Sven Schrapps sieht aus wie zum Kampf gerüstet. Er hat ein Bundeswehrkoppel mit Tarnmustertaschen umgeschnallt und quer über die Brust einen Riemen gezogen, an dem ein silbern glänzender Spaten baumelt. Der ist aus Edelstahl. Profane Klappmodelle hat Schrapps schon mehrere verschlissen in dem steinigen Grund. „Buddeln macht hier keinen Spaß.“
Dass Sven Schrapps trotzdem auf diesem kalten Acker bei Oelsen steht, wo der Böhm’sche Wind Tränen in die Augen treibt, liegt an seinem Hobby. Suchtpotenzial hat das, sagt er. Wenn es irgend geht, ist er zweimal die Woche im Gelände und bleibt wenigstens sechs Stunden da, gern auch länger. „Ich finde häufig kein Ende.“
Man kann Sven Schrapps Jäger der verlorenen Schätze nennen. Man kann aber auch lizenzierter Sondengänger zu ihm sagen. Diese Lizenz, ausgestellt vom Landesamt für Archäologie, trägt er stets bei sich, in einer seiner Tarnflecktaschen. Denn was landläufig als Schatz gilt, ist nicht selten ein Kulturdenkmal. Solchen nachspüren darf nur, wer eine Genehmigung hat.
Interesse an Lizenz zum Sondeln steigt
Sven Schrapps macht seinen Metalldetektor klar, ein amerikanisches Modell. An die 500 Euro hat er dafür bezahlt. Das Geld kriegt er nicht wieder rein. Relevante Funde muss er beim Amt abgeben. Und das findet er auch ganz gut so. „Was will ich damit zu Hause“, sagt er. „Bei den Archäologen sind sie am besten aufgehoben.“
Was Schrapps entdeckt, landet bei Ingo Kraft, Referatsleiter Ostsachsen in der Abteilung Archäologische Denkmalpflege des Landesamtes. Er schätzt, dass deutlich über 200 lizenzierte Sondengänger in Sachsen unterwegs sind. Das Interesse an so einer Lizenz wächst. Den Hauptamtlichen ist das recht. Sie sind mit den akuten Fällen, meist „Rettungsgrabungen“ auf Baustellen, mehr als ausgelastet, berichtet Kraft. Durch engagierte Laien würden viele neue Funde und viele neue Erkenntnisse gewonnen.
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So wie im Mai dieses Jahres bei Niederseidewitz. Dort fand ein ehrenamtlicher Bodendenkmalpfleger in einem Haufen Feldsteine ein Beil aus der Bronzezeit, mehr als dreitausend Jahre alt und bestens erhalten. Ingo Kraft bringt den Fund in Zusammenhang mit dem Kulmer Steig, der alten Händler- und Heerstraße, die das Böhmische Becken mit dem Elbtal beim heutigen Dohna verband. Da am Fundort keine bronzezeitlichen Siedlungen bekannt sind, war das Beil vermutlich Handelsware, die, wie auch immer, verloren ging.
Sven Schrapps geht seit vier Jahren sondeln, besonders gern am Kulmer Steig, der auch hier, am Oelsener Acker, vorbeiführte. Schrapps wohnt in Freital, kennt diese Gegend aber sehr gut. Als Fahnder der Bundespolizei hat er fast täglich ein waches Auge auf sie. Jetzt, allein mit dem Wind, ohne die tosende Autobahn, erlebt er sie wohltuend anders. „Für mich ist das Entspannung.“
Zeit zum Suchen auf dem Acker ist knapp
Felder sind das gängige Revier der Hobbyschatzsucher. Wo der Pflug über den Boden geht, sind die Fundzusammenhänge, auf die Profis den größten Wert legen, ohnehin zerstört. Drauflos stapfen kann Sven Schrapps trotzdem nicht. Er muss vorher den Landwirt fragen und darf keine Kulturen kaputt machen. Doch das Land liegt selten brach. „Das Zeitfenster ist sehr klein.“
Detektor an und los. Während Schrapps munter ausschreitet, schwenkt er das Gerät halbkreisförmig hin und her. Ob wir wirklich etwas finden? Garantiert, sagt er. Die Jahrhunderte haben einiges abgeladen. Dinge aus den Haushalten der Bauern, die mit dem Mist hier raus kamen, verlorene Taschenuhren, Landmaschinenteile, Vogelringe, Knöpfe, Musketenkugeln, außerdem die gebräuchlichen Geldstücke der letzten 250 Jahre. „Es gibt keinen Acker, auf dem man nichts findet.“
Da knurrt schon die Sonde. Die Anzeige stimmt den Schatzjäger wenig euphorisch. „Typisches Schrottsignal“. Vermutlich Aluminium. Trotzdem schnallt er den Edelstahlspaten los und gräbt, filzt mit der Handsonde die ausgebuddelten Brocken. Und richtig: Ein Streifen Alu kommt zutage, vielleicht eine Sackplombe. Schrapps schließt das Loch. Den Schrott steckt er ein. Er will ihn nicht noch einmal ausgraben.
Das Beil von Niederseidewitz hätte er ja auch gerne entdeckt, sagt Sven Schrapps. Wobei er über Erfolglosigkeit nicht klagen kann. Im November 2020 hat er selber ein Bronzebeil ausgegraben, kurz darauf eine bronzezeitliche Messerklinge. Wegen ihrer Zerbrechlichkeit sind solche Messer besonders selten überliefert. Schrapps fand auch das Fragment einer Sichel und eine Lanzenspitze. Letztere liegt gerade in der Bronzezeit-Schau auf der Festung Königstein. „Da ist man schon stolz, wenn die Sachen im Museum liegen“, sagt er, „und nicht in einer Schublade im Amt verstauben.“
Fund des Tages liegt vor der Autotür
Schrappsens Sonde piepst und knurrt nun alle paar Meter. Schon zieht er, wie ein Maulwurf, eine Spur frischer Buddelstellen hinter sich her: Eisenzacke, Alufolie, eine Bierdose der Dortmunder Actien-Brauerei, ein Ventil, Drahtstücken, ein Pfennig der DDR, und viele Exemplare von „was weiß ich“. Und doch kann es Schrapps nicht lassen, auch bei Schrottsignalen zum Spaten zu greifen. Oft macht er auf dem Weg zum Auto noch den Fund des Tages, sagt er.
So auch heute. Wenige Schritte vor der Wagentür zieht Schrapps ein mysteriöses Objekt ans Licht. Es wiegt schwer und es schimmert grünlich. Für ihn kein Zweifel: Bronze, und zwar alte. Mit etwas Fantasie ein Adlerkopf, eventuell verziert. Was genau das ist, wird das Amt herausfinden. Für Sven Schrapps ist eins schon jetzt klar: Es ist ein neues Stück Futter für seine Sucht.