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Im Schnitt monatlich 2.381 Euro Zuzahlung fürs Pflegeheim in Sachsen

Die Heimplätze in Sachsen sind schon wieder teurer geworden, zeigt eine Analyse der Ersatzkassen. Daran ändert auch eine höhere staatliche Unterstützung wenig.

Von Sylvia Miskowiec
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Der Eigenanteil für Pflegebedürftige im Heim ist auch in Sachsen weiter gestiegen - trotz höherer Entlastungszuschläge.
Der Eigenanteil für Pflegebedürftige im Heim ist auch in Sachsen weiter gestiegen - trotz höherer Entlastungszuschläge. © Tom Weller/dpa (Symbolbild)

Berlin/Leipzig. In Sachsen leben rund 50.000 Menschen in Pflegeheimen. Die meisten von ihnen zahlen in diesem Jahr erneut mehr für ihren Platz als im Vorjahr. Laut aktuellen Berechnungen des Verbands der Ersatzkassen (vdek) beträgt der Eigenanteil für die stationäre Unterbringung im ersten Jahr im Schnitt 2.381 Euro pro Monat – 197 Euro mehr als Anfang 2023.

Sachsen liegt damit unter dem deutschlandweiten Mittel von 2.576 Euro monatlich. Am meisten müssen Pflegebedürftige im Saarland und in Baden-Württemberg zahlen, am wenigsten in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. Verteuert hat sich der Heimplatz aber überall. „Die Erhöhung spiegelt vor allem die gestiegenen Personal- und Sachkosten wider“, sagt die vdek-Vorstandsvorsitzende Ulrike Elsner. Ein Ende der Teuerungen ist nicht in Sicht. So wird abgesehen von der allgemeinen Inflation auch der Mindestlohn für Pflegekräfte erneut angehoben, ab Mai beträgt er 15,50 Euro pro Stunde, 1,35 Euro mehr als bisher.

Was ist der Eigenanteil?

Zieht ein pflegebedürftiger Mensch in eine Einrichtung, übernimmt seine Pflegeversicherung nur einen Teil der Kosten. Wie viel sie bezahlt, richtet sich nach dem Pflegegrad. Je höher er ist, umso mehr Geld gibt es. Wer etwa den Pflegegrad zwei hat, erhält 770 Euro, beim höchsten Pflegegrad fünf sind es 2.005 Euro monatlich. Den Rest muss der Bewohner übernehmen, das ist der sogenannte Eigenanteil. Der setzt sich zusammen aus den Kosten für die reine Pflege, für Unterkunft und Verpflegung sowie für Investitionen und Ausbildung.

Jede Pflegeeinrichtung kalkuliert ihre Kostensätze regelmäßig selbst und verhandelt mit den Pflegekassen und den Sozialhilfeträgern. Das bedeutet, der Preis für einen Platz variiert von Heim zu Heim. Der vdek ermittelt halbjährlich die durchschnittlichen Eigenanteile. Am höchsten fällt der Eigenbetrag für die reine Pflege aus – im Schnitt 1.401 Euro. Für Unterkunft und Verpflegung werden 745 Euro fällig und für Investitionen 445 Euro. Hier sieht Verbandschefin Elsner Nachbesserungsbedarf. „Würden die Bundesländer ihr politisches Commitment halten und die Investitionskosten übernehmen, würden die Pflegebedürftigen deutlich entlastet.“Entlastungen federn nur wenig ab.

Wie hoch die Eigenanteile in den 711 vollstationären Einrichtungen in Sachsen sind, zeigt unter anderem der Pflegenavigator der AOK. Auf dem Portal können sich Angehörige außerdem zu den Ergebnissen aus den Qualitätsprüfungen des Medizinischen Dienstes informieren. Aufgerufen werden können auch die Qualitätsangaben, die die Einrichtungen selbst melden müssen.

Was hat es mit den Entlastungszuschüssen auf sich?

Um die Belastung für Heimbewohner zu senken, zahlen die Pflegekassen seit 2022 einen Zuschuss zu den Eigenanteilen für die reine Pflege, den sogenannten Entlastungszuschlag – unabhängig vom Pflegegrad. Je länger der Bewohner im Heim lebt, desto höher fällt der Zuschuss aus. Seit Jahresbeginn gelten höhere Unterstützungen. So sinkt der Eigenanteil im ersten Jahr im Heim um 15 Prozent , im zweiten um 30, im dritten um 50 und ab dem vierten Jahr um 75 Prozent. Ohne diesen Zuschuss würde der selbst zu zahlende Anteil in Sachsen im ersten Heim-Jahr im Durchschnitt sogar bei 2.591 Euro im Monat liegen. Durch den Entlastungsbetrag sinkt der Eigenanteil zwar im zweiten Jahr im Schnitt auf 2.171 Euro. Das sind dennoch 215 Euro mehr als im vergangenen Jahr. Und selbst mit größtmöglicher Unterstützung kommt ein Heimbewohner ab dem vierten Jahr auf einen durchschnittlichen Eigenanteil von 1.540 Euro im Monat und damit auf 96 Euro mehr als im Vorjahr.

„Die Entlastungszuschläge kompensieren die Teuerungen bei Weitem nicht“, sagt Sigrid Winkler-Schwarz, Sprecherin der Diakonie Sachsen. Zudem gelten sie nur für den Posten der reinen Pflege, nicht aber für die Investitions- und Unterkunftskosten. „Die Kostensteigerungen in diesem Bereich, etwa für Energie und Brennstoffe, schlagen ebenfalls merklich zu Buche“, sagt Ulrike Novy, Sprecherin der Arbeiterwohlfahrt, wie die Diakonie Träger zahlreicher Pflegeheime in Sachsen.

Was, wenn die Rente nicht reicht?

Jeder Heimbewohner, der seinen Platz nicht selbst bezahlen kann, kann Wohngeld bei der örtlichen Wohngeldbehörde und „Hilfe zur Pflege“ erhalten. „Rund 30 Prozent unserer Heimbewohner sind bereits auf Sozialleistungen angewiesen“, sagt Diakonie-Sprecherin Winkler-Schwarz. Grundsätzlich beteiligt sich das Sozialamt mit der „Hilfe zur Pflege“ nur an den Heimkosten, wenn der Pflegebedürftige, der Ehepartner und die Kinder nicht über ausreichend Einkommen oder Vermögen verfügen. Die Bewilligung erfolgt in der Regel „bis auf Weiteres“.

Laut Verbraucherzentrale kontrolliert das Sozialamt unter anderem alle regelmäßigen Einkünfte des Hilfebedürftigen und Ehepartners in Geld, Renten und Pensionen, Unterhaltszahlungen von Verwandten, Miet- und Pachteinnahmen und Einkünfte aus Kapitalvermögen. Davon abgezogen werden können zum Beispiel Beiträge zur Sozialversicherung und zu gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungen, geförderte Altersvorsorgebeiträge wie Riesterverträge und Werbungskosten. Nicht angerechnet werden unter anderem Pflege- und Schmerzensgeld, Renten oder Beihilfen laut Bundesentschädigungsgesetz.

Was tun bei Preiserhöhungen für den Pflegeheimplatz?

Will das Pflegeunternehmen die Preise erhöhen, muss es besondere Voraussetzungen erfüllen. So muss etwa das Ankündigungsschreiben eine ausreichende Begründung für die Erhöhung, den Umlageschlüssel und die Gegenüberstellung der alten und neuen Kosten enthalten. Diese Vorgaben sind im Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz geregelt. Viele Erhöhungsschreiben seien allerdings fehlerhaft und damit unwirksam, sagt Markus Sutorius, Jurist beim Biva-Pflegeschutzbund. „Bewohner sollten daher immer unter Vorbehalt zahlen und ihre Erhöhung prüfen lassen.“ Das geht beim Biva genauso wie bei der Verbraucherzentrale. Beim Biva ist dafür eine Mitgliedschaft erforderlich, die 62 Euro im Jahr kostet; die Verbraucherzentrale Sachsen verlangt für die Beratung 40 Euro pro Vertrag. Beide können mithilfe des Unterlassungsklagengesetzes gegen die Erhöhung vorgehen, ohne dass Betroffene selbst aktiv werden müssen.

„Bevor ein Heim die Entgelte erhöhen kann, braucht es zudem die Zustimmung des Pflegebedürftigen“, sagt Micaela Schwanenberg von der Verbraucherzentrale Sachsen. Das gelte auch für Empfänger von Sozialhilfeleistungen. „Erfüllt das Pflegeheim die gesetzlichen Pflichten nicht, können Bewohner die Zustimmung verweigern.“ Die Verbraucherzentrale hat dafür einen Musterbrief aufgesetzt. „Möchte das Pflegeunternehmen die Erhöhung dennoch durchsetzen, muss es sie einklagen“, so die Rechtsexpertin. Zudem bestehe bei einer Erhöhung der Heimkosten ein Sonderkündigungsrecht. „Hier ist die Kündigung zu dem Zeitpunkt möglich, zu dem das Pflegeunternehmen die Erhöhung des Entgelts verlangt.“ (mit dpa)

So hoch ist die Belastung eines Heimbewohners in Sachsen

  • Im ersten Jahr gilt ein Entlastungszuschuss von 15 Prozent zur reinen Pflege. Die durchschnittliche Eigenbeteiligung beträgt 2.381 Euro monatlich.
  • Im zweiten Jahr steigt der Entlastungszuschuss auf 30 Prozent. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Eigenanteil von 2.171 Euro.
  • Im dritten Jahr werden Heimbewohner mit 50 Prozent Zuschlag zur reinen Pflege unterstützt. Der Eigenanteil liegt durchschnittlich bei 1.891 Euro.
  • Ab dem vierten Jahr im Pflegeheim liegt der Entlastungszuschuss bei 75 Prozent. Heimbewohnern müssen im Mittel 1.540 Euro Eigenanteil zahlen. Quelle: devk