Polizeidirektor Liebig (Luc Feit) und seine Gattin Tereza (Bibiana Beglau) sind immer noch verliebt und glücklich - so scheint es. Doch hinter der Fassade spielt sich ein schreckliches Drama ab. © ARD

Wenn der Polizeidirektor die Ermittlungen manipuliert

Nur Stunden später weicht ihre gute Laune tiefem Entsetzen. Ein Kurierfahrer ist in die Fußgängerzone gerast, hat einen Menschen getötet und mehrere schwer verletzt. Lindholm entdeckt Indizien dafür, dass etwas anderes als eine „Amokfahrt“ dahintersteckt. Anfangs teilt Liebig die Vermutung seiner Untergebenen – um kurz darauf „umzukippen“ und nun ebenfalls auf „Amokfahrt“ zu setzen. Die Verwirrung der Kommissarin steigert sich zu tiefer Beunruhigung, denn in ihr wächst der Verdacht, dass der Polizeidirektor die Ermittlungen manipuliert.

Subtil erzählt, packend gebaut, ausgezeichnet bebildert und meisterhaft gespielt ist „Geisterfahrt“ ein Tatort, wie er im Musterbuch steht. Es geht um die Ausbeutung von Kurierfahrern, vornehmlich solchen mit Zuwanderungsgeschichte. Es geht um Ehebruch und Gewalt in Partnerschaften. Es geht um Freundschaft und Loyalität. Auch die Beziehung zwischen Lindholm und Schmitz rutscht in eine tiefe Krise.

Szenen einer tödlichen Ehe

Es kriselt einerseits, weil Charlotte dem Werben von Anais’ Mann, der in sie verliebt ist, bis kurz vor knapp nachgibt. Andererseits, weil Anais ihr nicht glauben will, dass Polizeidirektor Liebig in den Fall verwickelt ist. Und erst recht nicht, dass er seine Frau brutal misshandelt ... Regelmäßig bilden Ehedramen eigenständige Geschichten in den „Tatort“-Geschichten. Und oft, das lässt sich konstatieren, stammen die Gelungensten aus den Federn von Frauen.

Auch Christine Hartmanns innere Erzählung in „Geisterfahrt“ ist höchst bemerkenswert. Mit großer Schauspielkunst zeichnen Bibiana Beglau als Tereza Liebig und Luc Feit als Polizeidirektor Szenen einer Ehe, wie sie tragischer nicht sein und enden kann. Und das, ohne den gewalttätigen Gatten als eindimensionales Monster zu diskriminieren.

Begehrt und beschäftigt in Hollywood

Wenn mit Anais Schmitz sogar eine Frau einem weiblichen Opfer zunächst aus Loyalität zu ihrem Chef misstraut, spiegelt sich darin das vielleicht monströseste Dilemma des Phänomens sexueller Missbrauch, gegen das sich Maria Furtwängler seit Jahren auch privat leidenschaftlich engagiert. Im letzten Göttinger „Tatort“ treiben das Verhalten von Liebig, von Schmitz, von ihren Kolleginnen und Kollegen, aber auch ihre eigene Schuld an der Katastrophe Kommissarin Lindholm schließlich dazu, ihre Rückversetzung nach Hannover zu beantragen.

Eine Übergangsepisode wird es 2025 noch geben, mit Furtwängler, Lindholms Hamburger Kollegen Falk (Wotan Wilke Möhring) und Florence „Schmitz“ Kasumba. Leider scheidet die charismatische Schauspielerin dann ganz aus dem „Tatort“ aus. Die Gründe sind unbekannt, aber die im deutschen Film extrem gefragte und durch die Marvel-Blockbuster „Black Panther“ und „Wakanda Forever“ längst auch in Hollywood etablierte gebürtige Uganderin hat auch so mehr als genug zu tun.