Aus Westfalen über Chemnitz und Dresden nach Freital
Frauke Fähndrich hat Theologie studiert, Versicherungen verkauft und war für ein halbes Jahr arbeitslos. Dann wurde sie Pfarrerin. Sächsische.de sprach mit ihr.
Frau Fähndrich, was hat Sie bewogen, Pfarrerin zu werden?
Ich bin über die Familie väterlicherseits kirchlich sozialisiert. Als Jugendliche habe ich Kirche als Familie, als zweites Zuhause kennengelernt und erlebt, vor allem in der Zeit, als es bei uns zu Hause schwierig wurde. Meine Eltern hatten sich getrennt, als ich in der Pubertät war. Die Kirche hat mich aufgefangen. Diese Erfahrungen wollte ich weiter geben. Ich bin in unserer Familie nicht die Erste, die den Beruf ergriffen hat. Ich habe die Ahnenforschung meines Großvaters ausgewertet und bin auf 23 Pfarrer gekommen. Der Letzte lebte übrigensgut 100 Jahren vor mir. Den Ausschlag, dass ich letztlich begonnen habe, Theologie zu studieren, gab aber ein anderer.
Wer war dieser Mensch?
Das war unser Religionslehrer in der Oberstufe. Er machte einen so guten Unterricht, dass ich Lust bekommen habe, das weiterzuverfolgen.
Sie sind in Westfalen aufgewachsen. Wieso arbeiten Sie in Sachsen?
Das ist ein ungewöhnlicher Weg. Ich habe mein Theologiestudium zu einer Zeit beendet, in der in Westfalen immer mehr Pfarr- und Vikariatsstellen abgeschafft wurden. Und ich erhielt keine Stelle, um mich auf den Pfarrberuf vorbereiten zu können. Es gab viel zu viele Absolventen. Deshalb bin ich 2005 in die freie Wirtschaft gegangen und habe eine Ausbildung als Versicherungsfachfrau begonnen. Doch ich merkte schnell, dass das nicht das Richtige ist. Ein Freund sagte zu mir, dass mein ethisch-gründliches Studium – er meinte mein Theologiestudium – eher verkaufshinderlich gewesen ist.
Wieso?
Ich habe den Leuten fast ausschließlich beim Sparen geholfen, ihnen erklärt, was sie nicht brauchen oder ihnen bessere Angebot gemacht. Das war nicht im Sinne des Unternehmens. Deshalb wurde meine Ausbildung nach einem halben Jahr Probezeit beendet. Ein Kollege tröstete mich. Er fand es bewundernswert, dass ich meiner Haltung treu geblieben bin, trotz des Drucks, der mir gegenüber aufgebaut wurde. Danach war ich ein halbes Jahr arbeitslos.
Vermitteltdie Arbeitsagentur auch Pfarrerinnen?
Nein. Der Bearbeiter war ehrlich. Beim ersten Treffen sagte er mir, dass er sich zwar um Akademiker kümmere. Als Theologin würde ich bei ihm aber nur verwaltet, nicht vermittelt. Das ginge über andere Kanäle. Über welche, konnte er mir aber nicht sagen. Es war eine ungewöhnliche Situation, weil die Kirche eigentlich ihre eigenen Mitarbeiter ausbildet und dann auch einstellt. Für mich war es ein Glücksfall, dass sich dann kurze Zeit später in Sachsen neue Möglichkeiten ergaben.
Was war passiert?
Anders als in Westfalen fehlten der Landeskirche hier Theologen. Man machte den Westfalen ein Angebot, drei angehende Pfarrer als Vikare einzustellen. Ich wurde ausgewählt und durfte mich bewerben. Das hat geklappt. Am 1. September konnte ich 2006 mein Vikariat in Chemnitz beginnen. Nach dem zweiten theologischen Examen wurde ich übernommen und bekam meine erste Stelle in Mittelsachsen. 2014 konnte ich dann nach Dresden an die Dreikönigskirche wechseln.
Und warum sind Sie jetzt als Pfarrerin nach Freital gekommen?
Ich hatte mir aus privaten Gründen eine Auszeit genommen. Mit neu gefundenen Kräften wollte ich wieder als Pfarrerin in einer neuen Gemeinde arbeiten. Um keine ganz neue Region erschließen zu müssen und mein aufgebautes Netzwerk nicht zu verlieren, habe ich mich in der Nähe von Dresden umgeschaut. Ich habe mir Freital ausgesucht.
Freital sorgte in jüngster Zeit immer wieder für Aufsehen. Wie gut kannten Sie die Stadt zu dieser Zeit?
Der Ruf von Freital ist nicht der beste. Als in meinem Bekanntenkreis die Nachricht rumging, ich gehe nach Freital, hörte ich schon Sätze wie "Freital ist doch rechts..." und "Dort ist die AfD stark". Ich habe natürlich in der Kirchgemeinde nach der Situation nachgefragt. Mir wurde aber nichts berichtet, was mir Angst machen könnte. Zwar wurde hier gerade eine unserer Friedhofsmauern mit Nazi-Symbolen besprüht. Andererseits gibt es so etwas auch in Dresden.
Im September habe ich bereits hier in Freital mit der Wiedereingliederung begonnen. So konnte ich schon die Gemeinde kennenlernen. Ich hatte mich vornehmlich um die Konfirmanden gekümmert. Seit 1. Juli bin ich jetzt offiziell hier Pfarrerin. Jetzt pendle ich noch von der Radeberger Vorstadt in Dresden hierher, aber ich suche hier schon nach einer Wohnung.
Hand aufs Herz, wie nah sind sich Westfalen und Sachsen?
Hier wie dort ist man bodenständig, man ist standorttreu und schätzt die Heimat. Auch beim Essen gibt es Gemeinsamkeiten, man isst gern deftig und Wurst. Nur die westfälische Fleischwurst vermisse ich. Schwierig war es mit der Uhrzeit. Ich brauchte eine Weile, um zu wissen, wann es viertel und dreiviertel ist. Auch der Dialekt war manchmal eine Hürde. Inzwischen hat sich einiges in meinen Sprachschatz eingeschlichen. Ich benutze den Abstreicher und manchmal laufe ich auch hinter. Bei uns in Westfalen sagt man Fußmatte. Und man läuft nach hinten.
2014 wechselte sie nach Dresden an die Dreikönigskirche in der Neustadt
Sie mag Tiere, ist BVB-Fan und schaut gern Fußball.
Sie sind Fußball-Fan. Wie lässt sich das mit der Arbeit verbinden?
Nicht so gut. Leider finden interessante Spiele – auch von meiner Lieblingsmannschaft Dortmund – oft dann statt, wenn ich kirchliche Veranstaltungen habe. Dann leide ich still. Nach meinem Gefühl interessiert sich leider kaum ein kirchlich Engagierter für Fußball. Wenn ich mich mal als Fußballfan offenbare, bekomme ich sowohl von Frauen als auch von Männern die trockene Antwort: "Ich nicht".
Ich werde mich bemühen, die Stadt, ihre Strukturen und ihre Menschen kennenzulernen. Ich freue mich, auf Entdeckungsreise zu gehen, und möchte weiter dazu beitragen, dass die früheren Kirchgemeinden zu einer Einheit zusammenwachsen.