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Wie wirksam ist die Zuckerbremse für Kinder-Lebensmittel?

Müsli, Limos und Pizzen sollen weniger Fett, Salz und Zucker enthalten. Ein Test von 7.000 Lebensmitteln zeigt: Bei Kinderprodukten fällt eine Bilanz kritisch aus.

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Jedes sechste Kind in Sachsen ist übergewichtig.
Jedes sechste Kind in Sachsen ist übergewichtig. © Sebastian Kahnert/dpa

In zahlreichen beliebten Fertigprodukten steckt trotz einiger Reduzierungen immer noch viel Zucker. Das ergab eine Untersuchung des Max-Rubner-Instituts, deren Ergebnisse am Dienstag vorgestellt wurden. 7.000 Produkte waren 2022 dafür analysiert worden, darunter solche, die sich an Kinder richten – mit bunten Aufdrucken oder Spielzeugextras in der Packung.

Beispiel Erfrischungsgetränke: Über die ganze Palette von Colas, Limos und Mischgetränken lag der Zuckergehalt jetzt im Schnitt bei 6,0 Gramm pro 100 Milliliter, nach 6,3 Gramm bei der Basiserhebung 2018. Das seien „keine signifikante Veränderungen“, erläuterte Institutspräsident Pablo Steinberg. Bei Light-Limonaden habe es sogar ein Zuckerplus von 1,9 Gramm auf 2,8 Gramm gegeben. Bei gesüßten Getränken für Kinder sank der Zuckerschnitt von 7,2 Gramm 2018 zwar zunächst auf 5,4 Gramm 2019. Nun stieg er aber wieder auf 6,3 Gramm. Bundesernährungsminister Cem Özdemir zeigte das mit Zuckerstückchen in einem Glas: „Da können Sie gleich den Zahnarzt mitbestellen, wenn Sie das regelmäßig trinken.“

Weniger Zucker in Frühstückscerealien

Beispiel Frühstückscerealien: Für die ganze Produktgruppe sei eine signifikante Zuckerreduktion zu sehen, erläuterte Steinberg – im Mittel von 18,4 Gramm 2016 auf nun 14,7 Gramm pro 100 Gramm. Jedoch stieg der mittlere Fettgehalt von 9,2 auf 10,9 Gramm je 100 Gramm. Und Frühstücksprodukte mit Kinderoptik hatten im Schnitt 3,3 Gramm mehr Zucker pro 100 Gramm Packungsinhalt als die Gesamtgruppe. Auch bei anderen Lebensmitteln schnitten Kinderprodukte in früheren Studien ungünstiger ab, wie das Ministerium erklärte: Müsliriegel für Kinder hätten den höchsten mittleren Fettgehalt gehabt, Nudelsoßen für Kinder den höchsten mittleren Zuckergehalt unter Nudelsoßen.

„Fertigprodukte für Kinder und Erwachsene müssen gesünder werden“, sagte Özdemir. Denn wer viel davon esse, erhöhe sein Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Übergewicht. „Die Unternehmen haben es selbst in der Hand, Rezepturen zu verbessern“, mahnte der Grünen-Politiker. Dennoch ließ er erkennen, dass er am Weg über freiwillige Selbstverpflichtungen der Anbieter festhalten will. Hintergrund ist eine noch von der vorigen Bundesregierung gestartete Strategie, nach der sich Branchen zu Reduktionszielen bei Zucker, Fett und Salz bis 2025 verpflichten.

Limo-Steuer für gezuckerte Getränke gefordert

Özdemir untermauerte seine Gesetzespläne zu Werbebeschränkungen für ungesündere Produkte an die Adresse von Kindern. Es sei eine Gerechtigkeitsfrage, dass alle Kinder gesund aufwachsen könnten, auch wenn Eltern teils nicht so gut darüber Bescheid wüssten. Der Lebensmittelverband Deutschland hob „teilweise beachtliche Erfolge“ bei Zutatenänderungen hervor. Carola Reimann, Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbandes, bezeichnete die Ergebnisse hingegen als „ernüchternd“. Sie belegten, dass „die Lebensmittelindustrie kein wirkliches Interesse an der Veränderung ihrer Rezepturen zum Wohle der Kindergesundheit“ habe.

Reimann forderte verpflichtende Reduktionsziele für die Produzenten sowie eine Beschränkung von an Kinder gerichtete Werbung für zuckerreiche und hochkalorische Lebensmittel. Auch die Verbraucherorganisation Foodwatch bestätigte: „Das Prinzip Freiwilligkeit hat auf ganzer Linie versagt“ – und forderte unter anderem eine Limo-Steuer für stark gezuckerte Getränke. Özdemir sieht in der Koalition aber keine Mehrheit dafür. Er hat seine Pläne nach Einwänden der mitregierenden FDP schon abgeschwächt. (dpa/rnw)