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Diese gentechnisch veränderten Lebensmittel finden Verbraucherschützer in Supermärkten

Vor allem Süßigkeiten sind gentechnisch verändert. Ein neues EU-Gesetz soll es künftig noch schwerer machen, solche Produkte zu erkennen.

Von Kornelia Noack
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Wer nicht versehentlich zum „Gen-Food“ greifen will, sollte aufs Kleingedruckt achten.
Wer nicht versehentlich zum „Gen-Food“ greifen will, sollte aufs Kleingedruckt achten. © Verbraucherzentrale Hamburg

Gentechnisch veränderte Lebensmittel – bei diesem Gedanken ist vielen Kunden in Deutschland unwohl. Und doch ist „Gen-Food“ schon heute in vielen Supermärkten erhältlich. Das zeigt eine Stichprobe, die die Verbraucherzentrale Hamburg im Mai und Juni gemacht hat.

Dabei fand sie 24 Produkte mit Zutaten aus Mais, Soja und Zuckerrüben, deren Erbgut mithilfe von Genen anderer Organismen verändert worden ist. Es handelt sich dabei vor allem um internationale Süßwaren, Riegel oder Snacks der Marken Reese’s, Hershey, Nerds, Mike and Ike sowie Sour Patch von Mondelez, die besonders bei jungen Kunden sehr beliebt sind.

Was sagen Sie Händler?

Kommt diese sogenannte alte Gentechnik zum Einsatz, müssen Lebensmittel nach EU-Recht gekennzeichnet werden. Auch die gefundenen Produkte waren entsprechend markiert – obwohl Rewe, Edeka sowie weitere größere Lebensmittelhändler der Verbraucherzentrale zugesichert hatten, kein „Gen-Food“ anzubieten. Aber: Von selbstständigen Kaufleuten geführte Rewe- und Edeka-Märkte können ihr Sortiment nach eigenem Ermessen ergänzen.

Auch in vielen Candy-Shops seien gentechnisch veränderte Lebensmittel im Verkauf. Dabei sei jedoch teilweise die Kennzeichnung mangelhaft oder es fehlten deutsche Übersetzungen für die Zutaten.

Andere Länder - andere Regeln

Die meisten genetisch veränderten Lebensmittel, die die Verbraucherschützer gefunden haben, stammen von Unternehmen aus den USA. Dort ist der kommerzielle Anbau von mit alter Gentechnik gezüchteten transgenen Pflanzen wie Soja, Mais oder Zuckerrüben seit Langem erlaubt. „Wir denken, dass Eltern gerne wissen möchten, ob in den Süßwaren gentechnisch veränderte Inhaltsstoffe sind oder nicht“, sagt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg. „Nur dank der Kennzeichnung haben sie eine Wahl.“

Allerdings könnte sich das bald ändern. Die EU-Kommission scheint die Deklarationspflicht aufweichen zu wollen, mahnt die Verbraucherzentrale Hamburg. Der Gesetzentwurf, der Anfang Juli veröffentlicht werden soll, erwäge ein Ende der Kennzeichnungspflicht von Produkten, wenn das Erbmaterial ihrer Rohstoffe durch die sogenannte neue Gentechnik gezielt verändert wurde. Im Fokus steht dabei die Crispr/Cas-Methode (gesprochen: Krisper Kas).

Kunden wünschen sich Wahlfreiheit

Die vor gut zehn Jahren entdeckte „Genschere“ steuert gezielt Gene an, die für eine bestimmte Eigenschaft verantwortlich sind. Der Genstrang wird an einer bestimmten Stelle geschnitten und dann vom zelleigenen Reparatursystem wieder zusammengefügt. Dadurch entstehen Veränderungen im Erbgut, die auch auf natürliche Weise auftreten können. Im Gegensatz zur alten Gentechnik wird kein fremdes Erbmaterial eingebaut.

Verbraucherschützer fürchten nun, dass veränderte Lebensmittel künftig auch ohne explizite Auszeichnung den Weg auf den Markt finden. „Damit missachtet die EU-Kommission das Vorsorgeprinzip und den Wunsch vieler Kunden nach der Wahlfreiheit“, sagt Armin Valet. Denn die Mehrheit der Deutschen lehne gentechnisch veränderte Lebensmittel ab.

Außerhalb der EU wird die neue Gentechnik teilweise schon ohne Risikobewertung oder Kennzeichnungsvorgaben zugelassen. In den USA sowie Kanada hat man etwa zu Forschungszwecken eine Rapssorte gezüchtet, die gegen ein bestimmtes Unkrautbekämpfungsmittel resistent ist. Auch bei Kartoffeln, Mais, Reis und Weizen sind Freisetzungsversuche nicht ausgeschlossen. „Ob es sich um neue oder alte Gentechnik handelt, ist unerheblich. „Es muss draufstehen, was drin ist“, so Valet.

Kennzeichnungspflicht hat Lücken

Seit 2004 ist in der Europäischen Union die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Zutaten bei Lebensmitteln Pflicht. Laut den Verbraucherschützern gilt die sogenannte prozessorientierte Kennzeichnung: Wenn gentechnisch veränderte Zutaten bei der Herstellung eingesetzt werden, müssen sie gekennzeichnet sein, auch wenn sie nicht mehr im Lebensmittel nachweisbar sind.

Enthält ein Lebensmittel oder eine einzelne Zutat mehr als 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Anteile, muss es in der Zutatenliste, auf dem Etikett oder auf einem Schild in der Kantine oder an der Theke als „gentechnisch verändert“ gekennzeichnet werden.

Es gibt jedoch Lücken im Kennzeichnungssystem. Werden Zusatzstoffe, Enzyme oder Vitamine mithilfe von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt, muss auf Lebensmitteln, die diese Zutaten enthalten, keine Kennzeichnung erfolgen. Dasselbe gilt für Fleisch, Fisch und Eier, wenn sie von Tieren stammen, die gentechnisch verändertes Futter gefressen haben.