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Wie sich bei 13 OPs das Risiko senken lässt

Die AOK hat ein eigenes Verfahren entwickelt, um Qualität im Krankenhaus zu messen. Dabei zeigen sich in Sachsen große Unterschiede.

Von Katrin Saft
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Damit die Kniegelenksoperation ein Erfolg wird, ist im Vorfeld auch der Patient gefordert.
Damit die Kniegelenksoperation ein Erfolg wird, ist im Vorfeld auch der Patient gefordert. © Florian Schuh/dpa

In Sachsens Krankenhäusern werden jedes Jahr mehrere Tausend künstliche Kniegelenke eingesetzt. Denn mit zunehmendem Alter leiden viele Menschen an einer Arthrose. Die starken Schmerzen lassen sich meist nur noch durch eine Operation lindern. 48 Kliniken in Sachsen dürfen in diesem Jahr solche OPs durchführen, weil sie die gesetzliche Mindestmenge erfüllen. Doch die Behandlungsqualität, sprich die Komplikationsrate, ist in den einzelnen Krankenhäusern sehr unterschiedlich. Das zeigt der AOK Gesundheitsnavigator.

Seit 2008 wertet das Wissenschaftliche Institut der Ortskrankenkassen (WIdO) dafür Abrechnungsdaten der Kliniken von inzwischen 27 Millionen AOK-Versicherten aus. „Damit erfassen wir bundesweit etwa ein Drittel aller Krankenhausfälle“, sagt Dr. Matthias Maneck vom WIdO. In Sachsen, wo mehr als jeder Zweite bei der AOK Plus versichert ist, dürften es noch mehr sein. Neben Alter und Geschlecht werden in anonymisierter Form unter anderem auch Vorerkrankungen, Eingriffe, Verweildauer und Entlassungsgrund ausgewertet.

Der Vorteil im Vergleich zu anderen Verfahren: Die Daten lassen nicht nur Rückschlüsse auf mögliche Komplikationen im Krankenhaus zu. Das WIdO kann sich – immer anonymisiert – auch anschauen, was bis zu einem Jahr nach der Operation passiert. Denn die Kassen bekommen auch Abrechnungen von ambulanten Ärzten, von verordneten Arzneimitteln und stationären Wiederaufnahmen. Maneck: „Ein relevanter Teil der Komplikationen tritt ja erst im Nachhinein auf.“

Für manche Komplikationen ist der Patient verantwortlich

Inzwischen hat das WIdO für 23 Krankenhauseingriffe Indikatoren entwickelt, die Rückschlüsse auf die Behandlungsqualität geben sollen. Dabei wird berücksichtigt, dass in einigen Häusern, wie den Unikliniken, mehr Schwerkranke aufgenommen werden und damit auch mehr Komplikationen auftreten können. In einem statistischen Verfahren, das sich Risikoadjustierung nennt, werden deshalb erwartbare Werte errechnet und mit den tatsächlichen ins Verhältnis gesetzt. Für 13 Eingriffe können Patienten das Gesamtergebnis im Gesundheitsnavigator online einsehen.

Damit das komplizierte Verfahren für Laien verständlich bleibt, vereinfacht es die AOK allerdings. Krankenhäuser, die im bundesweiten Vergleich zu den 20 Prozent mit der geringsten Komplikationswahrscheinlichkeit gehören, bekommen die Note „überdurchschnittliche Qualität“ – symbolisiert durch drei Lebensbäume auf dem grünen AOK-Logo. Die 60 Prozent der Kliniken mit einer mittleren Komplikationsrate sind „durchschnittlich“ und mit zwei Lebensbäumen gekennzeichnet. Ein Lebensbaum heißt, dass die Qualität der Klinik „unterdurchschnittlich“ ist und dass sie zu den 20 Prozent mit einem erhöhten Komplikationsrisiko zählt.

Der Nachteil des Verfahrens: Durch die lange Analysezeit sind die Ergebnisse nicht sonderlich aktuell. Die derzeit verfügbaren Daten beziehen sich auf 2019 bis 2021. „Wenn inzwischen zum Beispiel ein begnadeter Oberarzt die Klinik gewechselt hat, kann die Bewertung schon wieder überholt sein“, sagt Gesundheitswissenschaftler Professor Joachim Kugler von der TU Dresden. Zwar begrüße er den Transparenzversuch. Viele Faktoren ließen sich statistisch aber nicht so einfach erfassen. Kugler: „Wenn ein Patient zum Beispiel raucht, starkes Übergewicht hat, trinkt oder nach der OP seine Tabletten nicht einnimmt, kann das zu Komplikationen führen, für die das Krankenhaus am Ende nichts kann.“

Zwei Kliniken Sachsens zählen deutschlandweit zu den Besten

Laut Matthias Maneck vom WIdO würden die Ergebnisse jährlich aktualisiert und den Kliniken zur hausinternen Qualitätsanalyse zur Verfügung gestellt. Auch für Patienten lohne sich bei planbaren Operationen ein Blick in den Navigator. „Beim Wechsel der Knieprothese zum Beispiel ist die Komplikationsrate im Bundesschnitt in Kliniken mit einem Lebensbaum über fünfmal höher als in Kliniken mit drei Lebensbäumen.“ Beim Hüftprothesenwechsel liege die mittlere Komplikationshäufigkeit bei den besten Kliniken bei 7,5 Prozent, bei den Häusern mit einem Bäumchen dagegen bei 25,5 Prozent.

Die Auswertung zeige einen klaren Zusammenhang zwischen Fallzahl und Qualität. „Je mehr Erfahrung Ärzte bei der Behandlung einer bestimmten Erkrankung haben, desto seltener treten Komplikationen auf“, sagt AOK Plus-Chef Rainer Striebel. Das lasse sich gut am Beispiel künstliches Kniegelenk darstellen. Laut Navigator haben von den 45 Krankenhäusern in Sachsen, die 2019 bis 2021 den Eingriff durchführten, zwölf eine überdurchschnittliche Qualität erbracht.

Bei diesen Kliniken traten nach der OP weniger Komplikationen auf wie Infektionen, verletzte Blutgefäße, aufgerissene Wunden oder gelockerte Kunstgelenke. Die Asklepios Orthopädische Klinik Hohwald sowie die Paracelsus-Klinik Adorf/Schöneck gehören demnach sogar deutschlandweit zu den Kliniken mit den besten Behandlungsergebnissen.

Qualität sollte am Operateur festgemacht werden

Auch ob nachoperiert werden muss oder nicht, ist laut WIdO beim künstlichen Kniegelenk eine Frage der Behandlungsqualität. Innerhalb von fünf Jahren war das bundesweit im Schnitt bei 2,9 Prozent der Patienten der Fall. Bei dem Viertel der überdurchschnittlichen Kliniken lag diese Quote nur bei 1,7 Prozent, im Viertel mit den schlechtesten Ergebnissen bei 4,3 Prozent.

Fazit: Der AOK-Gesundheitsnavigator kann bei der Kliniksuche behilflich sein. Wer den nötigen Eingriff und seine Postleitzahl eingibt, bekommt im Umkreis die Krankenhäuser aufgelistet, die die Leistung anbieten. Dazu gibt es Fallzahlen, Patientenbewertungen für die Klinik und bei 13 Eingriffen eine Risikoeinordnung. Nicht berücksichtigt werden dabei aber die Daten anderer Krankenkassen und dass viele Eingriffe auch ambulant erfolgen. Zudem besteht die Gefahr, dass die Daten nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen.

„Generell wünschenswert und objektiver wäre, dass die Qualität nicht am Krankenhaus, sondern am operierenden Arzt festgemacht wird“, sagt Gesundheitswissenschaftler Kugler. In der Gastronomie bekomme ja auch nicht das Restaurant, sondern der Koch die Sterne.

Eingriffe mit Bewertung:

  • Kniegelenksersatz bei Arthrose
  • Knieprothesenwechsel
  • Hüftgelenksersatz bei Arthrose
  • Operation nach hüftgelenksnahem Oberschenkelbruch
  • Hüftprothesenwechsel
  • Gallenblasenentfernung bei Gallensteinen
  • Blinddarmentfernung
  • Mandeloperation
  • Leistenbruch-OP
  • Operation bei gutartiger Prostatavergrößerung
  • Prostataentfernung bei Krebs
  • Therapeutischer Herzkatheter (PCI) bei Patienten ohne Herzinfarkt
  • Kathetergestützte Aortenklappen-Implantationen (TAVI)