Kreis Görlitz bezuschusst Pflegesektor mit 600.000 Euro

Wenn die Rente für einen Platz im Pflegeheim nicht reicht, hilft das Sozialamt. Im Kreis Görlitz ist das immer öfter der Fall. Deshalb hat der Kreistag jetzt einen Zuschuss von 600.000 Euro für die Hilfe zur Pflege beschlossen. Das klingt viel, ist aber letztendlich nicht ausreichend. Insgesamt fehlen 1,2 Millionen Euro.
Die steigenden Kosten für den Kreis in der Pflege, schon seit Jahren ein Problem. Die entsprechenden Zahlen in der stationären Pflege gehen weiter nach oben. 2018 waren es noch 601, 2020 schon 735 und am Ende des vergangenen Jahres 842 Fälle. Hinzu kommen noch einmal 286 Fälle, in denen Sozialhilfe für die ambulante Pflege zu Hause gezahlt wird.
Das heißt, 824 Heimbewohner von insgesamt rund 3.360 im gesamten Kreis, die auf Sozialhilfeleistungen angewiesen sind, also etwa 25 Prozent. Das Landratsamt geht davon aus, dass sich die Anzahl erhöht. Ein Grund: zu erwartende Preissteigerungen für die stationären Einrichtungen. Die Tendenz zur Entgelterhöhung setze sich fort, heißt es von der Behörde.
Eigenanteil der Pflegeheimbewohner steigt
Jede Pflegeeinrichtung verhandelt jährlich einen neuen Kostensatz. Die Steigerungen, so das Landratsamt, seien nicht mehr so enorm wie in den vergangenen drei Jahren, lägen aber 2021 immer noch bei durchschnittlich 80 bis 120 Euro pro Einrichtung.
Damit steigen die Eigenanteile der Pflegeheimbewohner. Sie liegen derzeit bei rund 2.000 Euro pro Person und Monat. Viele Heimbewohner können diese Kosten nicht stemmen und sind deshalb dauerhaft auf Sozialleistungen angewiesen. Die Leistungen der Pflegekassen wiederum, die den Pflegebedürftigen auf Antrag gezahlt werden, sind seit 2017 in diesem Bereich unverändert geblieben, gedeckelt.
Die Hemmschwelle, das Sozialamt um Unterstützung zu bitten, ist für viele alte Menschen hoch. Ehe der Staat die Kosten übernimmt, muss zudem alles Ersparte weitestgehend aufgebraucht sein. Der Eigenbehalt auf dem Konto darf nach Auskunft des Landratsamtes nicht mehr als 5.000 Euro betragen. Auch Haus und Grundstück müssen verkauft werden.
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Die Fraktion der Linken im Kreistag Görlitz trägt den Beschluss zu den zusätzlichen 600.000 Euro zwar mit. Denn, so der Zittauer Kreistagsabgeordnete Jens Hentschel-Thöricht: "Wir müssen für die älteren Einwohner des Landkreises, die darauf angewiesen sind, diesen Beschluss fassen." Aber er mahnt auch Ehrlichkeit an und verweist auf die fehlende Summe. "Und damit lassen uns die politisch Verantwortlichen in diesem Land allein", kritisiert er.
"Desolate Pflegepolitik nimmt die Kommunen finanziell aus"
Der Bundesgesetzgeber hat inzwischen zumindest erkannt, dass es so nicht weitergehen kann. Es gibt seit Jahresbeginn ein "Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung". Um die Pflegebedürftigen zu entlasten, zahlt die Pflegeversicherung einen Zuschlag. Der ist je nach Pflegegrad unterschiedlich und er steigt mit der Dauer der Pflege.
Im ersten Jahr des Heimaufenthalts trägt die Pflegekasse jetzt fünf Prozent des pflegebedingten Eigenanteils. Das sind rund 60 Euro pro Monat. Im zweiten Jahr steigt der Zuschuss bereits auf 25 Prozent, im dritten Jahr auf 45 Prozent und danach auf 70 Prozent der vom Bewohner zu bezahlenden Eigenanteile.
Den Linken geht das offensichtlich nicht weit genug. Im vergangenen Jahr sei an alle Fraktionen wie auch der Landkreisverwaltung der Vorschlag unterbreitet worden, "dass wir uns alle hinter eine Resolution stellen", so Jens Hentschel-Thöricht. Inhalt: Entlastung der Pflegebedürftigen und der Kommunen bei qualitativ hochwertiger Pflege.
„Die desolate Pflegepolitik des Bundes nimmt die Kommunen finanziell aus wie eine Weihnachtsgans“, so Jens Hentschel-Thöricht. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) müsse sich des Themas zügig annehmen. „Heimbewohner und Kommunen müssen entlastet werden“, das müsse der Kreistag Görlitz von der Bundesregierung einfordern.
Ob es zu einer solchen Resolution in einem der kommenden Kreistage kommt und ob sie einen finanziell messbaren Erfolg haben könnte, wie es die Linke fordert, bleibt am Mittwoch während der jüngsten Sitzung allerdings noch offen.