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So minimieren Sie Ihr Risiko in Sachsens Krankenhäusern

Qualität im Krankenhaus ist schwer mess- und erkennbar. Ein Anhaltspunkt sind die Fallzahlen. Für neun planbare OPs gibt es deshalb Mindestmengen. Welche sind das? Und wer erfüllt sie?

Von Katrin Saft
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Von seiner Erfahrung mit der OP hängt nachweislich das Ergebnis ab.
Von seiner Erfahrung mit der OP hängt nachweislich das Ergebnis ab. © 123rf

Hunderttausende Sachsen bekommen jedes Jahr vom Arzt gesagt, dass ihnen nur noch eine Operation helfen kann. Sofort stellt sich dann die bange Frage: Welches Krankenhaus ist das beste für mich? Denn von der Qualität der Behandlung hängt entscheidend ab, ob sie Erfolg hat und mit welchen Einschränkungen der Patient hinterher vielleicht leben muss.

Doch wie sich Qualität im Krankenhaus messen lässt, ist ein hochkomplexes Thema und seit Jahren umstritten. Zwar müssen alle Kliniken Hunderte Leistungsparameter erfassen und einen Großteil davon in jährlichen Qualitätsberichten veröffentlichen. Der Laie kann damit aber wenig anfangen, geschweige denn, Vergleiche anstellen.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will deshalb per Transparenzgesetz ein Online-Verzeichnis veröffentlichen, das einen schnellen Überblick über Leistungen, Fallzahlen und personelle Ausstattung der knapp 1.700 Kliniken in Deutschland bietet. Ein solches Verzeichnis aber ausgerechnet vor der größten Reform an den Start zu bringen, vor der die Krankenhäuser bundesweit stehen, stößt auf heftigen Widerstand, auch in Sachsen. Der Bundesrat hat das Thema deshalb an den Vermittlungsausschuss zur Überarbeitung überwiesen. Einige Möglichkeiten gibt es aber heute schon, sich über die Qualität in Krankenhäusern ein Bild zu machen. Zum Beispiel über die Mindestmengen.

Mehr Erfahrung, weniger Komplikationen

Denn für viele komplizierte Operationen ist belegt: Je mehr Erfahrungen eine Klinik und insbesondere ein Arzt damit hat, desto weniger Komplikationen treten auf, desto routinierter wird damit umgegangen und desto besser ist am Ende das Ergebnis. Gesundheitswissenschaftler wie Professor Thomas Mansky gehen davon aus, dass in Deutschland jedes Jahr Hunderte Patienten weniger sterben würden, wenn die „Gelegenheitschirurgie“ in nicht dafür gerüsteten Kliniken aufhören würde.

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) – er entscheidet über Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen – hat deshalb für bislang neun planbare, komplexe Eingriffe Mindest-OP-Mengen festgelegt. Krankenhäuser, die diese Fallzahlen nicht erreichen, dürfen die Leistung in der Regel nicht mehr erbringen und bekommen sie von den Kassen nicht mehr bezahlt.

Nierentransplantationen zum Beispiel dürfen in Sachsen demnach nur die Unikliniken in Dresden und Leipzig durchführen, Lebertransplantationen ausschließlich die Uniklinik Leipzig. Für die chirurgische Behandlung von Brustkrebs gibt es in diesem Jahr erstmals eine Mindestmenge von 50 Patienten. Derzeit erfüllen im Freistaat 28 Kliniken diese Voraussetzung. Die Deutsche Krebsgesellschaft begrüßt, dass die Zahl auf 100 Fälle im Jahr steigen soll. Neu ist 2024 auch eine Mindestmenge für die chirurgische Behandlung von Lungenkrebs bei Erwachsenen. Sie soll weiter steigen – von derzeit 40 auf 75 Fälle im Jahr.

Nur noch drei Kliniken in Sachsen für Frühchen

Laut G-BA sinkt durch die Mindestmengen das Risiko für Patienten signifikant. Doch die gute Absicht kommt nicht immer auch gut an. Denn sie bedeutet eine zunehmende Spezialisierung von Kliniken und damit gleichzeitig weitere Wege für Patienten. So zum Beispiel hat sich die Zahl der Krankenhäuser, die mindestens die geforderten 26 komplexen Eingriffe an der Speiseröhre nachweisen können, laut AOK bundesweit im Vergleich zu 2023 um ein Viertel reduziert. Komplizierte OPs an der Bauchspeicheldrüse (Mindestmenge 15) dürfen in diesem Jahr elf Prozent weniger Kliniken in Deutschland durchführen als im Vorjahr, Lebertransplantationen (Mindestmenge 20) zehn Prozent weniger.

Wenn ein Fachbereich mangels Fallzahlen schließen muss, löst das vor Ort oft heftige Debatten aus. Besonders emotional geführt wurden sie um die Frühchenstationen. Konnten Säuglinge mit einem Gewicht von unter 1.250 Gramm 2021/22 noch in Kliniken mit mindestens 14 Fällen im Jahr versorgt werden, ist die Zahl 2023 auf 20 und 2024 auf mindestens 25 Fällen im Jahr gestiegen. In Sachsen erfüllen diese Bedingungen jetzt nur noch die Unikliniken Dresden und Leipzig sowie das Klinikum Chemnitz. Bundesweit gibt es in diesem Jahr noch 144 Frühchenstationen und damit 13 weniger als 2023, einige klagen gegen die Mindestmengen.

G-BA-Chef Professor Josef Hecken jedoch warnte auf einer Veranstaltung der Techniker Krankenkasse in Dresden davor, aus politischen Gründen bei der Landesbehörde Ausnahmegenehmigungen zu erwirken. Denn Früh- und Reifgeborene unter 1.250 Gramm hätten ein hohes Risiko zu sterben oder später behindert zu sein. Ihre Versorgung setze überdurchschnittlich hohe fachliche Fertigkeiten und interdisziplinär arbeitende Teams voraus.

Es könnten noch mehr Säuglinge überleben

Mehrere Studien würden einen linearen Zusammenhang zwischen Fallzahlen und Überlebenschancen belegen. Professor Christoph Bührer, Direktor der Klinik für Neonatologie an der Charité Berlin, hält die neue Mindestmenge von 25 sogar für „niedrig“ und einen „politischen Kompromiss“. Wäre sie höher, könnten noch mehr dieser sehr früh geborenen Säuglinge überleben.

Die Mindestmengen werden regelmäßig überprüft. „Jährlich bis 7. August müssen die Krankenhäuser eine Prognose abgeben, ob sie die nötigen Fallzahlen im Folgejahr erreichen werden“, erklärt Britta Poppinga vom AOK-Bundesverband, die im G-BA mit über die Mindestmengen entscheidet. „Sollte das durch besondere Umstände wie personelle oder organisatorische Veränderungen nicht möglich sein, können sie diese geltend machen.“

Die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen würden die Prognose prüfen und könnten bei begründeten erheblichen Zweifeln widersprechen. Poppinga: „Zudem kann die Landesbehörde im Einvernehmen mit den Kassen eine Mindestmenge aussetzen, wenn sie dadurch die flächendeckende Versorgung der Bevölkerung gefährdet sieht.“

Weitere Mindestmengen geplant

Für die Zukunft plant der G-BA weitere Mindestmengen – unter anderem für Herztransplantationen, die Darmkrebs-Chirurgie und die Major-Leberresektion. Beim Kniegelenk-Ersatz wird geprüft, ob auch Revisionseingriffe berücksichtigt werden. Der G-BA muss bei allen Mindestvorgaben nicht nur einen Zusammenhang zwischen Leistungsmenge und Behandlungsqualität nachweisen, sondern auch die Folgen für die Patientenversorgung abschätzen.

Der AOK Bundesverband hat für Patienten eine online abrufbare Transparenzliste erstellt, die für alle neun Eingriffe zeigt, welche Krankenhäuser sie 2024 erbringen dürfen. Und auch der Verband der Ersatzkassen bietet Patienten im Internet einen Überblick an.

Demnächst auf sächsische.de

  • Teil 2: Wie 27 Kliniken in Sachsen ihre Qualität freiwillig messen und sichtbar machen.
  • Teil 3: Wie die AOK das Risiko in Sachsens Krankenhäusern bei 13 planbaren Eingriffen öffentlich macht.