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Essstörungen nehmen auch bei Männern in Sachsen zu

Laut einer aktuellen Studie der Barmer ist das Essverhalten schon bei Zwölfjährigen auffällig. Eltern können vorbeugen.

Von Sylvia Miskowiec
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Männer gestehen sich Essstörungen seltener ein als Frauen.
Männer gestehen sich Essstörungen seltener ein als Frauen. © 123rf

Sie essen unkontrolliert und erbrechen wieder, halten zwanghaft Diäten, haben starke Heißhungerattacken: Menschen mit Essstörungen. Lange galt der krankhafte Gewichtsverlust als weibliches Phänomen, doch der Morbiditäts- und Sozialatlas des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) zeigt: Auch bei Männern steigt die Zahl der Betroffenen.

Für die Studie wurden Abrechnungsdaten der Krankenkasse von 2018 bis 2021 ausgewertet. Erhielt vor sechs Jahren in Sachsen nicht einmal einer von 1.000 Männern die Diagnose einer Essstörung, war es drei Jahre später einer. Besonders auffällig war dabei das Essverhalten der zwölf- bis 17-jährigen Jungen. Allerdings sei wie Bulimie oder Magersucht von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, sagt Monika Welfens, Landesgeschäftsführerin der Barmer. „Denn insbesondere Männer haben eine höhere Hemmschwelle, sich eine als ‚weiblich‘ angesehene Krankheit einzugestehen und Hilfe zu suchen.“

Von den Frauen waren 2021 fünf von 1.000 Sächsinnen von einer Essstörung betroffen. Auch das ist ein Anstieg: 2018 litten vier von 1.000 Frauen im Freistaat unter ihrem Essverhalten.

Lebensbedrohliche Folgen

Essstörungen haben meist nicht nur einen Auslöser. Magersucht, Bulimie, aber auch die Binge-Eating-Störung (regelmäßige Essanfälle) sind psychosomatische Erkrankungen und haben einen Suchtcharakter. Von allen Personen, die an Essstörungen leiden, sind etwa die Hälfte zugleich von der Begleiterkrankung Depression betroffen. „Dies zeigt, dass seelische Probleme zu körperlichen Auswirkungen bis hin zu Schädigungen führen können", so Welfens.

Für alle Arten von Essstörungen gelte, dass man sie den Betroffenen nicht unbedingt ansehe, besonders am Anfang. Ist das Verhalten bei einer Essstörung zwanghaft geworden, haben Betroffene keine Kontrolle mehr darüber. Wenn durch die Nahrung zu wenig Energie, Nährstoffe und Vitamine aufgenommen werden, kann das schwere körperliche Folgen haben, beispielsweise verminderte Knochendichte, Haarausfall, niedriger Blutdruck, Ausfall der Regelblutung oder Potenzprobleme. Häufiges Erbrechen kann zu Zahnschäden, einem gestörten Elektrolyt- und Wasserhaushalt und einer Störung der Nierenfunktion führen. Diese Odyssee kann jahrelang oder auch ein Leben lang andauern. „Die Folgen von Essstörungen sind oft schwerwiegende Krankheitsverläufe, die sogar lebensbedrohlich sein können“, warnt Welfens.

Eltern können vorbeugen

Da die Gründe für Essstörungen individuell und vielfältig sind, seien ein frühzeitiges Erkennen und Vorbeugen wichtig, so die Barmer. Eltern beispielsweise hätten einen großen Einfluss. „Werden beispielsweise Speisen in der Familie gemeinsam zubereitet und gegessen und wird dabei auch Rücksicht auf die Vorlieben des Einzelnen genommen, stärkt das die Identitätsentwicklung und das Selbstbewusstsein von Heranwachsenden“, sagt Monika Welfens. Außerdem böten gerade diese gemeinsamen Aktivitäten Raum für Gespräche über verschiedene Alltagsthemen. Wenn dann auch ein Austausch über die Zutaten, Herstellung und Herkunft von Speisen dazukomme, könne manchem Werbetrick großer Lebensmittelhersteller Paroli geboten, aber auch über die eigene Körperwahrnehmung und die Idealfigur diskutiert werden.

„Für ein selbstbestimmtes Essverhalten im Erwachsenenalter spielen Vorbildwirkung und das Vermitteln von Wissen eine entscheidende Rolle. Genauso wichtig ist es aber, auch negative Veränderungen im Essverhalten rechtzeitig zu erkennen und zu handeln“, so die Barmer-Chefin. Bemerkten Eltern, Lehrkräfte, Trainer oder Arbeitgebende starke Gewichtsveränderungen bei Betroffenen, sollten sie sich nicht scheuen, über Hilfsangebote zu informieren.

Hilfe für Menschen mit Essstörungen