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SOE: Auch "Spaziergänge" sind Versammlungen

Nach wie vor werden viele Protestveranstaltungen gegen die Corona-Maßnahmen nicht angemeldet. Das stellt die Polizei vor ein Problem.

Von Maik Brückner
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Mit Plakaten und Fahnen trafen sich auch an diesem Montag Kritiker der Corona-Maßnahmen auf dem Wilsdruffer Marktplatz zu einem Aufzug, der nicht angemeldet war.
Mit Plakaten und Fahnen trafen sich auch an diesem Montag Kritiker der Corona-Maßnahmen auf dem Wilsdruffer Marktplatz zu einem Aufzug, der nicht angemeldet war. © SZ

Montag für Montag ziehen Menschen durch die Städte und Gemeinden, um gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung zu protestieren - auch im hiesigen Landkreis. Obwohl die Staatsregierung die Kriterien für Demonstrationen längst wieder gelockert hat, werden in verschiedenen Orten weiter Spaziergänge abgehalten, die nicht beim Landratsamt angemeldet werden. So unter anderem in Bad Schandau, Bannewitz, Neustadt in Sachsen, Kreischa, Pirna, Stolpen, Glashütte und Wilsdruff. Warum, kann weder das Landratsamt noch die Polizei beantworten.

Das Ordnungsamt des Landratsamtes beobachtet diese Aufzüge aber genauso wie die angemeldeten Demonstrationen. Und auch die Polizei ist montags präsent. Da es aber viele Protestaktionen gibt, müsse man Schwerpunkte setzen, so Polizeisprecher Marko Laske. Deshalb variieren sowohl die Orte als auch die dort eingesetzten Beamten. Die Polizei beobachtet das Geschehen in mehr als ein Dutzend Orten im Landkreis.

Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut

Die montäglichen Spaziergänge werden vom Ordnungsamt als Versammlungen im Sinne des Gesetzes gewertet. Auch für die Polizei haben die Spaziergänge Versammlungscharakter - unabhängig davon, wie die Teilnehmer diese Zusammenkünfte bezeichnen. Mit dieser Art des Protestes wollen die Kritiker der Corona-Maßnahmen nach dem Motto "Wir gehen hier doch bloß spazieren" offenkundig die in der Vergangenheit bestehenden coronabedingten Begrenzungen des Versammlungsrechtes umgehen, sagt Polizeisprecher Marko Laske. Das sei nun nicht mehr notwendig - dennoch treffen sie sich weiter zu unangemeldeten Aufzügen. Beobachter sehen noch einen anderen Grund: Wer eine Veranstaltung nicht anmeldet, bringt damit auch seine Ablehnung gegenüber der Bundesrepublik Deutschland und deren Gesetzen zum Ausdruck. Vielfach geht es bei den Kundgebungen nicht nur oder nicht mehr um Corona - manche Protestler sind gegen alles, was demokratisch beschlossen wird.

Die Spaziergänge gelten bei der Polizei als eine "sich fortbewegende Versammlung". Für die Teilnehmer heißt das: Diese Spaziergänge werden auch vom Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt. "Die Versammlungsfreiheit ist in Deutschland ein hohes Gut", sagt der Polizeisprecher.

Die unangemeldeten Aufmärsche stellen die Polizei aber vor ein Problem. Weil es keinen Anmelder und damit keinen Ansprechpartner gibt, können die Beamten keine Absprachen zum Verlauf der Veranstaltung treffen. Das heißt, es können zum Beispiel keine Straßen gesperrt werden. Deshalb hofft man bei der Polizei, dass diese Veranstaltungen künftig angemeldet werden. "Das ist auch zum Schutz der Teilnehmer", sagt Polizeisprecher Laske.

Regelmäßig wird auch in Wilsdruff montags gegen die Corona-Maßnahmen der sächsischen Staatsregierung protestiert. Die Veranstaltungen werden nicht angemeldet.
Regelmäßig wird auch in Wilsdruff montags gegen die Corona-Maßnahmen der sächsischen Staatsregierung protestiert. Die Veranstaltungen werden nicht angemeldet. © SZ

Unabhängig davon versucht die Polizei von Amts wegen zu ermitteln, wer diese Versammlungen leitet beziehungsweise veranstaltet. Denn nach dem Gesetz begeht derjenige eine Straftat, der zu einer öffentlichen Versammlung unter freiem Himmel oder zu einem Aufzug aufruft und das nicht anmeldet. Der Verstoß könne mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe geahndet werden.

Die Ermittlungen seien schwierig, so Laske. "Die Initiatoren dieser Aufzüge sind schwer auszumachen." Es reicht nicht, denjenigen zu ermitteln, der einen Post auf einem Messengerdienst verfasst oder diesen teilt. Deshalb sei mal vor Ort, um objektiv und nachvollziehbar festzustellen, wer die "Wortführer und Rädelsführer" sind, die die Veranstaltungen lenken und leiten. Und dabei seien den Beamten Menschen immer wieder aufgefallen, deren Personalien man aufgenommen hat und die mit einer Anzeige rechnen müssen.

Die Zahl der Protestveranstaltungen ist weiterhin groß. Das Ordnungsamt sieht zwei Tendenzen. Demnach hat die Zahl der Veranstaltungen nach der Abschaffung der Teilnehmerbegrenzung von zehn Personen zum 17. Januar im Landkreis zugenommen. Das Ordnungsamt hat auch festgestellt - und das ist die zweite Tendenz -, dass die Teilnehmerzahlen zuletzt leicht rückläufig sind. Das bestätigt auch die Polizei.