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„Jeder kann sich um sieben Jahre verjüngen“

Das Altern aufhalten und sogar zurückdrehen? Jeder kann das schaffen, ist Professor Sven Voelpel überzeugt. Dabei spielen Zellen, die sich selbst verdauen, eine große Rolle.

Von Sylvia Miskowiec
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Sven Voelpel wurde 1973 in München geboren. Sein Großvater hatte ein Unternehmen für Heil- und Arzneipflanzen gegründet, was Voelpel früh in Kontakt mit Themen rund um Ernährung und Gesundheit brachte.
Sven Voelpel wurde 1973 in München geboren. Sein Großvater hatte ein Unternehmen für Heil- und Arzneipflanzen gegründet, was Voelpel früh in Kontakt mit Themen rund um Ernährung und Gesundheit brachte. © Speakers Excellence

Wer will nicht gern sieben Jahre auf dem Lebenszeitkonto gutgeschrieben haben – und das auch noch binnen sieben Wochen? Professor Sven Voelpel verspricht genau das in seinem neuen Buch. Der 50-jährige Betriebswirtschaftler hat seit vielen Jahren ein reges Interesse für Altersforschung und mit „Die Jungbrunnen-Formel“ und „Entscheide selbst, wie alt Du bist“ bereits mehrere Spiegel-Bestseller übers Jungbleiben geschrieben. Jetzt ist ein Kochbuch dran, in dem der Autor seinen „Meta-Ernährungscode“ erklärt.

Herr Professor Voelpel, sich sieben Jahre zu verjüngen, klingt nach einem ziemlich ambitionierten Ziel ...

Ja, es ist aber gar nicht so schwer – jeder kann das! Der Meta-Ernährungscode ist wissenschaftlich untermauert. Er fasst aktuelle Forschung und das Beste aus allen Ernährungsformen zusammen. So haben mehrere Studien gezeigt, dass gesunde Ernährung und Bewegung sich schon nach wenigen Wochen verjüngend auf Zellen auswirken. Bereits nach dem ersten Tag! Unsere Körperzellen reagieren sofort, zum Beispiel im Darm. Da leben Millionen guter, aber auch schlechter Bakterien. Die schlechten gehen drauf, wenn wir sie nicht mehr nähren, sondern gesund essen. Das bringt ein Jahr Lebensplus. Wer mit weniger energiereicher Nahrung zudem sein Gewicht reduziert, gewinnt noch ein Jahr.

Was heißt gute Ernährung für Sie?

Zuallererst: Fleisch und Milchprodukte gegen pflanzliche Produkte auszutauschen sowie auf industriell gefertigte Lebensmittel zu verzichten. Leber und Nieren werden es uns danken! Denn so gelangen weniger Hormone, Antibiotika, Süßstoffe und Konservierungsmittel in unseren Körper. Wieder ein Jahr mehr. Zudem plädiere ich dafür, Pflanzen ganz zu nutzen. In Apfel-, Zitronen- und Orangenschalen stecken zig Wirkstoffe, in der Bananenschale ebenso.

Bananenschalen? Meinen Sie das ernst?

Klar! Sie sind reich an Magnesium, Vitamin B12 und B6, Kalium, Phosphor und Folsäure. Bio kaufen, gut waschen und ab in den Mixer damit, wenn man einen Smoothie zubereitet. Dasselbe gilt für Karottengrün oder Kohlrabiblätter.

In Ihrem Buch finden sich nur vegane Rezepte. Worin liegt das Besondere an pflanzlicher Kost?

Pflanzen versorgen uns zum Beispiel mit vielen Antioxidantien, die unseren Zellen Stress ersparen und Entzündungen reduzieren. Ein simples Beispiel: Wir ähneln in unseren Genen zu fast 99 Prozent Affen. Doch Menschenaffen erkranken so gut wie nie an Krebs. Sie sind überwiegend Pflanzenfresser, ein ganz großer Unterschied zur Mehrheit der Menschen. Wir dagegen essen nicht nur tierische Produkte, sondern auch viel zu viel Zucker und einfache Kohlenhydrate, die zum Beispiel im Weißbrot stecken. Der Meta-Ernährungscode setzt stattdessen auf komplexe Lebensmittel, die der Körper erst mal aufspalten muss. Wir bleiben also länger satt und der Blutzuckerspiegel fährt nicht Achterbahn. Zudem liefern uns Pflanzen, Hülsenfrüchte und Nüsse einfach und mehrfach ungesättigte Fettsäuren. Diese helfen, unser Cholesterin in Schach zu halten, und beugen so Herz-Kreislauf-Erkrankungen vor. Unterm Strich bedeuten Zuckerverzicht, Antioxidantien und die durch Pflanzen basischere Ernährung rund drei Jahre mehr Leben!

In der "Herzhaften Rote-Bete-Suppe mit Kidneybohnen und Cornichons" stecken viele Antioxidantien aus der Roten Bete sowie gute Ballaststoffe und Proteine aus den Bohnen.
In der "Herzhaften Rote-Bete-Suppe mit Kidneybohnen und Cornichons" stecken viele Antioxidantien aus der Roten Bete sowie gute Ballaststoffe und Proteine aus den Bohnen. © Jan-Peter Westermann
Die "Deftige Grünkohlpfanne mit weißen Bohnen" liefert mit dem Wintergemüse Grünkohl Vitamin A, C, E und K sowie B-Vitamine und antioxidative Pflanzenstoffe plus viel Eisen, Kalzium, Magnesium, Zink und Eiweiß.
Die "Deftige Grünkohlpfanne mit weißen Bohnen" liefert mit dem Wintergemüse Grünkohl Vitamin A, C, E und K sowie B-Vitamine und antioxidative Pflanzenstoffe plus viel Eisen, Kalzium, Magnesium, Zink und Eiweiß. © Jan-Peter Westermann
Die heimlichen Stars im "Bunten Gurken-Avocado-Salat" sind das Bund Koriandergrün und der Senf. Kräuter und Gewürze haben in Voelpels Küche Superhelden-Status, weil sie antientzündlich und antibakteriell wirken sowie viele Mikronährstoffe mitbringen.
Die heimlichen Stars im "Bunten Gurken-Avocado-Salat" sind das Bund Koriandergrün und der Senf. Kräuter und Gewürze haben in Voelpels Küche Superhelden-Status, weil sie antientzündlich und antibakteriell wirken sowie viele Mikronährstoffe mitbringen. © Jan-Peter Westermann

Sie schreiben über „Superhelden in der Küche“. Wen meinen Sie da?

Kräuter, Algen und Knollen wie Ingwer und Knoblauch. Brunnenkresse etwa ist supergesund, weil sie in hoher Konzentration 17 Nährstoffe enthält. Salbei wirkt antiseptisch und hilft bei der Entgiftung des Körpers, Thymian ist entzündungshemmend. Und das Beste: Wir können die alle ohne viel Aufhebens zu Hause anpflanzen! Oder Brennnessel, Löwenzahn und Spitzwegerich einfach unterwegs abzupfen, uns also kostenlos versorgen! Um die 50 Gramm Kräuter pro Tag sollten es schon sein. Ich mag außerdem Gewürze sehr gern. Zimt, Pfeffer und Kurkuma sind ganz vorn dabei, wenn es darum geht, der Zellalterung ein Schnippchen zu schlagen. Zudem ersetzen sie mit ihrem Aroma zu viel Zucker und Salz in Gerichten.

Auch das Fasten bezeichnen Sie als wahren Jungbrunnen. Warum?

Weil es uns ungefähr zwei Jahre mehr auf der Lebensuhr bringt. Fasten setzt den Prozess der Autophagie in unserem Körper in Gang. Unsere Zellen beginnen dann vermehrt, ihr eigenes kaputtes oder unnötiges Zellmaterial abzubauen, um daraus Energie zu gewinnen. Mit dieser Selbstverdauung schaffen sie außerdem Platz für neue Zellen. Insulin allerdings, das produziert wird, wenn wir etwas essen, hemmt diesen Prozess. Daher müssen wir Pausen zwischen den Mahlzeiten einlegen. Der japanische Wissenschaftler Yoshinori Osumi hat 2016 übrigens den Nobelpreis für seine Erkenntnisse zur Autophagie bekommen.

Wie lange muss man denn hungern?

Ach, mit Hungern hat das nichts zu tun. Die Autophagie kommt schon in Gang, wenn man zwölf bis 16 Stunden nichts isst. Zu dieser Zeit zählt natürlich auch die Nacht. Wer also ein frühes Abendessen vor 19 Uhr und am nächsten Tag erst ein spätes Frühstück zu sich nimmt, hat schon viel gewonnen, ohne wirklich zu hungern. Dieses Essverhalten ist auch unter dem Namen Intervallfasten bekannt. Natürlich ist das Heilfasten noch intensiver, wenn wir eine Zeit lang nur Flüssigkeiten zu uns nehmen. Aber das muss wie gesagt gar nicht sein.

Sie raten ganz offen zu Nahrungsergänzungsmitteln, die Sie „Vitalstoffe“ nennen. Das ist umstritten. Wer sich abwechslungsreich ernährt, braucht sie nicht, heißt es.

Ich kenne keinen Altersforscher, der nicht auf Vitalstoffe setzt. Wieso? Oft liefert unser Essen gar nicht mehr genug Mikronährstoffe. Unsere Böden etwa sind ausgelaugt. Zink und Selen sind viel seltener in heutiger Nahrung vorhanden als noch in den 80er-Jahren. Unser Wasser enthält mittlerweile Spuren von Medikamenten und Hormonen, die nicht weggefiltert werden können. Außerdem haben wir viel mehr Stress als noch Generationen vor uns, wodurch unser Bedarf an Mikronährstoffen gestiegen ist. Allerdings sind Vitamine, Enzyme und Mineralien nur kurze Zeit im Blut wirksam. Um etwa beim Intervallfasten dennoch stets gut versorgt zu sein, eignen sich Vitalstoffe, am besten morgens vor dem Frühstück und abends. Jedoch rate ich zu einem Check beim Arzt, wenn man Vorerkrankungen hat oder noch anderweitig Medikamente nimmt. Und natürlich sollte man auf hochwertige Präparate seriöser Hersteller ohne Abnahmeverpflichtung setzen. Gute Vitalstoffe kommen zudem ohne chemische Zusatzstoffe aus und sind aus biologisch kontrolliertem Anbau.

Angenommen, drei von sieben Wochen Ernährungsumstellung sind rum. Wie besiege ich meinen inneren, nach Schokolade gierenden Schweinehund und halte weiter durch?

Das ist einfacher, als man denkt. Denn anfangs können wir uns oft nicht vorstellen, wie wohl wir uns fühlen, wenn wir uns gesund ernähren. Wer einmal gespürt hat, wie wach man ist beim Fasten, wie fit man sich fühlt nach einer Woche gesundem Essen und Bewegung, der freut sich. Außerdem geht es in meinem Buch ums Genießen! Wir müssen das manchmal neu lernen. Etwa, dass die Kakaobohne Hunderte Geschmacksstoffe enthält, die Schokolade aus dem Supermarkt dagegen hauptsächlich geschmackloses gehärtetes Fett und Zucker. Zudem ist der Mensch ein Gewohnheitstier. Routinen wie die, morgens erst einmal ein Zitronenwasser zu trinken, schleifen sich ein. Ich habe auch eine Jungbrunnen-App entwickelt, die hilft beim Durchhalten. Und einen kostenlosen Alterstest, der zeigt, wie alt man wirklich ist und wie viele Jahre man noch gewinnen kann. Wir sollten uns immer mal wieder für unsere Erfolge feiern, sie wertschätzen und nicht ständig auf dem rumdenken, was wir noch nicht geschafft haben! So schaffen wir schnelle und gleichzeitig nachhaltige Veränderungen.

Sven Voelpel: „7 Jahre jünger in sieben Wochen“, Becker Joest Volk Verlag, 192 Seiten, 28 Euro