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Apotheken und Arztpraxen in Sachsen bleiben am Montag geschlossen

Sachsens Apotheker warnen vor Reformvorschlägen von Gesundheitsminister Lauterbach. Sie kritisieren schlechte Vergütung und das Sparen an der Sicherheit der Patienten. Auch Ärzte streiken.

Von Stephanie Wesely
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Am 2. Oktober bleiben viele Arztpraxen und Apotheken in Sachsen geschlossen. Es wird gestreikt.
Am 2. Oktober bleiben viele Arztpraxen und Apotheken in Sachsen geschlossen. Es wird gestreikt. © dpa-Zentralbild

Mehr als die Hälfte der rund 900 Apotheken in Sachsen bleiben am Montag, dem 2. Oktober, geschlossen, sagt Göran Donner, Vizepräsident der Sächsischen Landesapothekerkammer. Für akute Fälle ist die Versorgung über Notdienstapotheken möglich. Welche am 2. Oktober geöffnet haben, erfährt man an diesem Tag über die Rufnummer 0800 0022833. Auch an der Notdiensttafel der jeweiligen Apotheke finden Patienten diese Angaben.

Auch Allgemein- und Fachärzte haben am Montag in Sachsen aus Protest gegen die Gesundheitspolitik der Bundesregierung ihre Praxen nicht geöffnet.

Wie viele Ärztinnen und Ärzte in Sachsen sich dem bundesweiten Protest anschlossen, konnte der Verband der Praxisärzte, der Virchowbund, am Montag auf Anfrage nicht beantworten. Deutschlandweit gehe der Verband und Initiator der Aktion jedoch von einer fünfstelligen Zahl an geschlossenen Arztpraxen aus.

Der Virchowbund hatte zu der Aktion aufgerufen, weitere knapp 20 Ärzteverbände sowie die Kassenärztlichen Vereinigungen hätten sich angeschlossen, sagte ein Sprecher des Virchowbunds bereits am Freitag. Damit starte die Kampagne "Praxis in Not" in eine neue Phase. Auch hier soll ein Notdienst organisiert werden.

Nach Angaben der KV Sachsen soll es am Brückentag sowie am Tag der Deutschen Einheit einen flächendeckenden Not- und Bereitschaftsdienst geben. Wer nicht bis zur Praxisöffnung am Mittwoch warten könne, solle den Patientenservice unter der Nummer 116117 (ohne Vorwahl) nutzen, hieß es in einem Post auf der vormals als Twitter bekannten Plattform X.

Laut Vize-Landesapothekenchef Donner zufolge wird die Arzneimittelversorgung immer bürokratischer und defizitärer. Hinzu kommen Lieferengpässe, die mehr Personal für organisatorische Aufgaben binden. Personal, das seit Jahren fehlt. "Doch anstatt einen konstruktiven Dialog mit Fachleuten für Arzneimittelversorgung zu führen, wie dieser Notstand beseitigt werden kann, ist der Bundesgesundheitsminister weiter im Alleingang unterwegs", sagt Kathrin Quellmalz, Sprecherin des Sächsischen Apothekerverbandes.

Assistenten statt Apotheker

Lauterbach rechtfertigte seine Pläne, wonach in Filialen künftig auch kein Apotheker mehr vor Ort sein muss. Als Vertretung könnten demnach pharmazeutisch-technische Assistenten Kunden bedienen, wenn eine digitale Verbindung zu einem Apotheker in der Hauptapotheke vorhanden ist. Wenn es Rückfragen gebe oder eine Apothekerberatung notwendig sei, könnte sie "telepharmazeutisch" vorgenommen werden.

"Es soll bei der Apotheke bleiben, die der Apotheker oder die Apothekerin besitzt und auch führt", sagte Lauterbach. Es sollten aber ein bis zwei zusätzliche Filialen zugelassen werden, sodass sie auch dort aufgebaut werden könnten, wo sonst keine neue Apotheke mehr entstünde. Das System solle liberaler und wirtschaftlicher werden. So könnten auch Notdienste mit Filialen abgestimmt werden, und man habe eine bessere Rund-um-die-Uhr-Betreuung, ohne dass es teurer werde. "Das sind auch Maßnahmen, mit denen wir verhindern wollen, dass die Apotheke der Zukunft die Versandhandelsapotheke ist", sagt er.

Apothekensterben geht weiter

Sachsen Apotheker befürchten, dass der heilberufliche Charakter des Apothekerberufes künftig nicht mehr über dem kaufmännischen steht. Dass Apothekenketten Konzerne installieren und den Bereitschaftsdienst an Sonn- und Feiertagen und in der Nacht extrem einschränken. Die Kommerzialisierung der Arzneimittelversorgung habe nichts mit verantwortungsvoller öffentlicher Daseinsfürsorge zu tun. Das Apothekensterben werde damit noch gefördert – vor allem auf dem Land, wo die Apotheke oft die einzige Anlaufstelle für gesundheitliche Fragen sei.

Auch der Protest der Mediziner richtet sich den Angaben zufolge gegen die Politik von Lauterbach. "Es ist ein deutliches Zeichen an die Gesundheitspolitiker der Ampelkoalition und an Bundeskanzler Olaf Scholz, dem Treiben Lauterbachs endlich einen Riegel vorzuschieben", sagte der Bundesvorsitzende Dirk Heinrich laut Mitteilung. Lauterbach wolle das Gesundheitssystem "unwiederbringlich in Richtung Staatsmedizin umbauen" und missachte die Belange der Praxisärzte. Zudem seien Praxen durch Inflation, steigende Energiepreise, Fachkräftemangel und unzureichende Finanzierungsabschlüsse mit den Krankenkassen stark unter Druck, betonte der Verband.

Der Virchowbund sprach von einem "Auftakt zu weiteren Protestaktionen". Unterstützer seien viele Berufsverbände, von HNO-Medizinern über niedergelassene Chirurgen, Orthopäden, Augenärzten bis hin etwa zu Internisten. "Wir sind ausgeblutet. Seit 30 Jahren zwingen Politik und Kassen die Arztpraxen zu schmerzhaften Sparmaßnahmen. Wir können nicht mehr", hieß es in dem Aufruf auf der Virchowbund-Homepage. (mit dpa)