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Wie gut sind Sachsens Weine wirklich?

Sommelier Matthias Dathan testet die hiesigen Weine seit 20 Jahren für die großen Weinführer und spricht über Qualität, Preise und Visionen.

Von Olaf Kittel
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Matthias Dathan ist 49 Jahre alt und gebürtiger Dresdner. Seit 20 Jahren testet er sächsische Weine für den Weinguide Gault Millau, jetzt für das Vinum-Magazin.
Matthias Dathan ist 49 Jahre alt und gebürtiger Dresdner. Seit 20 Jahren testet er sächsische Weine für den Weinguide Gault Millau, jetzt für das Vinum-Magazin. © kairospress

Matthias Dathan lebt in Berlin, ist aber privat und geschäftlich immer wieder in Sachsen unterwegs. Nach einer Karriere als Sommelier in deutschen Spitzenrestaurants arbeitet der gebürtige Dresdner jetzt für einen Vertrieb ausländischer Weine. Wir trafen ihn zum Gespräch in Radebeul.

Herr Dathan, Sie haben gerade die sächsischen Weine des Jahrgangs 2021 für das Vinum-Magazin getestet. Bitte erklären Sie, wie Sie es hinbekommen, so viele Weine zu verkosten.

Das Verkosten zieht sich über zwei Monate hin, so schlimm ist das also nicht. Gegenwärtig nehmen etwa 15 Winzer aus Sachsen teil, die bis zu zwölf Weine einsenden. Ich verkoste dann maximal 25 Weine auf einmal, möglichst morgens zwischen zehn und zwölf Uhr, dann sind alle Sinne am sensibelsten.

Schmecken Sie einen sächsischen Wein sofort?

Ja, wenn er sich durch die typische mineralische Komplexität auszeichnet. Und klar, man trinkt sich über die Jahre in diesen Geschmack ein.

Der Weinjahrgang 2021 gilt als nicht besonders guter, der Landesweinwettbewerb ist dieses Jahr ausgefallen. Hat sich das beim Verkosten bestätigt?

Gesamtdeutsch gesehen gar nicht. Da ist der Jahrgang ein recht guter, weil nach den sehr heißen und trockenen Sommern 2019 und 2020 im Jahr 2021 wieder ein sehr frischer Wein mit guter Säurestruktur entstanden ist. Ich kann deshalb nur jedem empfehlen, sich mit restsüßen Mosel-Rieslingen vom Jahrgang 2021 einzudecken. Sie werden für Jahrzehnte qualitätsbestimmend sein. In Sachsen stellt sich das ein bisschen anders dar, einige Winzer hatten schon mit der Säurestruktur Probleme. Sie haben dann entsäuert, das schmeckt man etwas. Aber auch hier gab es gute Weine, nur wenige Güter haben schlechtere.

Johnniter-Trauben reifen im Weinberg der Saechsischen Landesstiftung Umwelt und Natur unterhalb der Albrechtsburg in Meissen.
Johnniter-Trauben reifen im Weinberg der Saechsischen Landesstiftung Umwelt und Natur unterhalb der Albrechtsburg in Meissen. © Norbert Millauer

Die frühen Sorten fielen schwächer aus, die späten und komplexeren dagegen sind gut geworden. Stimmt der Eindruck?

Zum Teil. Gewonnen haben die, die ohnehin durch ihre Säurestruktur auffallen: Riesling, Scheurebe, Bacchus zum Beispiel.

Als erfahrener Sommelier und Weintester können Sie uns sicher sagen, wo der sächsische Wein heute im deutschen Vergleich steht.

Sachsen hat sich als ein Weinbaugebiet etabliert, das qualitativ mit vielen anderen mithalten kann. Die Struktur des Weinbaus ist allerdings mit keiner anderen Region vergleichbar. Die 500 Hektar Anbaufläche verteilen sich auf die drei großen Betriebe Schloss Wackerbarth, Schloss Proschwitz und die Fläche der Winzergenossenschaft Meissen sowie auf viele Klein- und Kleinstwinzer. Das ist für die Kleinen wirtschaftlich schwierig, zumal sie kaum auf jahrzehntelange Traditionen verweisen können.

Weinfeste am Wochenende:

30. Herbst- und Weinfest Radebeul gemeinsam mit Internationalem Wandertheaterfestival :

Eintritt: Samstag, 24.9., 9 Euro, ermäßigt 5 Euro, Familien 19 Euro

Sonntag, 25.9. , 7 Euro, ermäßigt 4 Euro, Familien 15 Euro

Kinder bis 6 Jahre frei.

Programm und Infos hier

Weinfest in Meißen:

Eintritt: frei

Festumzug am Sonntag, 25.9., ab 10 Uhr

Programm und Infos hier

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Sie testen seit 20 Jahren den hiesigen Wein. Was hat sich in dieser Zeit in der Qualität getan?

In den 90er-Jahren wurden viele Weingüter gegründet, sie haben alle was ausprobiert und mussten ihren Weg finden. Viele haben sich über die Qualität ihrer Weine keinen allzu großen Kopf gemacht. Motto: „Rarität aus Sachsen“. Das bisschen Wein wird schon ausgetrunken. Wenn Gäste damals aus dem Westen kamen und sich hier eine Flasche kauften ……

den Goldriesling zum Beispiel …

… ja, genau – und die Flasche dann daheim ausgetrunken haben, dachten sie: Ganz schön sauer und dafür ganz schön teuer. Wahrscheinlich ist es dann bei der einen Flasche geblieben. Ich kann mich auch noch an die ersten Jungweinproben in den 90er-Jahren erinnern. Bis dahin kannten wir Weinfehler nur aus Büchern, dort waren sie alle vertreten: der Geranienton, Pappgeschmack und so weiter. Das hat sich zum Glück sehr verändert.

Und wie?

Es sind heute saubere, trinkbare Weine auf einem gewissen Niveau, kellertechnisch deutlich weiterentwickelt. Es gibt kaum noch Weine, von denen wir sagen: Sieht aus wie Riesling, riecht wie Riesling, schmeckt aber wie Weißburgunder.

Goldriesling-Lese im Weingut Karl-Friedrich Aust in Radebeul.
Goldriesling-Lese im Weingut Karl-Friedrich Aust in Radebeul. © Norbert Millauer

Gibt es sächsische Spitzenweine?

Ja, absolut. Noch aber ist es eine Überraschung, wenn es ein sächsischer Wein in die Bundesfinalprobe schafft. Sie müssen dafür weit mehr als 90 Vinum-Punkte bekommen – und sich dann mit den besten Gewächsen aus größeren Weinbaugebieten messen.

Welchen Einfluss wird der Klimawandel auf die Qualität der sächsischen Weine haben?

Die Weingüter müssen sich darauf einstellen, dass es heißer wird. Ich bin aber skeptisch, dass wir hier in 20 Jahren ganz andere Rebsorten in den Weinbergen haben.

Der Chardonnay von Martin Schwarz bleibt die Ausnahme?

Ja, wir werden hier auch nicht flächendeckend Rotweinsorten finden. Es geht eher um weinbautechnische Maßnahmen, zum Beispiel um mehr Bewässerung oder um Laubarbeit und Begrünung in den Weinbergen.

In Ihrem Testbericht für das Vinum-Magazin haben Sie kritisiert, dass den sächsischen Winzern oft die Vision fehlt. Warum ist das so?

Da muss man eigentlich die Winzer fragen. Ich beobachte aber seit Jahren, dass aus den früheren Jungwinzern gestandene Fachleute geworden sind, die ihren Weg gefunden haben und nun immer die gleiche Qualität produzieren. Sie wagen nicht mehr den Blick in die Zukunft.

Wie würde denn eine solche Vision aussehen, wenn Sie jetzt als Winzer neu anfangen würden?

Ich würde mich beschränken auf maximal vier Rebsorten und mir eine klare Ausrichtung vorgeben, wo ich mit der Qualität hin möchte. Wie zum Beispiel Jaques du Preez in Nieschütz, der ein neues Sektgut gegründet hat, mit wenigen Sorten und dem Ziel, perspektivisch nur sächsischen Wein zu verwenden. Oder: Ich betreibe Weingastronomie und benötige dafür zehn Weinsorten. Dann ist diese klare Ausrichtung auch in Ordnung. Aber ich akzeptiere durchaus, wenn der Dresdner Lutz Müller seine Weine zu 90 Prozent in seiner Wirtschaft verkauft und daran nichts ändern will.

In welchen Gütern sehen Sie eine Vision?

Zum Beispiel bei Stefan Bönsch. Er hat eine Qualitätspyramide entwickelt: Unten die Basisweine für den täglichen Genuss, darüber die Weine, welche den Ort repräsentieren, an welchem sie gewachsen sind. Und darüber die absolute Qualitätsspitze einer einzelnen Weinbergslage, die auch geschmacklich einzuordnen ist.

Die Sächsische Weinkönigin Sabrina Papperitz stammt aus Radebeul.
Die Sächsische Weinkönigin Sabrina Papperitz stammt aus Radebeul. © Claudia Hübschmann

Sehen Sie an Saale und Unstrut mehr Bewegung als in Sachsen?

Grundsätzlich ja. Die Winzer haben dort andere Bedingungen: Sie konnten ihre Flächen einfacher erweitern, sie haben heute eine stabilere wirtschaftliche Größe. In vielen Gütern fand auch schon der erste Generationswechsel nach der Wende statt. Eine interessante Entwicklung nimmt zum Beispiel das Weingut Böhme und Töchter.

Welche Winzer in Sachsen zählen Sie heute zur Spitze?

Die großen Betriebe mit Schloss Wackerbarth und Proschwitz. Von den kleineren Betrieben zähle ich Stefan Bönsch, Martin Schwarz, Klaus Zimmerling und Friedrich Aust dazu.

Und wer gehört künftig dazu?

Nicht leicht zu sagen. Andreas Kretschko traue ich einiges zu, auch Karsten Lindhardt macht in Pillnitz sehr gute Arbeit.

Die sächsischen Weine kosten in der Mehrzahl zwischen zehn und zwanzig Euro, leider nicht nur die guten. Wo liegt da Sachsen im Bundesvergleich?

Schon sehr an der Spitze. Sächsische Winzer begründen das gern mit den vielen Steillagen. Aber die haben die Winzer an der Mosel auch.

Was können Kunden tun, um die guten Weine von den höchstens durchschnittlichen zu unterscheiden?

Da hilft ein Besuch beim Winzer.

Um dort zu kosten?

Ja, auch. Die Besucher sollten sich vom Winzer erzählen lassen, was er da so macht im Weinberg und sich davon überzeugen, dass da ganz sicher kein industrielles Produkt entstanden ist.

Mit diesem Wissen schmeckt der Wein dann noch besser?

Das muss jeder selbst testen. Das Schöne ist ja, dass man beim Winzer verschiedene Weine probieren kann und womöglich auch verschiedene Jahrgänge. Dann findet man die guten Weine ziemlich sicher heraus.

Matthias Dathan ist 49 Jahre alt und gebürtiger Dresdner. Seit 20 Jahren testet er sächsische Weine für den Weinguide Gault Millau, jetzt für das Vinum-Magazin.