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Ja, wir wollen Hausärzte in Sachsen werden

Mit drei Programmen will Sachsen dem Ärztemangel im Land begegnen. Hier erzählen zwei Studierende, wie das funktioniert.

Von Stephanie Wesely
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Sophie Querner aus Malter und Maurice Böhm aus Dresden haben schon ein Jahr Medizinstudium in Ungarn hinter sich, einem Programm, das für angehende Hausärzte in Sachsen konzipiert wurde.
Sophie Querner aus Malter und Maurice Böhm aus Dresden haben schon ein Jahr Medizinstudium in Ungarn hinter sich, einem Programm, das für angehende Hausärzte in Sachsen konzipiert wurde. © kairospress

Für Sophie Querner und Maurice Böhm war die Medizin schon immer ein Kindheitstraum. Doch mit ihren Abi-Noten von 2 und 1,4 hätten sie es nie für möglich gehalten, Arzt zu werden. Nun geht ihr Wunsch in Erfüllung. Seit einem Jahr studieren der 21-jährige Dresdner und die 22-Jährige aus Malter bei Dippoldiswalde an der ungarischen Universität Pécs Medizin – zusammen mit 38 anderen jungen Frauen und Männern des Modellprojekts „Studieren in Europa – Zukunft in Sachsen“.

„Mit diesem Programm sollen Medizininteressierte eine Chance auf einen Studienplatz erhalten, die eine hohe soziale und persönliche Eignung besitzen und Hausarzt in einer Region außerhalb der Großstädte Sachsens werden möchten. Der Notendurchschnitt steht dabei nicht so im Vordergrund“, sagte Petra Köpping. Die sächsische Sozialministerin war am Mittwoch zur Verabschiedung des neuen Studienjahrgangs in Dresden. Das sind 36 Studenten, 29 davon aus Sachsen.

Der Freistaat, Kassenärzte und Krankenkassen kommen dabei für die Studiengebühren auf. Neben zukünftigen Hausärzten werden auch Facharztausbildungen in Neurologie, Psychiatrie, Kinderpsychiatrie, aber auch im öffentlichen Gesundheitsdienst gefördert – alles Branchen mit Nachwuchssorgen.

Besondere Bindung zum Patienten

2013, als das Projekt mit zunächst 20 Abiturienten startete, sei das eine Investition in die Zukunft gewesen, sagt Klaus Heckemann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen (KVS). „Seitdem haben vier Jahrgänge ihr Studium abgeschlossen und die Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin in Sachsen aufgenommen. In zwei Jahren werden die ersten als Hausärzte im Freistaat tätig werden“, so Heckemann.

„Unsere Entscheidung war richtig“, sagen die beiden Einjährigen. Maurice Böhm: „Zum Studium gehören jährlich 72 Stunden Praktikum in einer sächsischen Hausarztpraxis. Ich war in Heidenau und habe dort gespürt, dass Hausärzte im ländlichen Bereich eine ganz besondere Bindung zu ihren Patienten haben. Das hat mich überzeugt.“ So wie die beiden seien viele ihrer Kommilitonen vorher andere berufliche Wege gegangen. Maurice arbeitete in einer Kinderkrippe in Frankreich, Sophie in einem Krankenhaus in Israel. Diese Auslandserfahrung sei eine gute Grundlage für ihr Studium in Ungarn. „Da weiß man, was auf einen zukommt“, sagen beiden.

Die Gesundheitsministerin verabschiedet die neuen Medizinstudenten nach Ungarn. In sechs Jahren sollen sie in Sachsen ihre Weiterbildung in Allgemeinmedizin beginnen.
Die Gesundheitsministerin verabschiedet die neuen Medizinstudenten nach Ungarn. In sechs Jahren sollen sie in Sachsen ihre Weiterbildung in Allgemeinmedizin beginnen. © kairospress

1.000 Euro Stipendium

Doch die Ungarnstudenten allein reichen nicht, um das Hausärzteproblem in Sachsen zu lösen. Derzeit fehlen in Sachsen fast 450 Hausärzte. Und von den praktizierenden Hausärzten ist bereits jeder dritte 60 Jahre und älter. Seit 2013 gibt es deshalb das Sächsische Hausarztstipendium. Jeweils 20 Medizinstudierende eines Jahrgangs erhalten vom Freistaat Sachsen 1.000 Euro Stipendium pro Monat.

Sie sollen dafür an einem studienbegleitenden Patenschaftsprogramm mit Hausarztpraxen in Sachsen teilnehmen. Zudem sind sie verpflichtet, nach ihrem Facharztabschluss in Allgemeinmedizin mindestens sechs Jahre im Freistaat als Hausarzt außerhalb der sächsischen Großstädte zu arbeiten. Eine Ausnahme ist die Stadt Chemnitz. Da dort ebenfalls eine Unterversorgung mit Hausärzten droht, gibt es für Absolventen eine Niederlassungsmöglichkeit.

Laut KVS haben bisher 145 Studierende davon Gebrauch gemacht. Ab 2024 werden die ersten ihre Weiterbildung zum Facharzt für Allgemeinmedizin abgeschlossen haben und als Hausärzte verfügbar sein. Erfüllen sie die Verpflichtung nicht, müssen sie das Stipendium zurückzahlen.

Aus dem Vorgängerprogramm „Studienbeihilfe“ sind inzwischen 17 Mediziner als Fachärzte für Allgemeinmedizin in Sachsen tätig, unter anderem in Kamenz, Limbach-Oberfrohna, Meißen, Freital, Görlitz, Hoyerswerda, Aue und Niesky.

Landarzt per Quote

Mit dem Wintersemester 2022/23 beginnt ein drittes Projekt zur Hausärztegewinnung in Sachsen. Erstmals wird ein Anteil von 6,5 Prozent der Studienplätze für Medizin in Leipzig, Dresden und Chemnitz an angehende Hausärzte vergeben. Auch hier gilt die Verpflichtung, nach Studienabschluss eine Weiterbildung im Fach Allgemeinmedizin in Sachsen zu absolvieren und mindestens zehn Jahre als Vertragsarzt in einem Gebiet mit Ärztemangel zu arbeiten.

Möglich wurde diese Verfahrensweise durch das neue Landarztgesetz. Die 40 Studienplätze stehen damit außerhalb des Numerus-Clausus-Reglements zur Verfügung – ein Einser-Abitur ist nicht Pflicht. Wie bei den Ungarnstudenten wird mehr Wert auf die persönliche Eignung gelegt.

Ein Baustein gegen Ärztemangel

Mit diesen Projekten hofft die Landesregierung, das Ärzteproblem lindern zu können. „Es ist nur ein Baustein“, so die KVS. Aber in Kombination mit der Telemedizin und der Verknüpfung von ambulanter und stationärer Versorgung wären die Engpässe zu beheben.

Der Hausarzt sei dabei unverzichtbar. Er soll für Patienten Lotse und einfühlsamer Begleiter sein, so die Sozialministerin. Dafür brauche es engagierte junge Menschen, die dieses Ziel verfolgen. Dazu gehören auch Sophie Querner und Maurice Böhm. Für sie steht fest: „Ja, wir wollen Hausarzt werden.“