SZ + Feuilleton
Merken

Der Dortmunder "Tatort" treibt es auf die Spitze

Private Problemchen von Kommissaren sind ein "Tatort"-Trend, der oft genug nervt. Jetzt werden sie sogar zum Hauptthema. Geht das gut?

Von Marcus Thielking
 3 Min.
Teilen
Folgen
NEU!
Ommmmm... Ist Hauptkommissar Faber (Jörg Hartmann) plötzlich der einzig Normale in Dortmund?
Ommmmm... Ist Hauptkommissar Faber (Jörg Hartmann) plötzlich der einzig Normale in Dortmund? © WDR/unafilm GmbH/Elliott Kreyenb

Damals, als der "Tatort" noch ein stinknormaler Krimi war, waren auch die Kommissare stinknormal. Klar, sie hatten ihre Schrullen, und natürlich waren auch Manfred Krug alias Paul Stoever oder Götz George alias Horst Schimanski mal mies gelaunt. Doch über ihr Privatleben oder gar ihre Gefühle erfuhren die Zuschauer wenig bis nichts, außer dass Stoever unter der Dusche sang oder Schimanski sich mal ein Spiegelei briet.

Heute gehören die privaten Probleme der Ermittler zur Grundausstattung jeder "Tatort"-Reihe, denn das Publikum will menschliche Nähe. Sagt die Marktforschung. Also werden die Kriminalfälle oft von Parallelhandlungen begleitet: Die eine Kommissarin hat Liebeskummer, der andere kann nachts nicht schlafen - von Verdauungsproblemen bis hin zu Familientragödien ist alles dabei. Im Dortmunder "Tatort" war diese Tendenz schon immer besonders stark ausgeprägt. Diesmal wurde sie auf die Spitze getrieben.

Privates als Persiflage

Der Fall "Gier und Angst" ist vordergründig ein durchschnittlicher Krimi um raffgierige Banker. Doch bald wird die Handlung überlagert von den Sorgen und Sehnsüchten des Ermittlerteams - im Mittelpunkt die Geschichte um Hauptkommissar Jan Pawlak (Rick Okon), der um seine drogensüchtige Frau kämpft. Hauptkommissarin Martina Bönisch (Anna Schudt) wird von ihrem Ex gestalkt ("Ich hab' schon Herpes wegen dem Arsch"), und ausgerechnet Teamchef Peter Faber (Jörg Hartmann), der sonst den Psychopathen mimt, hält das alles nicht mehr aus: "Ich bin doch hier der Einzige, der das Privatleben nicht in den Job trägt!"

Ein Satz, dessen selbstironische Pointe für vieles entschädigen könnte, wenn sich die "Tatort"-Macher wirklich getraut hätten, solche Privatleben-Plots zu persiflieren. Am Ende aber weiß man hier nicht so recht, was man von dem Ganzen halten soll. Als Psychothriller zu wenig, als Krimi zu lasch, als emotionales Drama zu unglaubwürdig.

Dortmund hat noch Potenzial

Wie schon der vorletzte Dortmund-"Tatort", der erst vor fünf Wochen lief, scheitert auch der neue Fall daran, dass er sich nicht auf ein Thema konzentriert. Das titelgebende Banker-Motiv "Gier und Angst" tritt mehr und mehr in den Hintergrund vor dem eigentlich handlungsformenden Stoff: Loyalität. Wem kann oder muss ich vertrauen, wo endet die Team-Treue im Beruf, wenn es um Frau und Kind geht? Dieses Thema hätte, konsequent durcherzählt, das Zeug gehabt, aus einem stinknormalen Krimi einen außergewöhnlichen Film zu machen.

Auch wenn die letzten Dortmunder Folgen schwächelten: In der Konstellation dieser Schauspieler und Figuren schlummert noch immer das Potenzial, ihn wieder zu einem "Tatort" der Extraklasse zu machen. Das Setting stimmt, auch mit den neuen Kommissaren Jan Pawlak und Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger). Die Dortmunder haben früher schon öfter bewiesen, dass der Trend zum Privaten im Krimi auch gut gemacht sein kann. Fehlt nur noch ein passendes Drehbuch.