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Diese 27 Kliniken in Sachsen veröffentlichen freiwillig ihre Qualität

Fast acht Prozent aller Patienten mit Herzinfarkt sterben im Schnitt – in einigen Kliniken mehr, in anderen weniger. Die Initiative Qualitätsmedizin macht solche Daten öffentlich.

Von Katrin Saft
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Herzinfarkt: Je schneller der Arzt, desto größer die Überlebenschance.
Herzinfarkt: Je schneller der Arzt, desto größer die Überlebenschance. © Christian Charisius/dpa

Ein Patient wird mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert. Die Ärzte bemühen sich um ihn. Doch er stirbt. Haben die Mediziner schlechte Arbeit geleistet? Nicht unbedingt. Denn ob er überlebt oder nicht, hängt auch von vielen anderen Faktoren ab – vom Alter, von der Zeitspanne bis zur Klinikaufnahme, von der Schwere des Infarkts und von seinen Begleiterkrankungen.

Das Beispiel zeigt, dass Qualität im Krankenhaus schwer messbar ist. „Ich werde als Spinner bezeichnet, wenn ich öffentlich fordere, dass sich ein Krankenhaus nur dann seiner Qualität sicher sein kann, wenn es seine Ergebnisse feststellt und diese analysiert, um aus schlechten Ergebnissen zu lernen.“ Eine mehr als 100 Jahre alte Erkenntnis, die von Ernest Amory Codman stammt.

Der US-amerikanische Chirurg hat schon damals gegen erhebliche Widerstände versucht, Behandlungsergebnisse systematisch zu erfassen und zugänglich zu machen, um Patienten die Wahl von Ärzten und Krankenhäusern zu erleichtern. Doch noch heute stoßen Vergleiche medizinischer Qualität auf Skepsis bis hin zur Ablehnung. Die Daten würden nicht stimmen oder die eigene Klinik hätte ja die schwereren Fälle – so zwei häufige Gegenargumente.

Daten sind kaum manipulierbar

Ein gemeinnütziger Verein versucht es trotzdem: die Initiative Qualitätsmedizin (IQM). 2008 unter anderem von den Helios Kliniken und der Uniklinik Dresden gegründet, gehören ihr inzwischen mehr als 500 Krankenhäuser in Deutschland und in der Schweiz an – darunter 27 in Sachsen. Bundesweit versorgen sie nach eigenen Angaben etwa 40 Prozent der stationären Patienten. Ihr Ziel: Die Qualität dabei messen, veröffentlichen und verbessern – und zwar freiwillig.

Die Initiative nutzt dazu Routinedaten. Das sind Daten, die bei der Abrechnung von Krankenhausbehandlungen ohnehin anfallen – zum Beispiel Alter und Geschlecht eines Patienten, Haupt- und Nebendiagnose, Verweildauer, Beatmung, Entlassungsgrund. Der Vorteil: Die Daten sind standardisiert, vollständig, kaum manipulierbar und erfordern keinen zusätzlichen Aufwand.

Anhand solcher Daten wurden von der IQM mehr als 500 Qualitätsindikatoren für über 60 Krankheitsbilder und Behandlungen entwickelt – darunter Herz- und Lungenerkrankungen, Schlaganfall und Gefäßoperationen.

Indikator Sterblichkeit

Ein wesentlicher Messwert ist die Sterblichkeit, die auch bei bester Medizin noch immer unvermeidbar ist. Damit es möglichst gerecht zugeht, wird für jede Klinik eine zu erwartende Sterblichkeit errechnet – anhand von Werten wie Alter und Geschlecht. Auch Bundesreferenzwerte werden hinzugezogen. In Krankenhäusern wie den Unikliniken in Dresden und Leipzig zum Beispiel, die als Maximalversorger besonders viele Schwerkranke behandeln, liegt die erwartbare Sterblichkeit damit höher als bei einem Grundversorger. „Ziel der Mitgliedskliniken ist es, unter dem Erwartungswert zu bleiben“, sagt Ralf Kuhlen, Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats der IQM.

Zusätzlich wird die durchschnittliche Sterblichkeit in allen Mitgliedskliniken für die jeweilige Behandlung erfasst. 2022 sind in den IQM-Kliniken zum Beispiel 79.312 Patienten mit Herzinfarkt behandelt worden und 6.267 von ihnen gestorben – das sind 7,9 Prozent. Für jedes einzelne Krankenhaus lässt sich nun überprüfen, ob es über oder unter dem Durchschnitt und dem für die Klinik erwartbaren Wert liegt.

Kuhlen räumt ein, dass die Methode auch Schwachstellen hat. „So lässt sich die Qualität bei geringen Fallzahlen nicht wirklich verlässlich messen“, sagt er. „Denn wenn von zehn Patienten einer nicht überlebt, liegt die Sterblichkeitsrate gleich bei zehn Prozent.“ Die Sterblichkeit sei auch kein alleiniger Nachweis medizinischer Qualität. Allerdings erlaube das IQM-Verfahren sehr gut, statistische Auffälligkeiten zu erkennen.

"Niemand soll bestraft werden"

Und dann beginnt die eigentliche Arbeit – sogenannte Peer Reviews. „Dabei analysieren interne und externe Mediziner gemeinsam Strukturen und hausinterne Abläufe, um Fehlerquellen zu finden, draus zu lernen und Verbesserungen anzuschieben“, sagt Kuhlen. Das erfolge kollegial und auf Augenhöhe. Oft seien es Kleinigkeiten, die sich im Behandlungsprozess summiert hätten, Alltags- und Kommunikationsprobleme.

Gesundheitswissenschaftler Professor Joachim Kugler von der TU Dresden begrüßt das Verfahren. „Hier werden Problemfälle mit viel Sachverstand direkt in den Krankenhäusern aufgearbeitet“, sagt er. Das sei allerdings sehr aufwendig und deshalb nicht flächendeckend für alle Operationen in Deutschland leistbar.

Die Mitgliedskrankenhäuser veröffentlichen ihre Ergebnisse jährlich – nicht nur für das Personal, sondern im Internet auch für Laien verständlich. Der Gedanke dahinter: Gute Ergebnisse motivieren, schlechte erzeugen einen gewissen Druck, dass auch Veränderungen passieren. Einweisende Ärzte und Patienten können sich anhand der Daten orientieren. Nur eines möchten die IQM-Kliniken nicht: dass die Ergebnisse medial in Form eines Rankings dargestellt werden. Kuhlen: „Denn niemand soll dafür bestraft werden, dass er freiwillig Qualitätsdaten auswertet und sich dabei in die Karten schauen lässt.“ Diesem Wunsch kommt die SZ nach.

Sachsens Kliniken der Initiative Qualitätsmedizin:

  • Helios Klinik Leisnig
  • Helios Klinik Schkeuditz
  • Helios Klinikum Aue
  • Sana Kliniken Leipziger Land, Borna
  • Helios Vogtland Klinikum Plauen
  • St. Carolus Krankenhaus
  • Universitätsklinikum Dresden
  • Universitätsklinikum Leipzig
  • Elblandklinikum Meißen
  • Elblandklinikum Radebeul
  • Elblandklinikum Riesa
  • Städtisches Klinikum Dresden-Friedrichstadt
  • Städtisches Klinikum Dresden-Neustadt
  • Sana Kliniken Leipziger Land, Zwenkau
  • Helios Klinikum Pirna
  • Helios Herzzentrum Leipzig
  • Helios Park-Klinikum Leipzig
  • Helios Weißeritztal-Kliniken, Freital
  • Helios Weißeritztal-Klinikum, Dippoldiswalde
  • Lausitzer Seenland Klinikum (Sana)
  • Herzzentrum DD Uniklinik (Sana)
  • Kreiskrankenhaus Freiberg (Sana)
  • Städtisches Klinikum Dresden-Weißer Hirsch
  • Landkreis Mittweida Krankenhaus
  • Klinikum Chemnitz, Flemmingstraße
  • Klinikum Chemnitz, Küchwald
  • Klinikum Chemnitz

Quelle: IQM

  • Teil 3: Wie die AOK das Risiko in Sachsens Krankenhäusern bei 13 planbaren Eingriffen öffentlich macht.