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Plötzlich Hirnblutung: Wie ein neues Verfahren einem Sachse das Leben rettete

René Weigel aus dem Erzgebirge wurde auf Arbeit ohnmächtig. Dank schneller Hilfe überlebte er eine Hirnblutung. Die trifft jedes Jahr 20.000 Deutsche. Dabei ließe sie sich oft vermeiden.

Von Stephanie Wesely
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René Weigel aus Jahnsdorf sieht im OP-Saal der Neurochirurgie des Klinikums Chemnitz das erste Mal die Bilder aus der Diagnostik seiner Hirnblutung. Neurochirurg Dr. Ararat Minasyan zeigt, wo der Katheter platziert wurde.
René Weigel aus Jahnsdorf sieht im OP-Saal der Neurochirurgie des Klinikums Chemnitz das erste Mal die Bilder aus der Diagnostik seiner Hirnblutung. Neurochirurg Dr. Ararat Minasyan zeigt, wo der Katheter platziert wurde. © Toni Söll

René Weigel aus Jahnsdorf im Erzgebirge betritt das erste Mal nach seiner Hirn-OP den Operationssaal der Klinik für Neurochirurgie am Klinikum Chemnitz. Vor einem halben Jahr wurde dort mithilfe eines Katheters ein Blutgerinnsel aus seinem Gehirn entfernt. „Diese Methode ist neu und erspart den Patienten eine großflächige Eröffnung der Schädeldecke“, sagt Chefarzt Professor Matthias Kirsch.

Neben dem Klinikum Chemnitz bietet in Sachsen auch das Uniklinikum Dresden diese Behandlung an. Am Bildschirm sieht René Weigel nun, wie groß das Blutgerinnsel in seinem Kopf wirklich war. „Es ist unglaublich, ich habe nichts davon geahnt.“

Den 17. Mai 2023 wird der 49-jährige IT-Berater wohl nie vergessen. „Ich arbeitete im Homeoffice und hatte eine Videokonferenz, als ich plötzlich sehr starke Kopfschmerzen bekam. Ich muss ohnmächtig geworden und vom Stuhl gerutscht sein“, vermutet er. Denn seine Kollegen bekamen das mit und verständigten seine Frau, die dann nach Hause eilte und den Notarzt rief. „Ich war völlig geschockt“, sagt Mandy Weigel.

Halbseitig gelähmt und Sprachstörungen

Sie habe die ganze Tragweite gar nicht gleich erfassen können, habe nur noch funktioniert. Zum Glück schnell. Die Hilfe kam noch rechtzeitig. Innerhalb von 30 Minuten wurde ihr Mann im Klinikum Chemnitz behandelt. Das sei eine sehr kurze Zeitspanne. Wie bei einem Schlaganfall zähle auch bei einer Hirnblutung jede Minute, so Professor Kirsch.

„Herr Weigel war halbseitig gelähmt und konnte nicht richtig sprechen“, erzählt sein Operateur Dr. Ararat Minasyan. Die Ursache sei eine tief liegende Hirnblutung gewesen, die durch ein geplatztes Blutgefäß entstand. Solche Gefäßrupturen können eine Folge von Bluthochdruck sein. Doch von Bluthochdruck wusste René Weigel nichts. „Ich habe vorher nie etwas gespürt, auch nie Blutdruck gemessen, weil es in unserer Familie bisher keine Schlaganfälle oder Herzinfarkte gab“, sagt er.

Doch das sei laut Chefarzt Kirsch das Heimtückische am Bluthochdruck, man spüre lange Zeit nichts davon. „Wie René Weigel erfahren viele Patienten erst nach dem ersten Schlaganfall oder einer Hirnblutung davon.“ 270.000 Menschen pro Jahr erleiden in Deutschland einen Schlaganfall, mehr als 20.000 eine Hirnblutung.

Minimalinvasiv klappt nicht immer

Durch ein kleines Bohrloch im Schädel von René Weigel wurde unter Navigationskontrolle ein Katheter eingeführt und unter Videokontrolle an die Stelle des Gerinnsels geschoben. „Durch den Katheter applizierte ich ein Medikament, das das Blutgerinnsel auflöst. Verblieben ist nur eine kleine Narbe“, erklärt Ararat Minasyan.

Nicht bei jedem Patienten lasse sich dieses minimalinvasive Verfahren anwenden. „Wenn das Blutgerinnsel sehr groß ist und stark aufs Gehirn drückt, ist eine operative Öffnung der Schädeldecke unvermeidbar“, sagt Professor Kirsch. Die Ausfallerscheinungen bei großen Blutungen sind allerdings häufig größer, auch die Reha könne länger dauern, wie Dr. Minasyan sagt.

Mehr als zwei Monate war der 49-Jährige zur Reha. Seit einigen Wochen wird er wieder ins Arbeitsleben eingegliedert. Stundenweise wird die Belastung gesteigert. „Nach der OP saß Herr Weigel im Rollstuhl und hatte noch Probleme beim Sprechen. Ihn heute so sicher gehen zu sehen und ihn so gut sprechen zu hören, erfüllt mich mit großer Freude“, sagt Minasyan.

Leben komplett umgestellt

Auch Familie Weigel ist dem Ärzteteam sehr dankbar. Dennoch bleibt immer etwas Angst zurück. „Wenn ich mal Kopfschmerzen habe, vielleicht wegen einer Erkältung oder so, denke ich immer, dass es wieder losgeht“, so der IT-Berater. Es brauche sicher noch etwas Zeit, bis er das wieder ausblenden könne.

Seinen Blutdruck hat er jetzt im Griff, misst zweimal am Tag und nimmt Medikamente. Regelmäßig kontrolliert auch der Hausarzt seine Werte. Damit der Erfolg langfristig anhält, hat René Weigel sein Leben umgestellt. Er bewegt sich viel, geht wandern und fährt Rad – im Winter auch auf dem Fahrradergometer. Früher habe er fast nur am Computer gesessen. Auch in der Ernährung achtet er auf Gesundes und versucht, Kalorien einzusparen. Sein Ziel ist es, unter 100 Kilogramm Gewicht zu kommen.

Professor Kirsch schätzt die Bemühungen seines Patienten zur gesünderen Lebensweise. „Doch es gibt immer noch sehr viele Menschen, die ohne diese Risikofaktoren an Bluthochdruck leiden“, sagt er. Deshalb fordert er gemeinsam mit vielen Herz-Kreislauf-Medizinern, dass das empfohlene Screening auch wahrgenommen wird.

„Mindestens einmal im Jahr sollte jeder seinen Blutdruck kontrollieren lassen“, so Kirsch. Die Behandlung mit Blutdrucksenkern könnte das Risiko für Schlaganfall oder Hirnblutung zwar nicht komplett verhindern, aber senken, so der Chefarzt.

Warnzeichen für einen Schlaganfall

Die häufigsten Symptome eines Schlaganfalls sind Sehstörungen, Sprach- und Sprachverständnisstörungen, Lähmungen, Schwindel sowie starke Kopfschmerzen.

Mit dem FAST-Test der Deutschen Schlaganfallhilfe lässt sich der Verdacht auf einen Schlaganfall überprüfen.

  • F wie Face: Bitten Sie die Person zu lächeln. Hängt ein Mundwinkel herab, deutet das auf Halbseitenlähmung hin.
  • A wie Arms: Bitten Sie die Person, die Arme nach vorne zu strecken und dabei die Handflächen nach oben zu drehen. Bei einer Lähmung können nicht beide Arme gehoben werden, ein Arm sinkt oder dreht sich.
  • S wie Speech: Lassen Sie die Person einen einfachen Satz nachsprechen. Ist sie dazu nicht in der Lage oder klingt die Stimme verwaschen, liegt eine Sprachstörung vor.
  • T wie Time: Zögern Sie nicht, wählen Sie unverzüglich die 112 und schildern Sie die Symptome.