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In Freital und Wilsdruff zeigten Bürger dem Rechtsruck eine bunte Karte

Zwei Initiativen organisierten am Wochenende eine Demonstration und eine Kundgebung gegen Rechts. Es kamen mehr Teilnehmer als erwartet.

Von Siiri Klose & Mathias Herrmann
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In Wilsdruff und Freital traten am Wochenende Menschen für Vielfalt und Menschlichkeit ein.
In Wilsdruff und Freital traten am Wochenende Menschen für Vielfalt und Menschlichkeit ein. © Vincent Kamprath

Sich abseits der großen Städte gegen rechts zu positionieren, ist kein Sonntagsspaziergang. Wer am Sonnabendnachmittag in Wilsdruff aus der Buslinie 333 ausstieg, wurde von einem Sprechchor empfangen: „Antifaschisten, eure Eltern sind Geschwister“ rufen ein paar Jungs in schwarzen Kapuzenpullis zu schwarzen Cargohosen. Es soll eine Beleidigung sein für alle, die zu der Kundgebung für Vielfalt und Menschlichkeit auf den Marktplatz wollen.

Dort stellt Ludwig Hahn gerade das Mikrofon richtig ein. Der Wilsdruffer CDU-Stadtrat hat die Kundgebung zum Thema "Haltung zeigen gegen Rechtsextremismus" angemeldet, doch es stecken noch mehr dahinter: In Wilsdruff und Tharandt gründete sich Ende letzten Jahres die Initiative für Gemeinschaft 24, kurz IfG 24. "Seit Januar gibt es uns offiziell", erklärt Hahn, "inzwischen haben wir rund 30 Bürger im Verteiler."

Ludwig Hahn, CDU-Stadtrat in Wilsdruff, meldete die Kundgebung im Namen der Initiative für Gemeinschaft 24 an. Rund 150 Menschen kamen auf dem Wilsdruffer Marktplatz zusammen.
Ludwig Hahn, CDU-Stadtrat in Wilsdruff, meldete die Kundgebung im Namen der Initiative für Gemeinschaft 24 an. Rund 150 Menschen kamen auf dem Wilsdruffer Marktplatz zusammen. © Vincent Kamprath

Das Bündnis ist ein Netzwerk gegen Rechtsextremismus, zu dem sich auch zahlreiche Firmen aus der Region bekennen. "Es ist wichtig, sich gegenseitig Mut zu machen", sagt Hahn. "Es gibt hier viele, die Angst haben, sich offen für die Demokratie einzusetzen. Am Ende kriegt das Kind dann in der Schule Stress - sowas befürchten sie."

Wege über respektvolle Gespräche offen halten

Tatsächlich möchte auch eine Frau mit Transparent ihren Namen nicht in der Zeitung lesen: "Das ist mir unangenehm, aber ich kann die Folgen nicht einschätzen. Wir wohnen in einem kleinen Dorf." Auf die Kundgebung ist sie gekommen, weil ihr die Zukunft ihrer sechs Enkel am Herzen liegt: "Die sollen in Frieden aufwachsen", sagt sie. Das gelinge nur mit gegenseitigen Respekt und Gesprächen auf Augenhöhe. "Deshalb will ich auch die AfD nicht verteufeln. Wer weiß, warum sich manch einer entschieden hat, dort mitzulaufen." Den Weg zurück könne man ihrer Erfahrung nach nur übers Miteinander-Reden offenhalten.

"Wir glauben fest daran, dass Demokratie, Toleranz und Menschlichkeit das Fundament einer harmonischen Gesellschaft bilden", steht auf den Flyern, die auf den Basteltischen neben der improvisierten Bühne ausliegen. Denn auch dafür hat die IfG 24 gesorgt: Während die Eltern auf dem Marktplatz sozusagen bunte Flagge zeigen, können die Kinder Ostereier in Farbbäder tauchen oder sich ein Luftballontier drehen lassen. Dazu scheint die Sonne und sorgt für Frühlingslaune unter den Beteiligten. Den rund 50 Bürgern am Marktplatzrand, die die Kundgebung erkennbar missbilligen, stehen rund 150 gut gelaunte Teilnehmer gegenüber.

"Vielfalt und Menschlichkeit sind zwei Seiten derselben Medaille", spricht derweil der Kesselsdorfer Pfarrer Volker Geisler ins Mikro, "das eine gibt es nicht ohne das andere." Nach ihm sprechen auch Grünen-Stadtrat Ronny Haupt, der SPD-Bundestagsabgeordnete Fabian Funke und Freitalerin Steffi Brachtel (Linke), die als Abgesandte der "Initiative für Freital" da war.

Demonstration in Freital ohne Zwischenfälle

In Freital hatte Steffi Brachtel bereits am Freitagnachmittag die Demonstration "Gemeinsam gegen den Rechtsruck – zusammen für Vielfalt und Menschlichkeit" organisiert - und wirkt zufrieden, dass sie rund siebzig Menschen mobilisieren konnte, für dieses Anliegen auf dem Platz des Handwerks zusammenzukommen.

Steffi Brachtel von der Initiative Freital ist Mitglied der Linken und hatte zur Demonstration am Freitag in Freital aufgerufen.
Steffi Brachtel von der Initiative Freital ist Mitglied der Linken und hatte zur Demonstration am Freitag in Freital aufgerufen. © Mathias Herrmann

"Ich hatte nicht mit so vielen Teilnehmern gerechnet", sagt sie. "Aber ich bin froh, dass sich viele mutig zeigen, um sich gegen rechtes Gedankengut zu stellen." Sie warnt davor, dass auch heute rechte Ideologien in fast allen Gesellschaftsschichten vorhanden wären. "Auch vor 95 Jahren fing es schleichend an!" Die Menschen damals seien den Worten gefolgt wie die Kinder dem Rattenfänger von Hameln, vergleicht sie das Märchen mit den heutigen Verführungen durch rechte Redner. "Machen wir es besser als vor 95 Jahren - setzen wir uns dagegen ein", ruft Brachtel auf.

Auch SPD-Stadträtin Daniela Forberg betont in ihrer Rede: "Auch wenn wir heute nicht viele sind, so müssen wir zusammen gegen Rechts und für Demokratie stehen." Erschrocken sei sie, wie manche Kollegen im Stadtrat offen ihre Menschenverachtung kundtun. Forberg ist sich sicher, dass es möglich ist, Krisen zu meistern, wenn alle demokratisch zusammenhalten. Denn rechte Ideen seien nicht plötzlich aufgetaucht. "Es ist nicht neu und es ist nicht überraschend!" Gerade in Kleinstädten brauche es jetzt eine Front gegen Rechts.

Diese verspricht Steffi Brachtel. Bis zum Herbst will sie immer wieder Demonstrationen gegen Rechts organisieren. Einer extra zur Demonstration angereisten Gruppe aus Dresden verspricht sie, das Freital wach bleiben wird. "Wir müssen präsent sein, damit nicht den Rechten zu viel Raum gegeben wird."

Zur Demo "Nie wieder ist jetzt" auf dem Platz des Handwerks in Freital kamen insgesamt rund siebzig Teilnehmer.
Zur Demo "Nie wieder ist jetzt" auf dem Platz des Handwerks in Freital kamen insgesamt rund siebzig Teilnehmer. © Mathias Herrmann

Die Polizei hatte einen ruhigen Freitag- und Sonnabendnachmittag in Freital und Wilsdruff. In Freital filmte ein stadtbekanntes AfD-Mitglied die Demonstration aus der Entfernung, ein Autofahrer fuhr mit erhobenen Mittelfinger vorbei. In Wilsdruff ertönten ab und an doch noch vernehmbare Buh-Rufe. Doch ernsthafte Störungen gab es keine.