Leben und Stil
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Weingut Hoflößnitz: „Wir feiern den Wein“

Der Chef der Hoflößnitz in Radebeul, Jörg Hahn, über Traditionen und Feste, rote und schwarze Zahlen sowie die Kunst, ein Weingut biologisch zu betreiben.

Von Olaf Kittel
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Vor ein paar Jahren setzte sich Jörg Hahn gegen 40
Bewerber durch und wurde Geschäftsführer
der Weingut Hoflößnitz
GmbH und der Stiftung
Hoflößnitz. Er stammt aus Jena, lebt seit 1980
in Dresden.
Vor ein paar Jahren setzte sich Jörg Hahn gegen 40 Bewerber durch und wurde Geschäftsführer der Weingut Hoflößnitz GmbH und der Stiftung Hoflößnitz. Er stammt aus Jena, lebt seit 1980 in Dresden. © Thomas Kretschel

Herr Hahn, den Weinbau in der Hoflößnitz gibt es seit über 600 Jahren. Wie lebt es sich als Geschäftsführer mit einer so großen Vergangenheit?

Ich gehe schon mit einer gewissen Ehrfurcht an die Arbeit und versuche, das Besondere in der Vergangenheit zu sehen, um für die Zukunft das Beste zu schaffen. Deshalb haben wir für uns auch die Leitlinie definiert: Innovation aus Tradition.

Die Hoflößnitz nennt sich heute „Zentrum der sächsischen Weinkulturlandschaft“. Was darf man sich darunter vorstellen?

Die Hoflößnitz hat früher maßgeblich den sächsischen Weinbau bestimmt. Allein durch den Erlass des Kurfürsten von 1588, in dem die Württembergische Weinerziehung eingeführt wurde – also Regeln für den Umgang mit dem Rebstock. Carl Pfeiffer richtete Anfang des 20. Jahrhunderts nach der Reblaus-Katastrophe die erste Rebversuchsanstalt ein. Jahrhundertelang sind hier die Maßstäbe gesetzt worden.

In der Hoflößnitz werden seit Jahrhunderten auch Feste gefeiert. Wie sahen die aus zu Zeiten Augusts des Starken?

Die Hoflößnitz war damals eine geschlossene Hofanlage mit dem sehr repräsentativen Lust- und Berghaus auf zwei Etagen mit den wunderschönen Wand- und Deckenmalereien, mit Funktionsgebäuden für das Personal, Stallungen für die Pferde. Die Hoflößnitz wurde nicht ständig bewohnt, sondern für den Kurfürsten jeweils für einige Tage hergerichtet, wenn er hier Jagd-, Wein- oder Hoffeste feierte.

Was ging denn ab auf einem solchen Fest?

Vier, fünf Tage vorher kamen mehrere Pferdefuhrwerke mit Geschirr, Besteck, Möbeln. Die Lieferanten aus Moritzburg und Kötzschenbroda lieferten Federvieh, Fisch, Fleisch und Gemüse. Der Kurfürst und sein Gefolge hielten dann mit ihren Gästen mehrere Tage lang Hof – entweder im Freien oder im Festsaal.

In der Hoflößnitz wird auch heute unentwegt gefeiert.

Ja, im August und Oktober gibt es Hoffeste. Wir haben im Festsaal eine Kammermusikreihe. Viele Paare feiern hier ihre Hochzeit. Aber Sie können auch einfach ein Gläschen genießen oder in der neuen Touristikzentrale in der Vinothek einen Wein von uns oder vielen anderen sächsischen Winzern probieren. Ja, wir feiern hier den Wein.

Sie haben den Winzerzug wieder aufleben lassen.

Er gehört zu unseren großen Traditionen. Der erste fand 1715 unter dem Kurfürsten Johann Georg statt. Damals defilierten die Winzer der Umgebung um seine Tafel. 300 Jahre später haben wir ihn neu belebt. Aus dem sächsischen wurde ein gesamtdeutscher Winzerumzug mit 1.000 Teilnehmern und 50.000 Besuchern. Vielleichtgibt es 2020 eine Neuauflage.

Bleibt bei der Feierei genug Zeit für den Weinbau?

Ich denke schon, wir sind ein gut organisiertes Team. Unser Kellermeister Felix Hößelbarth ist für den Weinbau und die Keller verantwortlich. Ein sehr guter Profi.

Die Hoflößnitz gehörte in der DDR zu den ganz großen Erzeugern. Was hat sich seither verändert?

Zu DDR-Zeiten war die Hoflößnitz kein eigenständiges Weingut. Die Anlagen gehörten zum VEG (Z) Radebeul (heute Staatsweingut Wackerbarth) und bildeten dort die sogenannte Brigade Ost. Nach der Wende wurde die Anlage an die Stadt Radebeul rückübertragen. Seit 1998 sind wir das erste und noch immer einzige zertifizierte, biologisch arbeitende Weingut in den neuen Bundesländern. Das heißt, wir düngen in den Weinbergen ausschließlich mit Kompost, Mist und Humus. Wir setzen keine synthetischen Mineraldünger ein. Wir verzichten auf tiefenwirksame Pflanzenschutzmittel und nutzen dafür zum Spritzen Fenchelöl, Schachtelhalmextrakte und verschiedene Kräuterauszüge.

Zudem konzentrieren wir uns auf pilzresistente Rebsorten wie Souvignier Gris, Johanniter oder die Rotweinsorten Cabernet und Regent, nachdem uns im Winter 2009 mehr als die Hälfte unserer Rebstöcke erfroren sind. Die neuen müssen nun viel weniger gespritzt werden.

Wo sehen Sie Ihr Weingut im sächsischen Qualitätsranking?

Wir sind gut vorangekommen. Nimmt man die vielen Medaillen bei der Landesweinprämierung zum Maßstab, dürfen wir uns heute im oberen Bereich einordnen. Allerdings nicht im Premiumbereich. Dahin wollen wir auch nicht. Wir wollen gute, saubere, klare Weine mit etwas Mineralität. Weine, die bezahlbar bleiben.

Kaufen Sie Wein dazu?

Von Winzern aus Sachsen, denen wir Flächen verpachten, kaufen wir konventionell erzeugten Wein dazu – Ausbau und Vermarktung erfolgen separat.

Von außerhalb nicht?

Nicht für Weine, wo Sachsen draufsteht. Wir produzieren unter dem Patronat unseres Kellermeisters auch Weine, die aus anderen deutschen Anbaugebieten zugekauft werden. Die sind übrigens bio und vegan.

Was sagen Sie zum Weinskandal? Sind Sie sauer auf die Kollegen?

Ich bin nicht sauer. Die Probleme sind entstanden durch das Fehlverhalten einiger weniger, unter denen nun die gesamte Winzerschaft leidet. Aber ich denke, dass wir alle jetzt nach gemeinsamen Qualitätsstandards suchen müssen. Dabei dürfen wir aber die 1.800 Hobbywinzer nicht vergessen. Sie erhalten die wenig wirtschaftlichen Steillagen am Leben, sie pflegen die Terrassen. Wir müssen daher eine Lösung finden, die für Hobbywinzer Zukauf von Weinen und Qualitätssicherung wirtschaftlich vertretbar macht. Sonst gefährden wir unsere Kulturlandschaft.

Jahrelang schrieb die Hoflößnitz rote Zahlen. Wie steht es aktuell?

Im vergangenen Jahr hatten wir zum ersten Mal schwarze Zahlen. Wir produzieren heute zehnmal mehr Wein als 2009. Die Arbeit der letzten Jahre trägt Früchte.

Wo in Ihrem Weingut genießen Sie in einer ruhigen Minute den Erfolg?

Kommt selten vor. Aber wenn, dann sitze ich am liebsten mit einem Glas Schieler auf unserer Kastanienterrasse und freue mich am schönen Blick über Radebeul.

  • Dieser Text ist bereits am 28. Juni 2016 in der Printausgabe der Sächsischen Zeitung erschienen.