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Pflegelücke in Sachsen wird größer – Lohnt eine private Pflegeversicherung?

Heimbewohner in Sachsen müssen im Schnitt 2.381 Euro im Monat zuzahlen. Viele können das nicht. Privat gibt es mehrere Varianten, sich abzusichern. Welche ist zu empfehlen?

Von Kornelia Noack
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Den Eigenanteil fürs Pflegheim können viele bald nicht mehr bezahlen, da die Kosten weiter steigen.
Den Eigenanteil fürs Pflegheim können viele bald nicht mehr bezahlen, da die Kosten weiter steigen. © Oliver Berg/dpa

Sachsenweit gibt es über 311.000 Pflegebedürftige. Tendenz steigend. Den Gedanken, selbst einmal auf Hilfe angewiesen zu sein, schieben viele aber beiseite. Dabei kann es von jetzt auf gleich passieren – durch Krankheit, Unfall oder altersbedingt.

Wie viel zahlt die gesetzliche Pflegeversicherung dazu?

Sowohl Beschäftigte als auch Rentner bezahlen jeden Monat Beiträge für die gesetzliche Pflegeversicherung. Tritt der Pflegefall ein, übernimmt diese aber nur einen Teil der anfallenden Kosten – für einen ambulanten Pflegedienst zu Hause etwa oder für die Pflege in einem Heim. Wie viel die gesetzliche Versicherung zahlt, hängt vom Pflegegrad ab (siehe Tabelle). Liegen die tatsächlichen Kosten darüber, müssen Pflegebedürftige diese aus eigener Tasche zahlen.

Mit welchen Kosten müssen Pflegebedürftige rechnen?

„Das herauszufinden, ist die große Schwierigkeit. Es ist ungewiss, ob man überhaupt in ein Pflegeheim kommt. Und wenn ja, wie hoch der eigene Kostenanteil dann ausfällt, da sich verschiedene Faktoren regelmäßig verändern“ sagt Fabian Herbolzheimer, Referent für Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Sachsen. Auch die Betreuung zu Hause koste viel Geld. Eine finanzielle Lücke entsteht in jedem Fall. Bewohner eines Heimes in Sachsen müssen im Schnitt 2.381 Euro im Monat zuzahlen. Die Durchschnittsrente einer Frau lag 2022 gerade mal bei 1.147 Euro, bei Männern bei 1.371 Euro. Das Geld reicht für einen Pflegeplatz also bei weitem nicht aus.

Nach einer Schätzung der Stiftung Warentest liegt die Pflegelücke – sprich der Finanzbedarf – bei einer stationären Unterbringung bei 1.500 Euro im Monat. Das gilt für die Pflegegrade zwei bis fünf, da diese Bewohner alle denselben Betrag im Heim zuzahlen müssen. Bei einer Versorgung zu Hause kann die Pflegelücke noch größer werden. Bei Pflegegrad 1 wird sie auf 150 Euro geschätzt, bei Pflegegrad 2 auf 600 Euro, bei Pflegegrad 3 auf 1.300 Euro sowie bei Pflegegrad 4 und 5 auf 2.600 Euro.

Wer sollte eine private Pflegeversicherung abschließen?

Wer nicht sein Vermögen für die zu erwartenden Pflegekosten verbrauchen oder Angehörige nicht belasten will. „Grundsätzlich ist es sinnvoll, sich für den Fall abzusichern, dass man pflegebedürftig wird“, erklärt Herbolzheimer. „Die Frage ist nur, ob dafür zusätzlich eine Pflegeversicherung nötig ist oder ob man auf andere Weise vorsorgt. Etwa, indem man mehr Geld in die Altersvorsorge steckt und anspart.“

Dafür spricht, dass die Zusatzpolicen nicht gerade preisgünstig sind und das eingezahlte Geld weg ist, sollte jemand nicht zu einem Pflegefall werden. Zudem sei es laut Verbraucherschützern in jüngeren Jahren wichtiger, sich gegen Berufsunfähigkeit zu abzusichern. „Wenn man aber im zu hohen Alter abschließt, sind die Beiträge hoch und es besteht das Risiko, dass man die Versicherung nicht bekommt“, sagt Herbolzheimer. Denn die privaten Krankenversicherer stellen natürlich Gesundheitsfragen.

Welche Möglichkeiten gibt es für die Zusatzversicherungen?

Es gibt drei Varianten – die Pflegerenten-, die Pflegekosten- und die Pflegetagegeldversicherung. Für alle gilt: Wie hoch der monatliche Beitrag ausfällt, hängt einerseits von der Leistung des Vertrages, andererseits vom Alter und Gesundheitszustand des Versicherten ab – je jünger und gesünder, desto günstiger. Wann wie viel Geld ausgezahlt wird, ist Vertragssache. So lässt sich etwa vereinbaren, ob die Versicherung erst ab einem bestimmten Pflegegrad greift und ob sie bei stationärer Versorgung zahlt oder auch bei häuslicher Pflege. „Wichtig ist, Leistungen und Preise mehrerer Anbieter zu vergleichen“ sagt Herbolzheimer.

Wie funktioniert die Pflegerentenversicherung?

Der Versicherte erhält im Falle der Pflegebedürftigkeit eine monatliche Rente – unabhängig von den Pflegekosten. „Die Rente kann durch Überschussbeteiligungen möglicherweise noch aufgestockt werden“, sagt Fabian Herbolzheimer.

Vorteile: Die Versicherungsbeiträge bleiben stabil. Wer beispielsweise mit 50 Euro monatlich startet, behält diese Summe bei. „Etwas anderes gilt nur, wenn eine Dynamik der Leistung vereinbart wird“, sagt Herbolzheimer. Das Geld, das im Pflegefall ausgezahlt wird, steht zur freien Verfügung. Das heißt, es muss nicht zwingend für Pflege ausgegeben werden. Bei finanziellen Engpässen können die Beiträge oft ausgesetzt werden, zudem enden sie bei Pflegebedürftigkeit. Es kann vereinbart werden, dass auch bei einer Kündigung nicht alle Beiträge verloren gehen.

Nachteile: Im Vergleich sind die Beiträge deutlich höher – laut Verbraucherzentrale sogar zwei- bis dreimal so hoch. Das liegt an den hohen Kosten der Versicherer. Die Auszahlung variiert je nach Grad der Pflegebedürftigkeit. Die volle Rente erhalten Versicherte in der Regel erst ab Pflegegrad 4 oder 5. In den niedrigeren Pflegegraden wird die Rente nur anteilig oder gar nicht gezahlt. „Insgesamt hat die Pflegerentenversicherung eher ein schlechtes Kosten-Rendite-Verhältnis“ so Herbolzheimer.

Wie funktioniert die Pflegekostenversicherung?

Der Versicherer übernimmt nur die nachgewiesenen Pflegekosten. Das bedeutet: Der Pflegebedürftige muss zunächst die gesetzliche Pflegeversicherung in Anspruch nehmen (siehe Tabelle), und die Zusatzversicherung kommt dann für den Eigenanteil auf, der noch aussteht – und zwar teilweise oder ganz. Dabei können Versicherte vereinbaren, dass die Restkosten anteilig oder bis zu einer festgelegten Höhe bezahlt werden. „In beiden Fällen müssen Pflegebedürftige also noch einen Teil selbst zahlen. Das macht den Vergleich der Tarife sehr schwierig“, sagt Herbolzheimer.

Vorteile: Die Beiträge sind vergleichsweise gering. Laut Verbraucherzentrale Bund liegen sie dieses Jahr für 50-Jährige zwischen 22 und 80 Euro im Monat. Allerdings: Geringere Beiträge bedeuten meist auch geringere Leistungen.

Nachteile: Übernommen werden in der Regel die Kosten für die reine Pflege. Nur wenige Versicherer kommen auch für Unterkunft und Verpflegung im Heim auf. Bei Pflegegrad 1 wird häufig nichts bezahlt. „Es gibt auch keine Garantie, dass die Beiträge stabil bleiben“, so Herbolzheimer. Und: Bei Kündigung ist das eingezahlte Geld weg.

Wie funktioniert die Pflegetagegeldversicherung?

Versicherte erhalten täglich oder monatlich eine vereinbarte Summe. Wie hoch diese ausfällt, hängt vom Pflegegrad ab. Viele Versicherer zahlen den vollen Tagessatz erst im Pflegegrad 5, andere früher. „Von 37 bis 140 Euro Einstiegsgebühren ist alles möglich“, sagt Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen. Man habe aber festgestellt, dass manche Anfangskalkulationen extrem günstig gewesen seien.

Vorteile: Versicherte können frei über das Geld verfügen. Sie können Pflegeleistungen davon bezahlen, genauso wie eine Hilfe im Haushalt oder den Einkauf.

Nachteile: Die Beiträge sind nicht stabil und steigen oft deutlich. „Bei einer langen Laufzeit kann es sogar zu einer Verdopplung kommen. Dessen muss man sich bewusst sein und schauen, ob man sich die Einzahlungen auch im Ruhestand leisten kann“, sagt Herbolzheimer. Denn wer seinen Vertrag kündigen will, verliert sein bis dahin eingezahltes Geld.

Fördert der Staat die private Pflegevorsorge?

Es gibt den sogenannten Pflege-Bahr. Das sind Pflegetagegeldversicherungen, die pro Monat mit fünf Euro unterstützt werden. „Unter dem Strich rechnet sich das kaum“, sagt Herbolzheimer. Der Vorteil ist jedoch, dass der Gesundheitszustand des Versicherten keine Rolle spielt – oder anders gesagt, niemand darf beim Pflege-Bahr abgelehnt werden. Der monatliche Beitrag muss mindestens zehn Euro betragen und muss auch weiter geleistet werden, wenn die Pflegebedürftigkeit schon eingetreten ist.

Was raten die Verbraucherschützer?

„Das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis bieten in der Regel die Pflegetagegeldversicherungen“, sagt Herbolzheimer. Tatsächlich ist es auch die Form, die am häufigsten gewählt wird. Der Zeitschrift Finanztest zufolge kann solch eine Pflegetagegeldversicherung insbesondere dann sinnvoll sein, wenn man Wohneigentum vererben und sein Vermögen schützen möchte.

Achten sollte man darauf, dass die Versicherung in allen fünf Pflegegraden leistet. „Wichtig sind Fragen nach einer Dynamik, Beitragsfreiheit im Leistungsfall oder weltweitem Versicherungsschutz. Auch Dinge wie Karenz- und Wartezeiten sollte man sich ansehen“, sagt Herbolzheimer. Er rate zum Ansparen und einer guten Altersvorsorge, denn da sei die Vorsorge für die Pflege gleich mit eingeschlossen.

Beispiel-Rechnungen – So viel bringt das Pflegetagegeld:

  • Drei Beispiele sollen verdeutlichen, wie sich das Alter des Versicherten bei Abschluss einer Pflegetagegeldversicherung auswirkt. Allerdings leistet die Versicherung auch nur, wenn der Pflegefall eintritt. Ansonsten ist das eingezahlte Geld weg.
  • Die Ausgangssituation ist immer dieselbe: Tritt der Pflegefall mit Pflegegrad 5 ein, soll die private Pflegezusatzversicherung monatlich 1.500 Euro auszahlen. Versichert ist sowohl die stationäre Unterbringung als auch die Versorgung daheim. Die Beiträge bleiben während der Laufzeit stabil. Die Auszahlung läuft in den Beispielen fünf Jahre, bis der Versicherte mit 90 Jahren stirbt.
  • Fall 1: Ein 40-Jähriger schließt die Police mit einem Monatsbeitrag von 55 Euro ab. Damit zahlt er bis zu seinem 85. Lebensjahr 29.700 Euro ein. In der fünfjährigen Auszahlphase erhält er 90.000 Euro.
  • Fall 2: Ein 55-Jähriger schließt eine Police mit 85 Euro monatlichem Beitrag ab. Bis zum 85. Lebensjahr summieren sich die Einzahlungen auf 30.600 Euro. Das ist bereits deutlich mehr, um auf die Auszahlsumme von 90.000 Euro zu kommen.
  • Fall 3: Ein 65-Jähriger schließt eine Police ab. Angesichts des hohen Alters liegt der monatliche Beitrag bei 140 Euro. Er zahlt insgesamt 33.600 Euro ein und erhält in Summe ebenfalls die 90.000 Euro.
  • Zum Vergleich: Angenommen, der 40-Jährige spart lieber für die Altersvorsorge. Jeden Monat legt er 50 Euro für den späteren Pflegefall an, und die Rendite liegt bei 4 Prozent. Dann erreicht er bis zu seinem 85. Lebensjahr die Summe von rund 74.000 Euro. Dieses Geld steht ihm dann in jedem Fall zur Verfügung – egal, ob er pflegebedürftig ist oder nicht.