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So klamottig war der Münster-Tatort im Schrebergarten der Agenten

Frauen machen Männerwitze und Alberich kassiert den Chef ab: Der „Tatort: Unter Gärtnern“ war wendungsreich, verdammt nah am Leben und James Bond.

Von Bernd Klempnow
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Neue Herausforderungen: Der eine, Thiel (Axel Prahl), klempnert neuerdings, der andere, Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers), beherrscht durchaus auch das Garten-Skalpell.
Neue Herausforderungen: Der eine, Thiel (Axel Prahl), klempnert neuerdings, der andere, Professor Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers), beherrscht durchaus auch das Garten-Skalpell. © WDR

Schon der Einstieg ist ein Coup. Da geht eine alte, gebrechliche Frau eine Seebrücke entlang, an deren Ende sie dann plötzliche den Gehstock zerbricht, Mantel und Hut einsteckt und sich in eine attraktive Junggebliebene verwandelt. Zwei Filmminuten später wieder eine Verwandlung: Diesmal von der Junggebliebenen in eine ältliche Schrebergärtnerin in abgetragenen Sachen. Weitere zwei Minuten später ist sie tot. Die letzten Worte ins Telefon: „Bin aufgeflogen“.

Ja, der aktuelle „Tatort“ aus Münster, hat ordentlich Tempo – und das behält er bis zum Schluss. Kein Wunder: Der Film spielt schließlich dort, wo man mit dem Schrebergarten ein Idyll vermutet und sich Abgründe auftun. Wo Giftpflanzen angebaut, der Nachbar ausspioniert und erpresst wird, wo sich Geheimzimmer in den Lauben verstecken und Wohlstandsverwahrloste aktiv sind. Auch Agenten haben hier ein ideales Revier – zum Abtauchen und Töten. Damit ist der „Tatort“ nah am Leben, wie etwa auch die Bauwagen- und anderen Verstecke der jüngst enttarnten RAF-Terroristen beweisen.

Hält große Reden, die aber eher kleiner machen: Prof. Boerne (Jan Josef Liefers) im Diskurs mit seiner Assitentin hat Silke Haller (ChrisTine Urspruch).
Hält große Reden, die aber eher kleiner machen: Prof. Boerne (Jan Josef Liefers) im Diskurs mit seiner Assitentin hat Silke Haller (ChrisTine Urspruch). © WDR Kommunikation/Redaktion Bild

Relativ schnell ist klar, dass ausländische Geheimdienste am Werk sind, die räuberklamottig, aber effektiv agieren. Allein für die Idee, die fragile Weltpolitik der deutsch-deutschen Einheit nach 35 Jahren quasi im Schrebergarten neu zu erzählen, hätte Drehbuchautorin Regine Bielefeldt einen Preis verdient. Mehr noch: Mit großer Lust an der komödiantischen Arabeske, ungewöhnlichen Figuren und Situationen, zeitkritischen Dialogen und neuen Herausforderungen fürs Stammpersonal – der Kommissar im Blaumann, der Pathologe mit Spaten – war der 45. Fall seit 2002 humorig und wendungsreich ganz klar einer der besten von Boerne & Thiel.

Zudem ist das neue Bewusstsein für Geschlechter-Respekt auch bei diesem speziellen Format des Komödienkrimis angekommen: Mit dem Altherrenwitz „Sie wollen wohl hier ein Rohr verlegen?“ nervt eine Gärtnerin Thiel zu Recht. Und Alberich hat in der Pathologie eine Miese-Sprüche-Kasse, in die Boerne ordentlich einzahlt.

Agentenmäßig schön auch die Auflösung, woran die Junggebliebene anfangs gestorben ist. Ionisierende Strahlen zerstörten das Gehirn. Ein Speiseeiswagen entpuppt sich als gigantische Mikrowelle – eine Mordwaffe von James-Bond-Niveau.